Dancing on Tuesdays is like driving the hell.
Cover Rückseite Akkumuller, Stand and Deliver
Akkumuller oder was? Das Jahr ist gerade mal ein wenig warm gelaufen, da kommt schon ein Anwärter auf die Single des Jahres ins Haus. Aus dem fernen Kanada erreicht mich das sieben Inch große schwarze, gelochte und noch warme Plastik (Release Date war Sonntag der 5. März) – netterweise als persönliche Promotion mit meinem Namen getaggt. Zugegeben, dass verwundert mich schon, denn auf Kanada kann ich mir gerade keinen Reim machen…
Bei Akkumuller – “Stand and Deliver” handelt es sich um eine stark limitierte Single-Edition von nur 195 (!!!) Stück, wobei etwa ein Viertel 50 Stück in bunten Vinyl zu haben sind. Während ihr diese Zeilen lest, sind vermutlich schon wieder ein paar Singles über die Ladentheke oder in den Versand gegangen.
Die Single kommt im wertvollen Papiercover mit einem interessanten Schwarzweiß-Bild eines vermutlichen technischen Equipments. Ehrlich, keine Ahnung, was da fotografiert wurde. Dazu kommt ein stark verdunkeltes Foto der Band, auf dem die Silhouetten der Bandmitglieder vor einem Holzhaus stehen, dessen Fenster offensichtlich mit Brettern verschlagen wurde. Es ergeben sich mehr Fragezeichen als Hinweise auf Ort und Personen.
Und damit liebe Leser:innen hört es auch schon auf, was Informationen angeht, denn über Akkumuller spuckt das planetumspannende Netz nichts aus! Ich kann weder etwas zu dieser neuen(?), unbekannten Band, noch kann ich etwas zur bisherigen Discographie mitteilen. Es gibt auch kein Video. Akkumuller scheinen ein Mysterium zu sein und bewußt auf Aufmerksamkeit im Netz zu verzichten.
Aber wißt ihr was? Es ist egal! Ganz egal! Scheiss egal! Warum? Weil das Teil so heiß ist, wie ein Stück Stahl aus dem Hochofen im Herzen des Ruhrgebiets in der Nachtschicht von Dienstag auf Mittwoch. Und die Single hat soviel Selbstbewusstsein, Klasse und Qualität, daß es überhaupt keine Story darum benötigt. Hier sprechen die Fakten und die Musik für sich…
“Stand and Deliver” auf Bandcamp
Die A-Seite beginnt völlig absurd mit einer leicht verhallten Sprachnachricht “Hey, Sie wollen doch wohl nicht hier hin pinkeln?” Drei Sekunden, die mir schon das Grinsen ins Gesicht treiben, denn wann hat es mal so einen Auftakt für einen Song gegeben? Es folgen ein Synthieteppich, der durch im Takt akzentuierte Effekte unterstützt wird, bevor ein analoges Drum-Hihat aus dem Synthie einen gehetzten Beat startet, der seinesgleichen sucht. Es folgt eine verführerische Melodie, die sich direkt in den Hippocampus bohrt, nur um von dort den Beat zu stampfen und den Besitzer des Gehirn in den Wahnsinn treibt.
Was dann folgt, ist ebenso simple, wie genial. Die verfremdete Male-Stimme wiederholt ständig die Kernbotschaft “Nichts ist unmöglich!”. Dazu kommt eine Female-Voice mit dem Aufruf “pinkeln” sowie dem typisch deutschen Ausruf “Das kann ja wohl nicht wahr sein!” Textlich wird es dann noch ein wenig komisch, denn die Male-Stimme fordert nun zum Weitergehen auf, aber ” Zack Zack”. Mit “Das ist ja ekelhaft!” endet “Stand and Deliver” abrupt.
Wie es scheint geht es im Text um einen Fall einer urinalen Notdurft, die an einer dafür nicht geeigneten Stelle. Ein Tabu-Thema, welches bisher viel zu wenig in der Musik beleuchtet wurde. Es war einfach an der Zeit für “Stand and Deliver”.
“Stand and Deliver” klingt in seiner Aussage und Textur grandios naiv und schräg, ein wenig ironisch mit NDW-Einschlag, besinnt sich aber musikalisch auf die Genre- und Stilelemente aus den 80er und 90er Dark Wave-Generation mit einem wohl dosierten Spritzer harten EBM. Diese Gemengelage der Beats und ekstatischen Synthies machen den Song zu einer Sternstunde im Kernkrach Universum.
