Neuer Dienstag mit neuem Interview bei “Frauen im Musikbusiness” – Heute begrüßen wir Liza von “Rather Raccoon” bei uns. Neben Einblicken ins Bandgeschehen gibt es außerdem auch einiges übers Lizas eigenes Label zu erfahren.Und wer das Interview letzte Woche verpasst hat, kann gern hier noch einmal alles mit Cecilia Boström von The Baboon Show nachlesen. Und ab:
Hallo Liza, schön, dass du Zeit für uns hast. Fangen wir bei der Musik an: Du bist Frontfrau und Bassistin in der Band Rather Raccoon. Wie habt ihr euch zusammengefunden und hast du vorher schon in anderen Bands Musik gemacht?
Hey Chrissi, Danke, ich freu mich bei der Interview-Reihe dabei sein zu dürfen.
Mit 14 Jahren hab ich meinen ersten E-Bass bekommen, konnte dann allerdings wegen einer Verletzung an der Hand richtig lange nicht spielen. Ein paar Jahre später bin ich mit meinem jetzigen Mann (Philipp) zusammengekommen, das ist jetzt gut 13 Jahre her – die drei Jungs in unserer Band haben vorher alle schon in Bands gespielt, ich war schon früh auf vielen Konzerten und mit Inge, unserem Lead-Gitarristen befreundet, den ich eigentlich auch immer auf alle Konzerte begleitet und ihre CD’s verkauft habe. Unser Schlagzeuger und Philipp, unser zweiter Gitarrist, sind seit dem Kindergarten befreundet und haben vorher zusammen schon in einer Band gespielt. Ich war also die einzige ohne Bühnen- / Banderfahrung und auch diejenige, die sich am wenigsten mit dem Instrument ausgekannt hat – aber ich hatte Lust auf Musik machen und die Jungs hatten Lust was anderes zu machen, als sie bisher in ihren Deutschpunk-Bands getan haben. Also haben wir uns einfach im Keller / Proberaum in Philipps Elternhaus getroffen und dem Vorhaben einen Namen gegeben.
Kannst du dich denn noch an dein allererstes Konzert erinnern, bei dem du auf einer Bühne standest und weißt du noch wie hat sich das angefühlt hat?
Lieber würde ich dir jetzt irgendetwas Aufregenderes erzählen, aber es war wohl nicht wahnsinnig spektakulär. Das erste Konzert, bei dem ich auf der Bühne stand, war ein nicht angemeldetes, aber ziemlich cooles Open-Air in der Gegend, mit einem Anhänger als Bühne.
Ich war mit Sicherheit ziemlich aufgeregt, weil ich lange gebraucht habe, um mich auf der Bühne wohl zu fühlen – ich bin auf jeden Fall nicht die geborene Rampensau… 😉 Ich habe auch relativ spät angefangen in der Band zu singen, am Anfang war ich nur Bassistin und vermutlich stand ich relativ versteift auf der Bühne. Ich war nie unsicher, wer ich bin und was ich will, aber habe etwas gebraucht, um selbstbewusster zu werden.
Durch mehrere Auftritte und vor allem auch im Studio wurde ich dann aber immer sicherer und konnte mich auch auf der Bühne gehen lassen.
Was sind deiner Meinung nach die Gründe, warum Frauen auf der Bühne im Punkrock meist eher unterrepräsentiert sind und was denkst du, wie man das ändern könnte?
Gute Frage, ich könnte mir vorstellen, dass man als Frau eben auch auf der Bühne einfach immer noch „genauer“ angeschaut wird, als es bei männlichen Musikern der Fall ist, was vielleicht eine Hemmschwelle für manche Mädels sein könnte, sich auf eine Bühne zu stellen. Fuck that!
Ein anderes Thema könnte vielleicht auch die Gewohnheit sein, vielleicht ist es motivierend, selbst musikalisch aktiv zu werden, wenn man weibliche Vorbilder hat, die in Bands spielen. Ich finde, dass es seit einer Weile immer mehr weiblich besetzte Punkbands gibt, die auch den Sprung auf größere Bühnen machen und das ist super!
Ja, das beobachten wir auch 😉 Fühlst du dich denn im musikalischen Kontext aufgrund deines Geschlechts manchmal benachteiligt, zum Beispiel Backstage bei Shows, beim Booking oder hast du dahingehend schon einmal negative Erfahrungen gemacht?
Ich muss sagen, ich persönlich fühle mich aufgrund meines Geschlechts im musikalischen Kontext überhaupt nicht benachteiligt und habe bisher absolut keine negativen Erfahrungen gemacht – was natürlich super ist.
Oft hab ich eher den Eindruck, dass es als willkommene Abwechslung betrachtet wird, wenn eine Frau in der Band singt.
Kommen wir noch zu deinen anderen Schaffensfeldern: Du hast außerdem ein Label, ein One-Woman-Unternehmen sozusagen. Wie kam es dazu und was machst du damit alles?
Ich war schon immer die volle Selbermacherin und die Ideen gehen mir nie aus – ich hatte schon immer einen großen Drang, irgendetwas zu basteln, zeichnen, bauen, nähen… Außerdem wollt ich schon in frühen Teenagerjahren nicht aussehen wie jeder Zweite auf der Straße und Klamotten von der Stange kaufen, die zumeist unter widrigen Umständen produziert werden. Als Mittel zum Zweck habe ich mir also die alte Nähmaschine meiner Mutter geschnappt und mir versucht das Nähen selbst beizubringen, was am Anfang noch ein ziemliches Gebastel war (ja, ich habe die Sachen trotzdem angezogen 😀 ) es wurde dann immer besser und die Sachen konnten sich bald schon sehen lassen.
