Heute gibt es gleich drei Alben von der norwegischen Band Arabs in Aspic, die zeitgleich remastered wurden.
Album 1: „The Magic of Sin“
Album 2: „Victim of your Fathers Agony“
Album 3: „Pictures in a Dream“
Die Review ist eingebettet in einen Road Trip, die Fortsetzungsgeschichte Rattster. Dort heißt es auch heute wieder: „Hamster und Ratte hören gerne Platte“. Dazu gibt es wie immer eine Illustration, in der „Hamster, Ratte und Platte“ zu sehen sind von unterschiedlichen Leuten gestaltet. Heute kommt die geniale Illustration von Valentina!
Mit dem Dezember als Ende und als Anfang startet auch die neue Staffel. Hier kommt heute Folge 1 der Staffel 2. Wieder im Text versteckt eine kleine Quizfrage für Music-Nerds. Hamster hat eine Macke und spricht gerne in Songzitaten. Finde das *Zitat und errate den Songtitel und Interpreten. Lösung am Ende.
Viel Spaß!
Intro
There is no you in me You have bats in the bеlfry Paralyzed, you’re mumbling Loathsome in thе dark (Down in Darkness, Pt. 3, The Magic of Sin, B-Seite, Arabs in Aspic ) Übersetzung: Es gibt kein Du in mir / du leidest an Verworrenheit / gelähmt murmelst du vor dich hin / verabscheuenswürdig in der Dunkelheit
Ratte lag nun schon seit Heiligabend betäubt und halluzinierend in einer Ecke des Kellers im Neubau-Bürokomplex. Seine Stirn war gerunzelt und er murmelte wirres Zeug. Grad rief er wieder: “Nein, nein, nicht die Druden!“ Wild begann er zu strampeln, als er im Alptraum nackte Frauengestalten mit Schnäbeln durch die Zimmerdecke dringen sah. Druckgeister, die sich laut Aberglaube auf die Brust Schlafender setzten, um ihnen Alpträume zu bescheren. Er hatte diese Wesen stets mit dem Plattencover der Band Arabs in Aspic in Verbindung gebracht. An seine rege Phantasie hängten sich alpschwere Gedanken. Sein Geist spielte ihm dazu Parts vor aus der 18 Minuten dauernden Nummer „Down in Darkness, Pt. 3“ jener norwegischen Progrockband Arabs in Aspic. Die hatte er vor vielen Jahren als Rattenkind zuhause gehört und fand sie schaurig und anziehend zugleich. Gebannt hatte er damals den unverständlichen Klängen der norwegischen Texte gelauscht und die Cover betrachtet. Rattus norvegicus war schließlich Ratte’s bürgerlicher Name, weshalb er sich Norwegen verbunden fühlte. Doch er verstand kein Wort Norwegisch und kam auch nicht aus diesem Land, was die Mystik weiter unterstrich.
Alle Wanderratten auf der ganzen Welt trugen den gleichen Namen im Reisepass: Rattus norvegicus, egal ob sie nun aus Norwegen kamen oder nicht. Die Band Arabs in Aspic hielt es ähnlich. Sie hatte sich nach einem Buchtitel über Golf benannt, das Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen war, obwohl sie weder Golf spielten noch aus Arabien kamen. Das war mindestens so befremdlich, wie sein bürgerlicher Name, befand Ratte in seinem Wahntraum. Bewusstseinseintrübungen, Muskelzuckungen, Verwirrtheit, Bauchschmerzen und Erregungszustände quälten ihn seit Tagen. Es war grässlich! Das Muscimol genannte Fliegenpilzgift wütete in seinem Körper.
Die Minuten des Songs verstrichen langsam und sogen Ratte als Baby in seine Wiege, eine alte Fischdose mit Küchenpapier ausstaffiert, tiefer und tiefer in das Liedlabyrinth aus der Vergangenheit hinab. Dunkel und voller experimenteller Klanglandschaften war es von verzerrten Tönen, klaren Gesängen und Melodien, die sich mit verzerrten schiefen Molltönen abwechselten. Der Song dauerte eine ganze 12“ Vinyl-Seite lang und er sah sich dabei selbst, wie er als kleine Ratte ganz vergaß zu quengeln und zu plärren, so angestrengt hatte er versucht zu lauschen und zu verstehen, während die LP spielte. So war das, wenn man mit Opas Vinyl-Sammlung aufwuchs, dachte er benebelt. Doch er irrte und brachte alles durcheinander in seinen Wahnvorstellungen. Im Jahr 2017, als das Album auf Norwegisch unter dem Titel „Syndens Magi“ erschien, war er längst kein Baby mehr gewesen. Schon eher beim 2003 erschienen „Progeria“ von Arabs in Aspic. Tja, diese Pilzvergiftung löste und verknüpfte Synapsen einfach, wie es ihr gefiel.
