Ich bin kein großer Fan von Schallplattenbörsen. Mein Eindruck ist, dass dort oft Platten zu überhöhten Preisen als Raritäten angepriesen werden und ich dafür auch noch Eintritt zahlen soll.
Ich versuche mein Glück lieber auf Trödelmärkten im Ruhrgebiet oder bei meinem Local Dealer.
Vor einiger Zeit wurde das Projekt Vinyl-Bus vom Dortmunder Schallplattenmagazin Mint ins Leben gerufen.
Das Ziel: Auch Vinylisten in abgelegenen Gegenden sollen in den Genuss eines Local Dealers kommen, ohne dafür 100te Kilometer fahren zu müssen. Quasi nach dem Motto: Wenn der Prophet nicht zum Berg kommen kann, muss der Berg halt zum Propheten fahren.
Das Projekt soll 2020 durchstarten. 2019 diente als Erprobungsphase, so dass der Fahrer und Herausgeber des Vision Magazins Michael Lohrmann sich mit dem umgebauten US Schulbus vertraut machen konnte.
Das Projekt hat mich neugierig gemacht und ich habe mir fest vorgenommen, den Vinyl-Bus zu besuchen, solange er sich noch im Raum Ruhrgebiet aufhält.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag stimmten dann endlich alle Parameter: Frau und Kinder waren unterwegs, der Bus hielt vor der Westfalenhalle Dortmund anlässlich der stattfindenden Schallplattenbörse und ich hatte Bock.
Um 11:00 Uhr betrat ich den Messeparkplatz und wunderte mich, dass dieser quasi leer war. Ich hatte mich doch wohl nicht im Datum vertan?
Als ich die alt ehrwürdige Westfalenhalle halb umrundet hatte, sah ich vor dem Goldsaal endlich den Vinyl-Bus in natura und war erschrocken, wie lang die Schlange schon war.
Zu meinem Glück handelte es sich nur um eine optische Täuschung, denn die Schlange stand vor der Halle und nicht vor dem Bus, was mich schon ein wenig stutzig gemacht hatte, denn schließlich hatte man in diesem die Möglichkeit Platten zu erwerben ohne Eintritt zu zahlen und wenn man den Artikeln in der Mint glauben konnte, zu fairen Preisen. So hatte ich das Glück an diesem Tag der erste Fahrgast zu sein.
Auf Trödelmärkten bin ich im Regelfall auf Schnäppchenjagd. Mir war bewusst, dass ich diese vermutlich im Vinyl-Bus nicht machen würde. Ich hatte mir vorab in meinem Kopf eine Liste an Bands zusammengestellt, nach denen ich schauen wollte, da mein zeitliches Kontingent begrenzt war.
So betrat ich den Bus und suchte nach Platten von Fury in the Slaughterhouse, WIZO, De Heideroosjes, Slime, Die Toten Hosen und Die Ärzte.
Der Hauptaugenmerk bei der Auswahl des Sortiments liegt auf Rock in seinen verschiedensten Arten und Formen, doch auch der Indie und Punkrock Fan kommt auf seine Kosten. Es war alles ordentlich sortiert und kategorisiert.
Leider war meine Suche fast erfolglos, bis auf eine 12’ von den Goldenen Zitronen „Am Tag als Thomas Anders starb“.
Gut dachte ich, so bleiben meine Ausgaben überschaubar und machte mich auf dem Weg zum Fahrer bzw. zur Kasse. Ich hatte gerade Michael mein Geld gegeben und er suchte nach dem passenden Wechselgeld, da habe ich ganz vorne direkt hinter dem Fahrersitz ein von mir übersehendes Fach entdeckt:
„Punkrock Raritäten“
Ich bat mich Michael noch um einen kleinen Moment. Vielleicht kommt ja noch was hinzu.
Die erste Platte in dem Fach war „Die Bestie in Menschengestalt“ von Die Ärzte. Leider in keinem guten Zustand, was aber auch direkt dem Schriftzug auf der Schutzhülle zu entnehmen war. Der Preis war fair, doch wenn man sich eine derartige Rarität zu einem dreistelligen Preis zulegt, dann sollte der Zustand schon VG+ oder besser sein.
Ich schlug das Angebot von Michael, mir die Platte anzuhören aus, da ich sie wenn dann eh in einem besseren Zustand haben möchte. Auch wenn der Preis dann ein höherer ist.
Platte Nummer zwei in dem Fach war dann mein Volltreffer: „Unplugged-Rock´n Roll Realschule“ von Die Ärzte. Der Zustand des Covers ist VG, die Platten selber NM.
Ich überlegte kurz, Michael legte noch ein kostenloses Mint Jahresabo obendrauf (das tut er ab einem gewissen Betrag immer) und meine Entscheidung stand fest: Ich schenkte mir zum Weihnachtsfest meine bis dato teuerste Platte selbst.
Nach sehr langer Zeit hatte ich mal wieder das stolze Gefühl eine Jagd erfolgreich beendet zu haben und kann nun ein weiteres Häkchen in meiner Wantlist machen.
Am ersten Weihnachtsfeiertag zeigte ein User in einer Facebook Gruppe seine Beute aus dem Mint Vinyl-Bus und ich schrieb, dass ich auch mit dem Gedanken spiele, den Bus zu besuchen. Seine Antwort: Tu es!!! Er hatte Recht.
Tourdaten des Mint Vinyl-Busses unter https://www.mintmag.de
Dies ist ein Gastbeitrag von Marcel. Vielen Dank dafür.