Wir schreiben das Jahr 1984. Laut George Orwell müsste sich die Welt spätestens heuer zu einem Ort von totalitärer Überwachung mausern und der Soundtrack zu dieser dystopischen Vorstellung, ja der wird gerade im eigentlich ganz beschaulichen Sindelfingen aufgenommen. Die NWOBHM scheint spätestens jetzt im Ländle angekommen zu sein und eine junge und bis in die Haarspitzen motivierte Band mit dem verheißungsvollen Namen Death Warrant nimmt ihre erste und leider wohl auch letzte EP auf. “Ecstasy” heißt sie und ist in Fachkreisen heutzutage ein begehrtes Sammlerstück, welches bei Discogs für ‘nen dreistelligen Betrag kursiert. Dem Rock’n’Roll-Gott sei Dank hat sich knapp 40 Jahre später kein geringerer, als die deutsche Metallegende Andreas “Neudi” Neuderth sowie das Label Golden Core , als Ableger von ZYX Music für die härteren Töne, dazu berufen gefühlt, das gute Stück zu überarbeiten und für einen erschwinglichen Preis unter die Leute, mindestens aber unter die Metalheads zu bringen. Danke schon mal dafür!
Denn, “Ecstasy” hat neben dem lediglich etwas anders angeordneten Originalartwork und den von Neudi remasterten vier Songs der original EP noch so einiges mehr zu bieten, was das Herz der Interessent*Innen ganz sicher höher schlagen lässt. Zusätzlich gibt es fünf (auf der CD-Version sogar sechs) Zusatztracks, von der Band in erstaunlich guter Tonqualität im Proberaum aufgenommen sowie jede Menge Fotos und sonstiges Footage plus ein Interview mit Sänger Wolfgang “Mäexx” Marquart. Somit ist der Release als solcher nicht nur ein Stück sehr gute Musik, sondern auch ein Zeitdokument aus einer Phase, in der der Metal in Deutschland noch in den Kindercowboystiefeln steckte und sich Death Warrant mit dieser vielversprechenden EP anschickte, das nächste große Ding zu werden. Leider kam es dazu nicht, das Vermächtnis “Ecstasy” ist dennoch jeden Kreuzer wert.
Die vier Studiotracks erinnern Laien wie mich in Sound und Machart an Judas Priest, in etwa zu der Zeit, als diese “British Steel” veröffentlichten. Und das, was bei den Briten “Breaking The Law” wurde, hätte bei den Schwaben “Mr. Heroin” werden können: ein Evergreen. Die fünf Demotracks, bereits 1981 aufgenommen, erinnern dagegen nicht nur wegen des Riffings in Songs wie “Stramp” und “My Life”, sondern auch wegen des Reibeisengesangs von Mäexx an eine Band, der wohl damals schon Kultcharakter nachgesagt wurde. Wüsste man es nicht besser, so könnte man doch glatt meinen, Lemmy und seine Mannen von Motörhead würden einen hier bespaßen. Und Rob Halford ist als Gastsänger und weil es grad so schön ist auch mit dabei. Sänger Mäexx wartet also mit einer erstaunlichen Stimmvarianz auf.
Doch auch die restliche Meute von Death Warrant weiß, was sie da tut, bzw. zu tun hat. Das Leadgitarrenspiel von Dietmar Schmid ist in Songs wie “Mr. Heroin” dem Stil eines gewissen (jungen) Kirk Hammett nicht ganz unähnlich. Und dieser schickte sich immerhin und in etwa parallel zu Death Warrant an, die Metalwelt mit Metallica im Sturm zu erobern. Wolfgang Kamm an der Rhythmusgitarre, Rupert Klein am Bass und Markus Hassold an den Drums bauen ein grundsolides Fundament unter die Songs. Fertig ist ein richtig gutes Stück Metalgeschichte aus deutschen Landen, welches sich hinter den vergleichbaren Megaacts allenfalls in Bezug auf den Kontostand verstecken muss. Greift zu, so lange es noch möglich ist, denn “Ecstasy” wurde bereits im Oktober 2023 veröffentlicht und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Kenner*Innen der Materie geradezu danach lechzten. JPC könnte noch eine für euch haben.