„Hey, jetzt komm halt endlich runter!“, sprach Hamster durch den diffusen Aspik in Ratte’s Hirn. Er kicherte verrückt. Haha, sie hatte einen total banalen bürgerlichen Namen, Cricetus cricetus war etwa so einfallslos wie Jens Jensen oder Peter Petersen. „Also Ratte, dein leckerer Fliegenpilzpudding an Weihnachten… Konnte ja niemand ahnen, dass du so darauf abfährst.“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. Ratte drehte sich auf die stabile Seitenlage und würgte bei dem Wort Fliegenpilz erbarmungswürdig. „Ts, ts, übertreib mal bitte nicht. Hätte ja auch ne normale Portion Pilzpudding gereicht! Außerdem sind Fliegenpilze scheinbar keine Speisepilze. Knapp an der letalen Dosis von 45 mg/kg bei Ratten vorbei, würd ich mal sagen“, bemerkte Hamster leicht angesäuert, als sie durch die neue Pilz-Puls App scrollte.
Sie hatte im Gegensatz zu Ratte ihr amateurhaft gesammeltes, weihnachtlich rot-weißes Amanita Mischpilz-Festmahl beim Schein eines kleinen Kerzenstummels ganz gut vertragen. Sie hatte auch nicht den Topf ausgeschleckt und gierig fast die ganze Schüssel alleine leergefressen. Hamster war etwas verärgert. Nicht nur, weil sie nun kaum was abbekommen hatte von ihrer seit Herbst mühselig getrockneten Pilzernte, die sie beide mit viel Begeisterung und null Ahnung gesammelt hatten. Eigentlich wollten sie heute Silvester feiern und hatten dafür extra aus altem Brot und gammliger Marmelade Schnaps angesetzt. „Aus unserer Party wird nun offenbar nichts“, stellte Hamster entrüstet fest. Erst Blödsinn machen und dann jammern, Ratte war einfach der geborene Leidhammel, fand sie.
Plötzlich fuhr sie zu Tode erschrocken auf. Ein enormer Knall von zerberstendem Glas hallte durch das Gebäude. „Katzen!“, entfuhr es Hamster entsetzt. Eilig sprang sie zu Ratte und bedeckte ihn mit Zeitungspapier und zerknüllter Plastikfolie. Die Katzen durften ihn in diesem wehrlosen Zustand nicht finden. Dann löschte sie die Kerze und wartete angespannt in der Dunkelheit. Sie hörte wie Glassplitter knirschten und jemand laut pfeifend die obere Etage entlang latschte. Die gepfiffene Melodie klang beinahe wie der Querflötenpart des Songs aus Ratte’s Fiebertraum. Ratte begann bei diesen unheimlichen Pfeiftönen wirr zu zucken und zu zappeln, sodass die Plastikfolie laut raschelte. Abrupt blieb der Eindringling an der Treppe stehen und schnüffelte die Luft, die aus dem Keller emporstieg. Seine Stimme begann zu wispern:
Down in darkness Down in darkness Down in darkness Down in darkness (Down in Darkness, Pt. 3, The Magic of Sin, B-Seite, Arabs in Aspic) Übersetzung: Drunten in der Dunkelheit / drunten in der Dunkelheit / drunten in der Dunkelheit / drunten in der Dunkelheit
Angestrengt lauschte Hamster. Waren sie entdeckt worden? Furchtsam wurde sie gewahr, wie schlurfende Schritte sich in Bewegung setzten, Krallen über die Stufen herab schabten und näher kamen. Keuchender Atem und ekelhaftes Schmatzen war die von Schallwellen an ihre Ohren transportierte Vorhut des Angreifers. Ratte zuckte und knisterte erneut mit dem Zeitungspapier, das ihn bedeckte, verriet treu wie ein Echolot ihre Position.
