FARBA KINGDOM – Volltreffer aus dem Hause Kernkrach
Kaum zu glauben, aber Dr. Kernkrach hat’s schon wieder getan. Mit FARBA KINGDOM liefert das Kultlabel einen weiteren audiophilen Hochkaräter ab – stilvoll verpackt, klanglich kompromisslos, emotional tief. Labelchef Jörg Steinmeyer feuert derzeit mit einer Frequenz, die jede BPM-Messung sprengt. Und dabei bleibt nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Qualität auf einem Level, das man sonst nur von Mythen kennt. 2025? Ein Hoch auf die Hyperaktivität. Ein Hoch auf Visionen, die nicht warten können.
Aber auch FARBA KINGDOM schlafen nicht. Das Duo aus Odessa hat seit 2021 satte 30 digitale Releases auf der Bandcamp-Seite geparkt – und das in nur vier Jahren. Der direkte Vorgänger ihres neuen Longplayers erschien erst im Mai. Diese Produktivität sucht ihresgleichen – und zeigt: Label und Act haben sich gefunden wie Vintage-Synths und dunkle Nebelmaschinen oder analoge Liebe und dystopische Romantik.
Sound als Rauminstallation
Das Ehepaar Lisa und Danil Farba – die kreativen Köpfe hinter FARBA KINGDOM – kommen aus Odesa, dem alten Hafenjuwel am Schwarzen Meer, welches seit jeher ein Schmelztiegel der Kulturen ist. Die Musik des Duos kanalisiert genau das: Transformation, Verunsicherung, Identitätssuche – und setzt dem Ganzen eine gehörige Portion Nostalgie entgegen. Das klingt nach elektronischer Schwermut, waviger Romantik und Industrial-Flimmern – irgendwo zwischen Post-Punk-Melancholie und Synthpop-Entrückung, zwischen urbaner Einsamkeit und glitzernder Eskapade.
Seit dem Debüt „Німб“ (2020) ist die musikalische DNA festgelegt: Desperation trifft auf Verzerrung, hypnotische Sequenzen auf düstere Eingängigkeit. Die Tracks sind visuelle Trips – man meint beim Hören, die zerfallende Architektur einer postsowjetischen Stadt zu durchqueren, in der Neogotik und Brutalismus um Aufmerksamkeit kämpfen. Ein Hörgefühl wie eine flackernde Neonröhre im Treppenhaus eines verlassenen Plattenbaus.
Das Königreich Farba
In ihrem ganz eigenen Reich – dem FARBA KINGDOM – regieren Schmerz, Hoffnung, Kontrollverlust und eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Ich. Besonders in „I Feel Like Someone Else“ zeigt sich die Vielschichtigkeit des Duos: Manövriert zwischen Dark Wave-Anspannung, huzulischen (Huzulen: Bevölkerung der ukrainischen Karpaten) Tonleitern und mystisch flirrenden Synth-Passagen. Der Track ist ein Tanz auf der Rasierklinge – düster, tanzbar, zutiefst berührend. Ein Song wie ein Spiegel, der mehr zeigt als das Gesicht.
Auch der Track „Kotik“ legt mit seinem pulsierenden Beat und der unterschwelligen Bedrohungsschicht nach. Der Dualgesang, der sich zwischen Anklage und Rückzug bewegt, verleiht dem Song eine zusätzliche emotionale Dimension – ein Tanz auf unsicherem Boden, bei dem man dennoch nicht stillstehen kann.
Live oder Vinyl – FARBA KINGDOM faszinieren
Live wird es intensiv. FARBA KINGDOMs Bühnenpräsenz oszilliert zwischen introvertierter Isolation und kathartischem Aufschrei. Eine Performance, die mehr Therapie ist als Konzert – mit dem Potenzial, dunkle Gedanken zu verscheuchen und einen in dieser kaputten Welt neu zu verankern.
Das Album selbst? Im Gegensatz zum dystopischen Plattenbau-Sound, kommt das Album in einem sonnengelben Vinyl gehüllt in ein kontrastreiches Silk-Screen-Artwork, auf den Plattenteller. Minimalistisch. Edel. Exakt der Vibe, den man von Kernkrach erwartet. Design und Sound – hier geht alles Hand in Hand. Champions-League eben.
„FARBA KINGDOM“ ist nach den digitalen Veröffentlichungen, der erste Tonträger auf Vinyl. Der Meister, Dr. Kernkrach, selbst, hat sich aus einer Auswahl von 28 Songs, eine fantastische Auswahl von zwölf Songs ausgesucht. Jeder Song für sich eine Perle. Das Album in Gänze: ein Diamant.
Fazit: Für eingefleischte Synth- und Wave-Enthusiasten ein Muss. Für Neugierige ein idealer Einstieg in eine düster-glänzende Parallelwelt, die mit kreativen, nicht erwartbaren Klängen fasziniert und fesselt – ESC meets Dark Wave. Erhältlich beim Label Kernkrach Records.
FARBA KINGDOM ist ein Soundtrack für ruhelose Nächte, verlorene Gedanken und tanzbare Eskapismus-Momente.
Anhören.
Versinken.
Weitertanzen.
Wieder von vorne.
So kann es vorkommen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens, die Platten in seltenen Fällen vergriffen sind.
Dazu gibt es für mich keine Alternative: über Platten schreiben, in dem man die Pressetexte abschreibt ohne die Platte in den eigenen Händen gehalten zu haben, macht für mich keinen Sinn. Danke für euer Verständnis.