Es gibt so Songs, die liebt man von der ersten Note, vom ersten Takt an. “Tuesday” ist so ein Track. Die Synthiespur erinnert mich wohlig an die geliebten Klänge der “Terminator” Score Melodie – exzellent zitieren Akkumuller retro kanadischen EBM von so fantastischen und wegweisenden Bands wie Frontline Assembly oder Skinny Puppy.
Die Lyrics des Songs bestehen aus dem hypnotisierend, repetiertem Satz “I Don’t wanna dance tonight”, der so glänzend, gelangweilt und unterkühlt vorgetragen wird, dass man glauben mag, wieder in den 80er Jahren in einer Dark Wave Diskothek zu weilen.
Diesen Eindruck verstärken die hektischen, jagenden EBM-Beats, die aus vollen Rohren auf das Trommelfell ballern. Dazu diese schrägen Effekte, gequälter, fast misshandelter Synthies. Das ergibt ein druckvolleres, düsteres und schrägeres Aural-Erlebnis als die A-Seite.
Akkumuller haben bei beiden Songs darauf geachtet, dass sich die eingängigen Songs in das Hirn eingraben und dort längere Zeit als Untermieter verbleiben werden. Zudem besteht bei beiden Songs Suchtgefahr nach Dauerschleife… Akkumuller haben alle Hebel an der richtig Stelle betätigt und eine Single geschaffen, welche sich nicht vor den großen Songs der damaligen Zeit verstecken muß! Im Gegenteil: “Stand and Deliver” beleuchten das Genre neu und pusten mit Vehemenz den Staub aus den Rillen – nur um sich nostalgisch zu verneigen und ihren ganz eigenen Stil zu entwickeln.
Abschließend, nachdem die Single in Hot-Roation lief – meine Katzen tragen schon in-ear-Kopfhörer – beginne ich ein wenig zu ahnen, was hier gespielt wird. Spielen wir mal Sherlock und legen uns die Karten beziehungsweise bewerten die Indizien: das Label Nancy Records ist ein Sublabel von Kernkrach. Damit führt ein heißer Draht nach Münster in das weltweite Headquarter des Minimal Waves – zu Kernkrach. Nicht ohne Grund steht auf der Single: supported by Kernkrach Records.
Ein weiterer Hinweis könnte der Aufnahme-Ort: Barrie/ON sein. Das ist Barrie in Ontario, Kanada, wunderschön gelegen am Lake Simcoe bei den großen Seen, knappe 85 Kilometer von Toronto City entfernt. Es gibt einen kanadischen Künstler im Kernkrach Universum, der würde vom Stil schon passen.
Ein starker Hinweis sind die deutschen Vocals auf “Stand and Deliver”. Besonders das “Zack Zack” klingt stark nach Dr. Kernkrach. Da ich das ein oder andere Musikstück aus der Feder das Hexers aus Warendorf kenne, würde ich hm das Projekt Akkumuller schon zutrauen.
Über die Chanteuse auf der B-Seite kann ich nur mutmaßen. Aber genau das lasse ich an der Stelle und verbreite keine weiteren nebulösen Spekulationen. Die auf dem Back-Cover gelisteten Musiker sind allesamt fake-Namen, wenn gleich auch sehr schillernd: Walter Wasagabitch, Kensi’s-J-Chicken und Pink Gravenhurst. Da kann sich jeder hinter verbergen und damit Musiker aus dem Kernkrach-Universum. Allerdings sicher bin ich mir da nicht.
Wie dem auch sei; musikalisch ist “Stand and Deliver” ein Diamant aus der Dark Wave, Synth-Wave-Ecke. Ein straighter, treibender Beat sorgt für UpTempo, kalte, fast metallene, dystopische Melodien rinnen aus analogen Synthesizern mit irren, schrägen Effekte und diese schneidenderen, unterkühlten, teils verfremdeten Stimmen … Herz, was willst du mehr? Sieben Minuten, die einfach nur glücklich machen…
Es bleibt zu hoffen, dass die mystische Band noch mal den Weg zu unseren Plattenspielern finden wird. Akkumuller sind eine Bereicherung für die kleine Minimal Wave Szene, für die Fans des Dark und Synth Wave sowie für alle, denen diese Art der Musik schon in den 80ern und 90ern gefallen hat. Akkumuller legen die Latte für das Jahr 2023 in dieser Kategorie schon mal richtig hoch.
Unbedingte Kaufempfehlung!
Unterstützt dieses unbekannte und mystische Projekt aus Kanada und Deutschland.
Bestellen könnt ihr auf dem kürzesten Weg hier beim Minimal Wave Dealer eures Vertrauen!
Akkumuller im Netz.
Fehlanzeige