Die Gefahr war nun vollkommen, Hamster machte sich bereit mit aufgestellter heller Nackenbürste und schwarzem Kampfstirnband. Sie würde ihr Heim verteidigen mit vier schwarzen, kräftigen Beinchen, hellen Fäusten und Hamster-Kampfkunst. Langsam quietschend öffnete sich die Tür ihres Kellerraums. Der Kegel einer Taschenlampe sprang über Hamster und Ratte’s Lagerstätte. Das war der richtige Moment!
Horrid and disgusting As they run from a dream Blood drips from a knife Which soon becomes a stream (The Magic of Sin, The Magic of Sin, B-Seite, Arabs in Aspic) Übersetzung: Abscheulich und ekelerregend / als sie im Traum davonlaufen / tropft Blut von einem Messer / das bald zu einem Strom wird
Hamster stürzte sich mit einem tödlichen Aufschrei auf den Fremdling und prallte überrascht zurück, als Ratte schlagartig die Augen aufriss und ein spitzer Schrei der Erkenntnis aus seinem Maul drang: „Opi?“
Vor ihnen stand ein uraltes Opossum mit schütterem, weißem Haupthaar und schuppigem Schwanz. Auf dem Kopf hatte es bereits eine kleine, beginnende Glatze. Die sogenannte Beutelratte steckte in einer viel zu weiten, mehrfach umgekrempelten blauen Arbeitslatzhose. Im Winkel des weißbärtigen Mauls steckte eine Tabakspfeife und ein langer Ohrring mit Sicherheitsnadel und Sechskantmutter bammelte von seinem dunklen Ohr bis auf die Schulter herab. Hamster staunte nicht schlecht.
Das Opossum ergriff sogleich ihre Pfote: “Tachchen, ich bin’s, Opi. Die Stief-Oma von Ratte. Erinnerst du dich nicht? Ihr wart damals beide noch sooooo klein.“ Das Opossum zeigte mit ihrer Pfeife irgendwo in die Höhe ihrer Knöchel. „Doch, doch“, stammelte Hamster und lachte unsicher. Ratte war anscheinend schlagartig nüchtern oder ein sehr guter Schauspieler:“ Opi, du kommst zu Besuch, da freuen wir uns aber!“ Und zu Hamster gewendet flüsterte er: “Mist, haben wir Augentropfen? Ich habe bestimmt knallrote Augen.“ Hamster glotzte immer noch überrascht und schüttelte langsam mit offen stehendem Maul den Kopf.
„Ja, ich habe einen Weihnachts-Überraschungsbesuch gestartet, Jungchen. Bin bisschen spät dran, aber nur ein Jahr. 2023 bin ich losgefahren, mein Bus hatte zwischendurch eine Panne. Ich habe ziemlich lange dran geschraubt und als ich endlich hier bei der Adresse ankam, war niemand mehr da!“ Ratte nickte und erklärte ihr die lange Geschichte kurz: „Unsere alte Baracke wurde für diesen Bürokomplex hier abgerissen. Wir mussten flüchten und haben dann unterwegs auch noch unsere Plattensammlung verloren, bevor wir nach schlimmen Abenteuern wieder hier landeten.“ Er schaute traurig wegen der verlorenen Plattensammlung.
Opi kniff ihm in die Wange. „Ach, papperlapapp! Heul nicht, Burschi, das kriegen wir wieder hin. Ich bin euch die ganze Zeit dicht auf den Fersen gefolgt und weiß, wo eure Platten sind.“ Ratte und Hamster schauten verblüfft. „Wo..?“, setzte Ratte an, doch Opi fuhr ihm über das Maul: „Das erzähle ich dir später, jetzt will ich erstmal verschnaufen.“ Damit ließ sie sich mitten auf Ratte’s Schlafplatz plumpsen. „Äh, wie lange hast du denn vor zu bleiben?“, fragte Ratte vorsichtig.
