Der März läuft bisher für mich, denn ich rezensiere mich bisher durchweg durch neue Musikstile oder wenigstens solche, die mir bisher am Rande begegnet sind. Umso herausfordernder ist es, sich in die Motivationen, Gedanken und Ideen der Künstler zu vertiefen. Dazu eine gehörige Portion Toleranz und willkommen bei „Jugend forscht“. Heute bespreche ich wieder so eine positive Überraschung und entschuldige mich schon vorher für die Artikellänge. Aber es gibt viel zu entdecken und erzählen.
Der ein oder andere mag sich an Video und/oder Titel erinnern, da dieser 1996 ein Clubhit war und auf diversen Samplern gelandet ist. Heute klingen Dzihan & Kamien anders, aber dazu später. Um das aktuelle Album „Iv“ – was für römisch vier und damit das vierte Studioalbum steht, zu verstehen, machen wir eine kleine Zeitreise. Vlado dZihan stammt aus Sarajevo, Bosnien und Herzegowina. Er war als Schlagzeuger in der lokalen Szene aktiv und nahm die Musik für den Film „Arizona Dream“ mit Johnny Depp und Faye Dunaway in den Hauptrollen auf. Sein Partner Mario Kamien wurde in Deutschland geboren, wuchs aber in der Schweiz auf. Während seines Studiums lernte er dZihan Anfang der 1990er Jahre kennen. Beide hatten etwas für traditionelle arabische Musik und Trip-Hop über, welche das Duo in ihre ganz eigene tanzbare und relaxte Art der Club-Musik umsetzten. Hauptsächlich waren die beiden als Produzentenduo Dzihan & Kamien tätig. Im Jahre 2000 debütierten die beiden mit dem Album „Freaks & Icons“ auf ihrem eigenen Label Couch Records. So ging es weiter bis 2010 zum Album „Lost & Found“. Dzihan & Kamien waren am Ende ihrer gemeinsamen, musikalischen Reise angekommen. Man zog einen Schlussstrich unter das Projekt und jeder ging seiner Wege und hing seinen Ideen nach. Allerdings regte sich bei Vlado Dzihan vor ein paar Jahren die Idee, das Projekt wieder zu beleben. Sein Partner Mario Kamien war andersweitig beschäftigt und musste deswegen absagen. Dennoch unterstützte er seinen Partner bei der Idee, das Projekt Dzihan & Kamien weiter zu führen „Iv“ als Album zu veröffentlichen.
So machte sich Vlado Dzihan alleine ans Werk und er hat seine wunderschöne, musikalische Reise auf die vier Seiten des Albums gebannt. Jeder der vier Albenseiten wurde mehr oder weniger ein Genre gewidmet, was es dem Hörer ermöglicht seine eigene Hör-Reise durch die Kontinente von Dzihan & Kamien zu gestalten. Um euch das Hörerlebnis noch näher und intensiver zu bringen, gebe ich euch zu jedem Reiseabschnitt das passende Getränk mit auf den Weg.
Seite A ist für den Jazz-Teil zuständig. Der erste Track „Sketches of Blue“ hat mich schon sofort in seinen Bann gerissen. Hier fühle ich mich direkt an eine Bar oder Hotel-Lounge der fünfziger Jahre versetzt, wo eine Band gegen den Zigarettenrauch, der durch den Raum wabert wie ein englischer Nebel, ihr Repertoire zum Besten gibt. Herrliche Klavierläufe und Bläser werden hier benutzt, um eine recht lockere Atmosphäre zu erzeugen. Die Nummer drei „We are“ feat. Sanya Budna ist mein absoluter Favorit dieser Seite und des gesamten Albums. Die wunderschöne Stimme der Sängerin wird von Jazz und Downbeats umschmeichelt – ein perfekter Song, der mich ein wenig an Sade erinnert und den ich in Endlos-Schleife hören könnte. Der letzte Track „Good Night“ lässt es dann wunderschön relaxt angehen, Schlagzeug und langsamer Beat begleiten zur Mitte der Platte, zum Fade out. Herrlich. Und weil man sich reflexartig den Cappuccino-Schaum von der Lippe lecken will, ist der Cappuccino einer italienischen Bar und eines echten Barista ein Muss für diesen Einstieg!
