Normalerweise schreibe ich ja keine Buch Reviews. Schlicht und ergreifend einfach deswegen, weil ich in meinem Alltag überhaupt keine Zeit habe, Bücher zu lesen und mich meistens auch schlecht konzentrieren kann, weil da so viel im Kopf ist, an das jeden Tag so gedacht werden muss (und dann noch obendrauf das, an das gedacht werden will). Bei diesem Buch mache ich ganz bewusst eine Ausnahme und es ist mir ein ganz persönliches Anliegen. Ich habe selten ein Buch gelesen, in dem der Autor, in diesem Fall Frank Bialinski, so viel Persönliches von sich preisgibt, sich so authentisch echt und ungekünstelt in seinen Texten und seinen Werken zeigt, dass wirklich jede*r Leser*in das Gefühl haben muss, direkt neben im zu stehen, während sie in seinem Buch schmökern.
Frank verarbeitet in seiner Lyrik und Kunst seine Ängste, Unsicherheiten und Depressionen. Auf diese Weise hat er glücklicherweise, nach jahrzehntelanger Drogen-/und Alkoholabhängigkeit, ein Ventil gefunden, das nicht nur gesünder und lebensbejahender ist, sondern auch die Möglichkeit erschaffen, mit ihm in Kontakt zu treten. Er kommuniziert über seine Texte und seine Bilder, ich ertappe mich oft beim Lesen dabei, wie ich verständnisvoll nicke, oder seine Bilder Emotionen auslösen, die ich mir nicht erklären kann.
Als mir vor langer Zeit die Band WIRE “Feeling Called Love” in die Hörmuscheln drückte, dachte ich, du bist nicht allein auf dieser Welt auf Liebesentzug. Liebe war zu jener zeit etwas, was Alles und Nichts sein konnte”
(aus “Mensch Linse, watt geht?”)
Dass Frank Bialinski 23 Jahre lang als Texter und Sänger (Fluchtversuch, Bad News) in der Punkwelt unterwegs war, lässt sich erahnen: So denke ich bei vielen Texten, dass das großartige Lyrics für einen Song wären. “Ich für mich weiß nicht, in welche Schublade ich meine Texte packen soll …”, sagt Frank selbst. Aber vielleicht ist gerade das nicht nötig. Ganz egal ob wir es Gedichte, Songtexte, Tagebucheinträge, Beobachtungen oder Momentaufnahmen nennen – essentiell ist doch, dass sie uns erreichen. Sie stellen unterschwellig Fragen an die Leser*innen, die sich jede*r von uns dann selbst beantworten kann. Sie regen zum Nachdenken an, sie setzen Gefühle frei, ja, wie Musik, die mitten ins Herz trifft. Sie sezieren Begrifflichkeiten, umschreiben Zwischenmenschliches, handeln von Alltäglichem, werden politisch und schreiben Geschichte, gespickt mit einer Note Philosophie.
Frank selbst sieht sich als Beobachter, angetrieben durch “das Verstehenwollen” – sich selbst und seine Umwelt. Er hadert, hinterfragt, struggelt, richtet sich wieder auf, zweifelt an und fordert heraus. Dabei ist er schonungslos, direkt und unverblümt. Er verlässt sich selbst zwischendurch, um kurz darauf wieder zu zurückzukehren. Eines hat er dabei immer dabei: Sein Herz. Er schüttet es aus, er drangsaliert es, er verlangt ihm alles ab – um es im Anschluss wieder zu verarzten und zu hegen, zu beschützen und zu verschenken.
Dieser wilde Ritt, die Zerrissenheit und Komplexität, die inneren Konflikte und das Gefühlschaos setzt sich in der abgebildeten Kunst fort: Mit Alltagsgegenständen, Farbe und unterschiedlichen Materialien.
“Künstlichkeit kennt keine Grenzen. Schneebrillen schützen vor dem Leben.
Blechlawinen bewegen Leben. Schulen untermauern Fortschritt. Fortschritt ist Pflichtprodukt.
Das Produkt füttert den Markt. Der Markt füttert den Menschen. Der Mensch liebt den Fortschritt.
UND ZAHLT!
(Gedanken eines Klimatoten)
Äußerst treffend formuliert Frank sein künstlerisches Schaffen wie folgt mit : “(…)Ich arbeite mit allem, was sich mir in den Weg stellt (…)”. Dabei bleibt er stets niedrigschwellig, wenig verkopft, unkompliziert – und schafft es dadurch, auch Menschen anzusprechen, die von sich vielleicht behaupten würden, sie haben von Kunst keine Ahnung (also mich zum Beispiel ;-). Das einzige, was vorausgesetzt wird, ist die eigene Offenheit und das Zulassen von Verletzlichkeit beim Betrachten. Ich schaue, ich fühle – so simpel, so direkt.
Ich möchte euch dieses Buch wirklich wärmstens ans Herz legen, denn es bietet so Vieles:
Es ist ermutigend, kann als Seelentröster fungieren, bietet Zuflucht, zeigt Verständnis, ist aufrichtig. Es ist ein Buch für junge und alte Menschen, für Hoffnungsvolle und Enttäuschte, für Desillusionierte und Optimistische.
Die erste Auflage ist – zurecht! – leider schon vergriffen, die Zweitauflage aber bereits im Druck und in Kürze hier erhältlich!