„Tja, ich bin mit meinem Bus oben in die Fensterfront gerammt, weil da oben alles superglatt und vereist ist. Ihr habt ja nicht gestreut und ich hab halt abgefahrene Sommerreifen. Konnte nicht bremsen, ganze Front kaputtgefahren. Den Bus muss ich erstmal in Ordnung bringen, das kann Wochen dauern. Aber nun bin ich ja endlich bei euch, liebe Familie.“ Dann sprang sie auf und umarmte Ratte und Hamster fest, zu fest. Es dauerte einen Moment, bevor Ratte von Opis altem Opossumgeruch und fester Umarmung nach Luft schnappen konnte. Er japste: „Na, das ist ja großartig, herzlich willkommen.“ Und Hamster pflichtete bei: „Oha, das ist ja grauen- äh zauberhaft!“ Ratte und Hamster wechselten schnell einen Blick und plapperten eilig durcheinander: „Wir helfen dir natürlich, so schnell wie möglich deinen Bus in Ordnung zu bringen.“ Eigentlich wären sie nämlich ganz gerne für sich geblieben. Doch sie wagten es nicht, es der betagten amerikanischen Beutelratte so herzlos ins Gesicht zu sagen. Sie freute sich doch so, sie würden es ihr später schonend beibringen.
Opi setzte zufrieden ein zerzaustes Lächeln auf und holte drei LP’s aus ihrer übergroßen Latzhosen-Brusttasche. „Sorry, die sind noch vom letzten Jahr. Arabs in Aspic, sie haben im Dezember 2023 viele Songs endlich übersetzt von Norwegisch auf Englisch und diese drei Alben remastered.“ Ratte und Hamster sagten angesichts der neuen Platten besänftigt wie aus einem Maul: „Ach, was!“, und nahmen neugierig die bunt gestalteten Albencover in Augenschein. Vergessen war der Schreck über den ungebetenen Besuch.
Die Cover waren von Hand gestaltet und überaus farbenprächtig. Das bunte limitierte Splatter-Vinyl machte feuchte Augen. Es war ein umwerfendes Ensemble an Gatefold Covern auf mehreren Seiten. So voller Detailiertheit bis in die letzte Ecke, dass Hamster und Ratte beim Betrachten alles um sich herum vergaßen. Opi hatte inzwischen das Album „Victim of your Fathers Agonie“ auf den Plattenteller der Soundmaschine gelegt. „Hopp, hopp, rauf auf’s Laufband, mach Musik an, Mädel.“ Opi stupste Hamster unsanft an, damit sie durch die simple Tretmühle den Strom erzeugte für die Soundmaschine. Hamster gefiel diese überrumpelnde Art überhaupt nicht, aber an den Kopf knallen wollte sie der greisen Beutelatte das auch nicht gleich. Also joggte sie gestresst los auf dem Laufband, die Zahnräder und Keilriemen setzten sich in Bewegung und die grün marmorierte Vinyl begann sich zu drehen. Ihr Sound war wie aus einer anderen Zeit und breitete sich im Zimmer aus durch die Lautsprecher der Soundmaschine.
Das Genre war 50-60 Jahre alt, die Alben selbst waren neuer doch durchschnittlich 10 Jahre alt. Dann hatte die Band Arabs in Aspic die Alben remastered herausgebracht und auch das war jetzt, da sie Ratte und Hamster erreichten, bereits ein Jahr her. Diese Alben widersetzten sich aktiv der Zeit! Bilder von früher tauchten vor Hamster und Ratte’s Erinnerung auf. Sie sahen sich zurückversetzt in eine Gegenwart, die eigentlich lang vor ihrer Geburt lag. In die Ära des Progressive Rock, als Opi und Opa noch jung waren und diese Rockmusik neuartig von Bands wie Pink Floyd, Yes, King Crimson und Hawkwind gespielt wurde. Die Musik war wie eine Zeitmaschine, wie ein Korridor in die Vergangenheit, bis in die Kindheit von Ratte und Hamster.
„Weißt du noch…?“, begann Ratte. „Wie wir uns kennengelernt haben“, sprach Hamster verträumt. Besonders romantisch war das allerdings nicht gewesen. Sie hatte als Feldhamsterweibchen keinen Bock auf Feldhamstermännchen gehabt, wie es eben artcharakteristisch ist, war sie die typische Einzelgängerin gewesen. Ratte als Nichthamster ertrug sie hingegen grad so, woraus sich irgendwann eine innige Freundschaft entwickelt hatte, die sie beide nie mehr missen wollten.
