Nachdem ich beim Opener der neuen kleinen aber feinen Interviewreihe Alex Schwers zu seiner “Vinylsünde” befragen durfte, kommt heute in unserer Reihe „Vinylsünde“ ein junger, dynamischer Mann zu Wort, der es immer wieder schafft, auf sich aufmerksam zu machen. Sei es durch Recherchen, als Kolumne oder als Autor. Die Rede ist von Linus Volkmann.
Linus ist Musikjournalist und war lange Zeit Chefredakteur der Musikzeitschrift „Intro“, schrieb aber auch für Magazine wie das Plastic Bomb, die Zeit oder die Vice. Zudem ist er unter anderem auch als Autor bei „neo magazin royale“ tätig und pflegt den Popkultur-Blog www.kaput-mag.com.
Hallo Linus, vielen Dank das du Bock auf die Kurzgeschichtenserie hast und uns verraten möchtest, was deine schlimmste Platte in deiner Plattensammlung ist.
Nun raus damit, welche Platte ist es? Warum ist sie das? Und noch viel wichtiger, was steckt für eine Geschichte dahinter (wie kam die Platte zu dir oder du zu der Platte)?
Bei der schlechtesten Platte, die ich besitze, handelt es sich wohl um… „Metal Ballads Vol.2“ (BMG / 1989).
Gekauft habe ich sie in meinem absoluten Lieblings-Plattenladen dem Flohmarkt. Ich besitze das Album schon lange und habe mir als junger Mann (Bismarck war damals Kanzler, meine ich) allgemein gern Metal-Sampler zugelegt. Vor dieser universellen Verfügbarkeit von Musik, die heute herrscht, versprach das Format des Samplers zumindest oft eine zweistellige Zahl von Neuentdeckungen. Einen weiteren Kaufimpuls stellen für mich gerade bei solchen Platten dann die im Genre verbreiteten Airbrush-Motive dar. Das kann man heute ja ganz ohne soziale Ächtung zugeben.
Spätestens seit „Leider geil“ von Deichkind mit der legendären Zeile:
„Ein Drache und ein Krieger, kämpfen auf einem Berg / Airbrushgemälde – Leider geil!“
Mich lockten also die Faktoren „Airbrush“, „Classic Metal“ und „Sampler“ in diesen Kauf.
Geflissentlich ignoriert hatte ich dagegen den Warnhinweis der Platte, der da lautet: „Die schönsten Rockballaden der Welt“. JAOK, auch ich weine gern bei „Für immer“ von Doro Pesch oder zu „Princess Of The Dawn“ von Accept – bin schließlich auch nur aus Mensch. Dennoch wollte ich mir natürlich wirklich zu keiner Zeit meiner persönlichen Musikhistorie weichgespülte Rockmänner anhören mit scheintotem Minnesang.
Rockmänner bedeutet hier auch keine Zuspitzung, unter den 57 beteiligten Musikern befindet sich lediglich eine Frau (die Sängerin von Zed Yago).
Gerade in seiner bleiernen Gesamtheit ist diese mediokre Mucker-Seligkeit auf „Metal Ballads Vol.2“ untragbar. Die einzig echten Emotionen, die diese Liebesschwüre in pathetischem Rock zu wecken imstande sind, lauten: Wut, Enttäuschung und Hass.
Nazareth, Bonfire, Poison, Deep Purple, Gary Moore … naja, was habe ich mir davon auch bitte erwartet?
Dennoch bin ich weiter im Besitz dieser Platte, schleppe sie durch dick und dünn, von einer Haftanstalt in die nächste. Warum? Die Antwort führt dabei wieder zurück auf das Cover, denn wenn man mal in die Details des Motivs schaut, sieht man, dass diese Quark-Platte von außen geiler aussieht als die „Mona Lisa“, oder ähnliches Hochkultur-Gekritzel.
Das sexy Pärchen mit seinen übertriebenen Hard-Bodys verkörpert für mich so gar nicht den gemütlich bierigen Metal-Dude, den ich mit dem Genre verbinde. Aber Kunst ist ja immer auch Wunschdenken und Stilisierung. Dass die beiden allerdings ihr Liebesspiel dann noch auf einer Bergspitze genießen, das ist halt einfach die Überdosis an zauberhaftem Trash.
Obwohl Musik und Songs lästigen Null-Rock aus der dritten Reihe darstellen, liebe ich die Platte einfach nur als schönes Einrichtungsstück. Denn jeder, der drauf guckt, bekommt gute Laune.
Mein Fazit: Spitzen-Album, wenn nur die Musik nicht wäre.