Bei Konzerten und im Freundeskreis kam dann schnell die Nachfrage, ob ich ihnen auch solche Teile (am Anfang waren das hauptsächlich Westen) nähen könnte und irgendwie kam eins zum anderen. Durch Mundpropaganda hat sich mein Label, das ich 2012 gegründet habe schnell verbreitet und ich bekam sogar im ersten Jahr Bestellungen aus Spanien, was mich echt überrascht hat. Natürlich wollt ich weiterhin irgendetwas kreatives machen, wusste noch nicht wirklich was und die Skills fürs Label haben mir noch gefehlt, um das Ganze ernsthaft zu betreiben.
Also bin ich nach München, um eine Ausbildung im Bereich Mode- und Mediendesign zu machen, habe meine Nähkünste ausgebaut und in meiner Abschlussarbeit die komplette Geschäftsausstattung angefangen vom Logo bis hin zum Packaging über mein Label gemacht. Damit war der Grundstein gelegt und ich habe beschlossen, dass ich dem ganzen eine Chance geben möchte und wenn es nicht klappt – könnte ich ja immer noch in irgendeiner Agentur arbeiten, aber mein Herz hing da schon vollends an „Liza Sew“ und ich hab von da an bis heute echt hart gearbeitet um das alles zu stemmen. Vor 3,5 Jahren habe ich meine erste Ladenwerkstatt angemietet und auch den Shop größer aufgezogen, ich arbeite echt arg viel aber das ganze Label ist für mich einfach volle Selbstverwirklichung.
Mein Aufgabenbereich ist breit gefächert – abgesehen vom Siebdruck der Shirts mache ich quasi alles selbst.
Ich designe und nähe viele verschiedene Produkte – von Jeanswesten, Röcken, Hipbags, verschiedenen Taschen, über Gitarrengurte und Portemonnaies ist da echt eine große Bandbreite an Produkten zu finden. Ich kümmere mich um meinen Onlineshop, um die Kunden, mache alle Grafiken /&-Designs selbst, verpacke Bestellungen, mache die Fotos für den Onlineshop und bin immer auf der Suche nach coolem Material.
Dabei achte ich darauf, dass alles möglichst fair produziert wird (Shirt-Rohlinge z.B., meine Socken lasse ich in Deutschland produzieren…) und frei von Materialien tierischen Ursprungs ist.
Wow, das klingt ziemlich cool. Zurück zur Musik: Was denkst du, wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du auch bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Für uns als Band war immer klar, dass wir einfach nur Musik machen wollen, ohne Regeln zu befolgen, was Releases oder Social Media betrifft.
Ich hab den Eindruck, dass man heutzutage mehr Frauen in verschiedenen Funktionen des Musikbusiness antrifft, als es vielleicht noch vor 10 Jahren der Fall war. Wir haben so bisher nicht nur mit Veranstalterinnen, Tourfahrerinnen und Bookerinnen zu tun gehabt, sondern auch bei Club-Besitzerinnen (z.B. bei Emma von Lady Luck in Canterbury) Shows gespielt.
Ich habe den Eindruck, dass der „Girls to the front“-Gedanke, der damals von Bikini Kill ins Leben gerufen wurde, vielleicht wieder mehr auf dem Vormarsch ist, junge Mädels motiviert werden, selbst etwas aufzuziehen, Musik zu machen und sich Platz bei Konzerten zu verschaffen.
Was hat Corona für deine Band und dein Label verändert? Kam die Zwangspause gelegen und was denkst du, wie es im Musikbetrieb in Zukunft weitergehen wird?
Wir haben Ende letzten Jahres ein neues Album veröffentlicht und hatten durch die aktuelle Situation quasi keine Möglichkeit damit zu touren/ die Platten auf Shows zu verkaufen. Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass uns als Band die Zwangspause ansonsten nicht so stark betroffen hat, ich bin nämlich aktuell schwanger und musste mit meinem Label umziehen, also hatten wir mit unserer Band für 2020 nicht allzu viel geplant. Bei meinem Label ist die hauptsächliche Veränderung, dass der Laden seitdem geschlossen ist, ich keine Festivalstände hab und der Vertrieb nur online stattfindet.
Ich glaube nicht, dass man momentan so richtig vorhersehen kann, wie sich die aktuelle Situation entwickeln wird- dafür gibt es zu viele unbekannte Faktoren.
Mir tut es wahnsinnig leid, für alle Bands und Live Clubs, die unter den Auflagen leiden. Ich finde es wirklich furchtbar, wie viele Existenzen dadurch auf dem Spiel stehen und wie viele Clubs schließen müssen, weil die Erhaltungskosten ohne Betrieb (und auch bei eingeschränktem Betrieb) einfach eine zu große Belastung darstellen. Ich hoffe total, dass bald wieder Konzerte stattfinden können. Ich hoffe auf staatliche Unterstützung für die Kulturszene, denn sonst kann es passieren, dass unsere Subkultur ihre wichtigsten Zentren verliert.
Das hoffen wir auch… Bei dieser Gelegenheit: Gibt es noch andere Projekte speziell von und für Frauen im Musikbusiness, die du unseren Leser*innen ans Herz legen möchtest?
Ein cooles Beispiel für ein all-female Projekt sind die Riot-Grrrl Sessions, wo auch Frida von The Baboon Show mitgewirkt hat, über die ich auch davon erfahren habe. Hört da mal rein!
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Unterstützt eure lokalen Konzert Locations und Läden – generell – aber vor allem in der aktuellen Situation.
Bestärkt und motiviert euch gegenseitig anstatt Kritik am Gegenüber zu suchen – ihr könnt sein und tun was ihr wollt – niemand wird als Profi geboren.
Danke für das schöne Interview Liza und alles Gute für die Zukunft!