Die erste LP lief und die Musik darauf war wie ein Gruß aus dem Gestern. Im doppelten und dreifachen Sinne. Sie knabberten an einem altbackenen Stück Lebkuchen von 2023, das Opi noch im Gepäck gehabt hatte. Dazu reichte Ratte den Selbstgebrannten herum. Opis Stimme drang an ihre verträumten Geister: „Wisst ihr noch? Das ist die Platte, die Opa immer gespielt hat, als ihr noch klein wart. Als ihr zuhause in der Speisekammer des Luxusrestaurants fangen gespielt habt.“ Hamster grinste frech: „Eat two, baby, get one free. Shetland pony, extra pepperoni!“*
Ratte aber wurde ärgerlich bei dem Gedanken an sein Zuhause im High Society Restaurant. Es war nicht immer leicht gewesen und er wollte gerne verdrängen, wie Vater ihn in eine Ausbildung zum Sternekoch hatte zwingen wollen. „Sei vernünftig!“, hatte Vater streng gemahnt. Ratte hasste das, Streit war ihre Hauptkommunikation. Ohne Opa und Opi hätte Ratte es sicherlich sehr schwer gehabt, trotzdem wollte er nicht ständig von Opi an diese Zeiten erinnert werden. Der Abend driftete ins Unangenehme, sie schwiegen und hingen ihren Gedanken nach, lauschten der Musik. Einem fulminanten fast 10-minütigen Track, der sie auf Orgelsound mit E-Gitarren und Chorus davontrug. Mal rockig wild, mal nachdenklich ruhig. Besonders ab der Hälfte nach dem Break fühlte Ratte sich musikalisch und bei den Lyrics abgeholt.
Trained in ruins of knowledge Victim of your father’s agony Sail your ship on the carnage Try to save to the world with your left hand (Victim of Your Father’s Agony, Victim of Your Father's Agony, B-Seite, Arabs in Aspic) Übersetzung: Ausgebildet in den Ruinen des Wissens / ein Opfer der Qualen deines Vaters / segele dein Schiff auf dem Schlachtfeld / versuche die Welt mit der linken Hand zu retten
Draußen platzten bunt am Himmel die ersten Raketen und Hamster nutzte die Gelegenheit Ratte aufzumuntern. „Weisst du noch, wie Du zu Weihnachten deine erste eigene Platte von Opa geschenkt bekommen hast?“ Opa hatte Ihm damals feierlich seine Original Ton Steine Scherben LP geschenkt. Die mit dem braunen Papier-Cover, handgestempelt. Der Versuch ging eindeutig nach hinten los, machte alles nur schlimmer und runde Tränen kullerten aus Ratte’s Augen. Er schniefte: „Nun ist sie fort, Opas LP und die gesamte Plattensammlung, gestohlen!“
Je später der Abend wurde, desto betrunkener wurde Ratte, desto sehnsüchtiger schwelgte er in melancholischen Erinnerungen an seine LP’s. Am Ende des Silvester-Abends machte er den Neujahrsvorsatz, die gestohlene Plattensammlung gleich morgen zu suchen oder zumindest neu zusammenzustellen. Er bat Hamster: „Bitte komm mit, alle Plattenläden auf der ganzen Welt absuchen, ich will wenigstens die Originale, falls ich neu anfangen muss.“ Hamster überlegte nicht lange und versprach es ihm.
Da quäkte eine uralte Stimme von Ratte’s Schlafplatz: „Ich komme mit und helfe euch!“ Opi blickte feierlich und hilfsbereit, dabei rülpste sie und ließ einen entspannten Pups. Hamster erstarrte, Ratte schaute schockiert. Beinahe bettelnd sagte er: „Aber willst du denn gar nicht zurück zu Opa?“ „Ach, der kann warten! Jetzt helfe ich euch erstmal, Jungchen“, sprach Opi bestimmt. Ratte und Hamster schauten sich an. So hatten sie nicht gewettet. Ratte, der schon ziemlich viel getrunken hatte, lehnte sich zu Hamster und lallte flüsternd in ihr Ohr: „Morgen früh müssen wir uns davonschleichen.“ Hamster nickte entschlossen. Lieber wieder zurück auf die Straße und ihre Ruhe zu zweit haben, als diesen Weihnachtsbesuch länger als nötig zu ertragen. Sie wollten ihr eigenes Leben leben, sie selbst sein! Zum träumerischen Sound von „Prevail to Fail“ kuschelte sie sich tief in ihre Lumpensammlung und schlief erledigt ein, während Ratte für Opi über das Laufband torkelte und noch diese eine Platte spielen sollte. Nein sagen fiel unendlich schwer. Aus vollem Halse sang er das beschwingte Lied mit, denn es erinnerte ihn an seinen Plan, sich abzugrenzen.
