“Please sit. Will you break bread with me. Or will the day see us as enemies?” Mit dieser Frage eröffnet der Song “Not By Blood, But By Words”, einer von insgesamt sieben, auf dem fünften Album, der aus Bergen stammenden Progressive und Experimental-Metaller Vulture Industries. Die Frage ist berechtigt, heute wie vermutlich schon seit Anbeginn der Menschheit. Wirklich sinnig finde ich allerdings diese Bibelmetapher. Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass die fünf Musiker von Vulture Industries sonderlich fromme Kirchengänger sind, so hat ihr Sound dank der erhabenen Männerchöre doch etwas Kirchlich-Orchestrales an sich. Lässt mich an der ein oder anderen Stelle an System Of A Down und deren Gesangsleistungen denken. Und ähnlich wie bei den Buben aus dem sonnigen Kalifornien, stellt dies auch bei den Mannen aus dem hohen Norden ein wesentliches Merkmal dar. Muss man schon mögen, steht dem Gesamtsound aber gut.
Richtig gut find ich dagegen, was ebenfalls sofort ins Gehör sticht. Trompete und Saxophon werden hier und da gekonnt eingesetzt und bilden einen krassen Kontrast zu den edgy Gitarren. Die Vulture Industries lassen den staubigen Wüstensand des Ween-Klassikers “Buenas Tardes Amigo” durch die verschneiten Straßen Bergens wehen. Und instant gehen sie mir durch den Kopf, all die Rodriguez– und Tarantino-Klassiker. Manchmal kreiert Rockmusik gar aberwitzige Assoziationsketten.
Denn letztlich sind Vulture Industries eben Skandinavier. Und auch wenn sich Nahe der ostnorwegischen Kleinstadt Röros per definitionem tatsächlich die kleinste Wüste der Welt befindet, so ist und bleibt der Grundtenor der Band doch eher düster, mitunter gar dunkel. Ja, auch – oder gerade – in der Wüste wird es nachts kalt. Die nach wie vor aktuellen Überflieger Ghost lassen grüßen. Type O’Negative auch, oder Pentagram. Oder aber, um an dieser Stelle einen Fan der Band zu zitieren: “This is how Nick Cave would sound like if he made metal.” (Zitatende). Alles klar jetzt?
Na ist doch ganz einfach. Vulture Industries setzen weniger auf musikalische Fingerfertigkeit, denn mehr auf Atmosphäre. Die Akkorde werden in den Raum gestellt, anstatt sie im Stakkatowirbel zu verhunzen. Auch die Soli bauen lieber auf simple, aber wirkungsvolle Schwermut, anstatt in einem Affenzahn das ganze Griffbrett in Beschlag zu nehmen. Metal ja, weil hart. Hart durch transportierte und deutlich spürbare Intensität.
In krassem Kontrast dazu steht das liebliche transparente marbled Magenta des Vinyls. Und doch versprüht es diesen kleinen Funken Freude und Glückseligkeit, mit dem Vulture Industries den letzten Song (“Tyrants Weep Alone”) von “Ghosts From The Past” ausklingen lassen und so zu einem versöhnlichen Abschluss kommen. Dabei waren wir doch gar nie nicht versöhnt. Die Platte ist dank ihres eigenwilligen Charakters absolut hörenswert und hat neben dem bereits angesprochenen bunten Vinyl auch sonst was für’s Auge zu bieten. Schaurige Herman Melville-Optik auf dem Cover, Gatefold mit den Texten drin und als ganz besonderes Schmankerl, ein beidseitig bedrucktes Poster wie aus dem Metal Hammer. A propos, die Kolleg*innen vom lauten Printmagazin werden bestimmt einen Heidenspaß an Vulture Industries haben. Ihr könnt das auch. Schaut z.B. mal bei jpc nach dem vom passenden Label Dark Essence Records veröffentlichten Album.