Die Regierung ist ein alter Hase in der Musikbranche. Zu verorten sind sie im Indie-Pop, es wird aber auch mal rockiger. Die ersten Alben mit Neue-Deutsche-Welle-Einflüssen, später dann Tönen, die an die Hamburger Schule erinnern. Das neue Album „Da“ wurde im Februar 2021 via Staatsakt veröffentlicht, greift diese alten Einflüsse auf und bringt neue mit sich.
Ein Blick in die Vergangenheit lohnt sich. Bereits 1982 gründete Musiker und Songschreiber Tilman Rossmy Die Regierung. Was als Ein-Mann-Projekt des Esseners begann, entwickelte sich bald weiter. So erschien 1984 die erste Platte „Sperrmüll“, laut Musikjournalist Michael Ruf (Spex) die beste deutsche Platte der Achtziger Jahre. Nach einer längeren Pause und Neuformierung erschienen dann in den 90ern drei weitere Alben, deren Sound und Schaffen lose der Hamburger Schule zuzuschreiben ist. Die Wiederentdeckung deutschsprachiger Alternativ-Musik verschaffte auf jeden Fall auch Der Regierung Gehör, bis sie sich 1994 auflösten. Mit Herman Hermann und kurze Zeit später dem Tilman Rossmy Quartett blieb Sänger und Songschreiber Tilman Rossmy der Musik treu und hauchte 2006 mit neuer Besetzung Der Regierung neues Leben ein. 2008 wurde dann die erste Platte „Sperrmüll“ neu veröffentlicht, außerdem sind drei neue Alben 2017, 2019 und nun 2021 „Da“ via Staatsakt herausgekommen.
Und um die Platte soll es natürlich hier gehen.
Die leichten bis leichtfüßig daher kommenden Melodien holen die Hörerschaft ab und führen textlich zu altbekannten Sinnfragen, ins tiefste Dunkel des menschlichen Seins. Und mit eben diesem Sein beginnt die Platte, kein Witz, mit „Der Witz ist“. In heiterem Popgewand wird die Frage aller Frage des Selbst gestellt, hat die Antwort gleich mit im Gepäck und trägt sie mit in den nächsten Song. Weniger poppig, mit elektronischen Einflüssen der Verzerrung, des Wiederhalls was an einen fast tranceartigen Zustand heranführt. Augen schließen, „Alles Lüge, Alles Gut.“ Mit ähnlichem Sound wird die Stimmung aufgenommen, der Gedanke weitergeführt in „Jetzt was?“. Die im ersten Lied sich selbst beantwortende Frage des Seins in sich selbst und durch sich selbst definierenden Seins, dieser Erkennnisgewinn wird mit diesem dritten Song in Frage gestellt, denn wohin führt er uns? Zu weiteren Fragen. „Und jetzt?/Jetzt was?/ War das schon alles?/ Kommt da noch was?/ Und jetzt, jetzt was?/ Was Was Was Was Was“ setzt sich mit warmer Stimme im Hirn fest. Doch bevor sich all zu viele Sinnzweifel manifestieren können, wird es wieder poppiger mit „Weil morgen niemals kommt“, womit Die Regierung das Frage-Antwort-Spiel weiter vorantreiben. Leichtfüßig, friedenstiftend mit all der Schwere des Seins und der Sinnfrage, Zweifeln musikalisch die Stirn bietend, rundet der Song „Mit dir und ohne Dich“ die erste Seite der Platte ab.
Wie die Platte auf dem Teller dreht sich mit der B-Seite auch das Gedankenkarussell weiter im Kreise. „Wer bin ich“ geht jedoch noch einen Schritt weiter, beschreibt eben dieses Karussell und endet im physischen Tod und dem danach. Was nach schwerer Soulnummer klingt, wird jedoch in gut gelaunter Melodie, getragen von Bass und Beat, verpackt, was bei mir als Hörerin ein „ach, ist doch egal“-Gefühl erzeugt. Innen und Außen und die Diskrepanz zwischen beidem, Streben nach sich selbst, welches einem doch unbekannt ist und unerreichbar zu sein scheint. In diesem Konvolut aus Tiefe wird natürlich auch die Liebe besungen. Nicht in einer Schmonzette, die die Geschichte verflossener Liebe, oder gegenwärtiger Liebe schmerzlich versüßt. Nein, auch hier besinnt sich Die Regierung mit „Tiefe Tiefe Liebe“ wieder auf den Kern der Thematik und besingt die Liebe selbst, singt ihr ein Liebeslied. Die letzten beiden Songs schließen sich an. Die Liebe, nicht in einer romantischen Hollywood Inszenierung, sondern in der einfachen Berührung, elektronisch verfeinert mit zurückhaltenden Tönen, berührt demütig und erzeugt Ruhe. Ruhe, die im letzten Lied „Geliebte Stille“ aufgegriffen, vertont und vertextet, der sich hingegeben wird. Eine Stille, die lauter ist als Lärm und Chaos um uns herum.
Diese Platte will als Gesamtes gehört werden! Streamingdienste mit ihrem Shuffelmodus würden hier nur als Schere zerstörerisch wirken, die den roten Faden des Gesamtwerks zunichte machen. Im Ganzen und in jeglicher Hinsicht ist “Da” eine runde Sache.
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |