Mit ihrem Debütalbum „Lieblingslieder“ veröffentlichen die Low Life Rich Kids auf Las Vegas Records ein Werk, das so gar nichts mit Lieblingsliedern im klassischen Sinn zu tun hat – und genau darin liegt seine Stärke. Das Trio – bestehend aus den Schauspielerinnen Coco Brell, Mara Romei und Musiker Bernhard Eder – präsentiert zehn Songs, die sich irgendwo zwischen Post-Punk, Spoken Word und Pop-Ironie ansiedeln. Die Musik klingt mal nach 80er-Heimorgel, dann wieder nach verzerrtem Synthie-Keller, immer aber wie ein Soundtrack zur Gegenwartskrise.
Low Life Rich Kids tritt nicht auf, sie bricht ein – in dein Ohr, deine politische Bequemlichkeit und deinen Spotify-Algorithmus. Das beginnt gleich mit „Paralysiert„, einem Stück, das das Lebensgefühl zwischen Klimaangst, Selbstzweifeln und politischer Frustration auf den Punkt bringt. Es folgt Angst, und selten wurde dieser Titel so treffend und trotzdem tanzbar vertont. Auch Samba Allein trägt diese Ambivalenz in sich: Leichte Melodie, schwerer Inhalt. Ein Lächeln auf den Lippen – aber die Stirn bleibt in Falten.
Thematisch zeigt sich das Album als konsequente Absage an toxische Positivität, Ignoranz und rechte Rückschritte. In „Anti-Woke–Generation“ holt die Band zum verbalen Rundumschlag gegen reaktionäre Haltungsverweigerung aus – sarkastisch, bissig und treffsicher. „100 Grad Fahrenheit“ klingt wie ein Tanzstück aus einer brennenden Zukunft, „Unter den Wolken„ wiederum nimmt mit subtilem Witz den Klimawandel und romantische Verdrängung aufs Korn – inklusive Referenz an Reinhard Mey.
Musikalisch erlaubt sich Low Life Rich Kids jede Freiheit. Die Strukturen sind unkonventionell, die Intros lang, die Hooks manchmal zweitrangig. „Streaming-optimiert“ ist hier gar nichts – und das ist wohltuend. Man hört, dass diese Platte nicht im Hitlabor entstanden ist, sondern auf Bühnen, in Gesprächen, in zornigen Gedanken und ironischen Lachanfällen. Besonders „NNNDW„ (Nicht Neue Neue Deutsche Welle?) zeigt das Selbstbewusstsein der Band, sich auch stilistisch zwischen Nostalgie und Selbstkritik zu bewegen.
Den Abschluss bildet „Wasserstoff brennt!“ – eine zwei Minuten und 53 Sekunden kurze, aggressive Mini-Hymne, die wie ein Synth-Punk-Brandbeschleuniger wirkt. Laut, schnell, tanzbar – und dann ist Schluss. Keine Versöhnung. Kein Happy End. Aber ein starkes Statement.
„Lieblingslieder“ ist ein Debüt, das unbequem sein will – und das auf kluge, musikalisch vielseitige Weise auch ist. Es fordert Aufmerksamkeit, Haltung, ein offenes Ohr und einen offenen Kopf. Wer Popmusik als Unterhaltungskulisse begreift, wird hier herausgefordert. Wer Musik als politisches Sprachrohr begreift, wird begeistert sein.
Erwerben könnt ihr das Album bei Bandcamp!
Viel Spaß beim Hören und Entdecken!