Be aware that you are you This is all that you were meant to do you are you (Prevail to Fail, Pictures In A Dream, B-Seite, Arabs in Aspic) Übersetzung: Sei dir bewusst / du bist du / dies ist alles / wozu du bestimmt bist / sei du selbst
Am nächsten morgen packte Ratte bereits die Soundmaschine ein. Er war verkatert und hatte Kopfweh, war aber wild entschlossen. „Wo ist Opi?“, wollte Hamster wissen. „Die habe ich in ihren Bus bugsiert, da schläft sie jetzt. Lass uns verschwinden,“ sagte Ratte und knöpfte seinen grünen Wollmantel zu. Hamster verfluchte das Frühaufstehen, aber es musste sein und leise räumten sie ihr Lager im Keller des Bürogebäudes. Doch gerade, als sie draußen am alten Bus vorbeischlichen, öffnete sich die Tür und Opi erschien mit fröhlichem Gesicht.
Sie war schon seit 5:30 Uhr wach, hatte Yoga gemacht, Kaffee gekocht und ihren Bus repariert. „Mahlzeit, ihr Mäuse! Frohes neues Jahr, ausgeschlafen? Gebt mir eure Soundmaschine und steigt ein, Kinders. Die Bus-Reparatur war ein Klacks.“ „Was zum..?“ brabbelte Hamster übermüdet. „Aber, aber…!“, setze Ratte an, wobei jedes Widerwort seine extremen Kopfschmerzen aufpochen ließ, also gab er es auf. „Gesundes neues Jahr“, piepsten beide nur schuldbewusst. So stiegen sie widerwillig in den umgebauten, knallgelben Schulbus, der voller Kuriositäten steckte.
Da waren ein Koffer-Grammophon aus den 1920ern und eine Tonbandmaschine aus den 1960ern. Die Wände waren mit Büchern und Plattenregalen bis unter die Decke vollgestopft. Opi räumte die Soundmaschine von Hamster und Ratte an einen freien Platz, dann drückte sie jedem einen dampfenden Pott Kaffee in die Pfote. „Ab jetzt sorge ich mich um euch und eure Platten. Auf geht’s!“, sagte sie bevormundend. Hamster und Ratte stöhnten entsetzt. Bei der nächsten Gelegenheit würden sie auf jeden Fall abhauen. Dann nahmen sie zufrieden einen großen Schluck vom heißen Kaffee, der sie herrlich belebte. Zischend schlossen sich die Türen des gelben Riesen mit der zerbeulten Front und schon bald bogen sie rutschend auf die Straße vor dem Haus ein und schlitterten los, dem neuen Jahr entgegen.
Outro
Some say it’s worth a try Some say I’d rather die Some say it’s good to cry Some say they’ll pass me by (Tv3, Victim of your Fathers Agony, B-Seite, Arabs in Aspic) Übersetzung: Manche sagen, es sei einen Versuch wert / manche sagen, ich sollte lieber sterben / manche sagen, es tut gut zu weinen / manche sagen, sie werden an mir vorübergehen
Ob sich der ganze Stress mit Opis „Hilfe“ für Rattster lohnt und sie endlich ihre vermisste Plattensammlung wiederbekommen können? Das erfährst du in der nächsten Folge, wenn es wieder heißt: Hamster und Ratte hören gerne Platte!
Hier ist das gesuchte Song-Zitat von Hamster: * „Eat two, baby, get one free. Shetland pony, extra pepperoni!“ – Eat the Rich – Motörhead
Du willst wissen, was bisher geschah und was Rattster auf ihrem Road Trip bisher an gefährlichen Abenteuern erlebt haben, bzw. wer oder was sie bedroht und bestohlen hat? Lies die ganze Geschichte nach: Alle Folgen der Staffel 1 findest du hier im Archiv unter der Rubrik Rattster.
Die besprochenen Alben kannst du hier bei Bandcamp erwerben.
Video: Syndenes Magi (Teaser, Norwegian)