Seite B kommt für mich sehr clubbig daher. Tracks wie „I’ve seen“ sind wie gemacht für den Dancefloor am Nachmittag. Bei „99“ gibt es dann mal eine kleine Rap-Einlage. Mein Lieblingssong dieser Seite ist „Deeper“ feat. Zadi. Eine gute Rhythmik mit fetten Beats und dieser gechillten Attitüde machen Lust auf den Sommer. Zu dieser Seite empfehle ich den auf Gin basierten Cocktail: Clover Club mit spritzigem Touch aus Zitrone und fruchtigen Himbeeren.
Seite C würde ich mal Mix zwischen Club House, Downbeat und Jazz beschreiben (aber vergebt dem Autor seine Einschätzung, das ist absolutes Neuland). Fette Beats und Soundteppiche regen zum Tanzen an. Aber auch immer diese Lockerheit eines Nachmittags am Pool, wo man bei lauem Wind einfach nur der Musik an der Bar lauscht. Das erste Rot der untergehenden Sonne erscheint und die Vibes und Beats machen dich einfach total entspannt. Schon der erste Track „1986 Miles“ macht Laune, Beat und Saxophon bringen die Anlage zum Arbeiten. Weiter geht es mit „Bazaar“, wo die Bläsertöne ein wenig schriller werden, der satte Downbeat stoisch im Hintergrund läuft und eingespielte Synthie-Sequenzen als kurze Breaks ein wenig Ruhe verschaffen, während der Bass schön alles vibrieren lässt. Am besten kredenzt man hier den Cocktail Touchdown, ein fruchtiges Gemisch auf Tequila-Basis, was auch optisch an einen Sundown erinnert.
Am Ende der Reise, auf Seite D, kommt es zu einer wunderschönen Gemengelage zwischen den arabischen Elementen und Trip-Hop. Geschickt werden die Instrumente genutzt, um mal immer wieder diese arabischen Gewürznoten in den Trip-Hop-Topf zu schmeißen und so einen wahren Ohrenschmaus zu kreieren. Auch Streicher werden eingesetzt, bis der Schmalz aus den Rillen quillt. Besonders bei „Mare II“ wird dieses Stilmittel exzessiv im Wechsel mit den elektronischen Beats genutzt. Das habe ich so noch nicht gehört, schon gar nicht mit dieser Lässigkeit, die schon fast an Arroganz grenzt. Die Titel „Mare I bis IV“ lassen den Hörer die sanften Abend-Wellen spüren, welche die Füße im Sand umspülen. Man lauscht dem ewigen Rauschen und der immer wiederkehrenden Wellen, die auf den Strand auflaufen. Spätestens hier sucht man die Nummer von Sommerklar TV. Um das Ende würdig zu genießen, empfehle ich den Cocktail Swimmingpool, der mit Blue Curacao auf Wodka auch optisch dem Meer schmeichelt.
Im klassischen Sinne folgt „IV“ nicht der Elektronik-, Downbeat- oder Nu Jazz-Idee, sondern geht weit über diese Genre-Grenzen hinaus. Dzihan wird zum Wanderer zwischen den Stilen und Elementen, wechselt Instrumentierungen und Musiker. Die typischen lässigen Vibes des Wiener Duos werden durch die intelligente Art der Neu-Zusammensetzungen der Einzelteile erreicht. Hier spielt man definitiv in der Champignons-League. So ist die Stärke von „IV“ die vielen Facetten, die wie ein buntes Kirchenfenster etwas sehr Elegantes entstehen lassen und es schaffen eine Brücke zwischen den frühen Tagen zur Gegenwart zu schlagen und den Stempel des Wiener Downbeats nicht zu verlieren. Stärker kann man nicht zurückkommen!
Gebt dieser Platte unbedingt eine Chance, sie wird euch nicht enttäuschen und für gute Laune sorgen. Spielt sie ruhig mal lauter ab und zieht die Flip Flops an. Wer dazu noch alle Getränketipps einhält, hat neben dem Genuss für die Ohren, auch noch etwas für Augen und Gaumen. Die Cocktail-Rezepte gibt es überall im Netz und dem Barmixer eures Vertrauens, das Album gibt es hier und sie sollte bei keinem DJ für den Sommer fehlen.
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |
Depending on my mood, I might listen to this sort of music. Another interesting read of yours.