Es ist wieder an der Zeit, ein neues Interview zu “Frauen im Musikbusiness” zu veröffentlichen!
In den letzten Wochen durften unter anderem Sindy am Merch, Miri im Labelmarketing und Tarcy von “Fight Like A Grrrl Booking” zu Wort kommen. Heute steht und Lizal von der Deutschpunk Band Die Dorks aus den Tiefen Bayerns Rede und Antwort. Hier nun das Interview in voller Länge.
Hallo Lizal,
Es ist sehr schön, dich in unserer Interview-Reihe “Frauen im
Musikbusiness” begrüßen zu dürfen. Erzähl doch mal, was du bisher so im
Musikbereich gemacht hast und was du aktuell im Musikbereich machst.
Hallo Nico, lieben Dank erstmal für deine Fragen ? Die meisten kennen mich aktuell vermutlich durch meine Band “DIE DORKS”, deren Hauptsongwriterin, Sängerin und Gitarristin ich bin. Gegründet habe ich die Band mit Bons unserem Drummer, der auch seit den Anfangstagen mit am Start ist. Die aktuelle Besetzung an der 2. Gitarre und am Bass ist allerdings noch sehr frisch und besteht in der Form erst seit Juli 2019. Mit Musik hatte ich aber schon seit Kindertagen zu tun: Ich war im Schulchor und in der bayerischen “Stubnmusik”, später dann Schlagersängerin und habe Akustikgitarre und Keyboard gelernt. In meiner Jugend kam ich dann (glücklicherweise) mit Punk, Rock, Heavy Metal und allem Artverwandten in Berührung, was mich dann dazu gebracht hat, mir eine E-Gitarre zu kaufen und eine eigene Band zu gründen. Meine ersten Platten waren eine Scheibe von Wizo und von Iron Maiden, und das hat mich wohl geprägt! Wer uns noch aus den ersten Jahren kennt, kennt auch unseren Werdegang vom anfänglichen 3-Akkordepunk bis zum aktuellen, sehr eigenen und breitgefächerten “Dorks-Sound” der eine Mixtur aus rockigen Riffs, gepaart mit Oldschool Heavy Metal und Hardcore, sowie aussagekräftigen, sehr gesellschaftskritischen Texten darstellt. Da ich schon immer sehr offen war, was Musik betrifft und man über die Jahre eben auch viel an seinem Instrument und am Songwriting dazu lernt, war es also nur eine Frage der Zeit, dass wir so klingen wie wir jetzt klingen. In der Vergangenheit habe ich auch nebenher noch oft kleine Konzerte organisiert – für und mit anderen Newcomerbands aus der Subkultur. Dazu fehlt mir mittlerweile die Zeit, da ich auch noch einen regulären Beruf zum Geld verdienen habe und die Dorks viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir wollen alles spielen können, was wir an an Gigs bekommen und auch ein neues Album mit den neuen Gesichtern steht in den Startlöchern, worauf wir uns schon riesig freuen!
Was waren denn deine ausschlaggebenden Punkte, dich in den Punk zu bewegen und siehst du die Dinge heute noch immer so, wie zu der Zeit, in der du in die Szene gerutscht bist?
Am meisten geprägt hat mich damals mit Sicherheit, dass ich in Kindertagen Schlagersängerin war und gesehen hab wie aufgesetzt und gekünstelt diese ganze Musikszene ist. Mit 15 hab ´ich es dann sogar mal zu ´nem TV-Auftritt in einer Schlagershow – „Grand Prix der Volksmusik“ – gebracht. Kein Witz – und auch das Internet hat es nicht vergessen ? Einige wissen das ja bereits von mir und man kann sich darüber auch köstlich amüsieren, weil es ein sehr lustiges Video ist. Mich hat es damals wahnsinnig gestört, dass man jeden Schritt und Tritt gesagt bekommt, wie man sich vor der Kamera zu bewegen hat und dass das Ganze auch nicht wirklich live ist. Just zu dieser Zeit hatte ich dann meine ersten Berührungspunkte mit einer anderen Form von Musik und habe die Welt nicht mehr verstanden. Zu unser aller Glück, habe ich mich daraufhin relativ schnell dazu entschieden, kein Schlagersternchen zu werden und Karl Moiks Paralleluniversum den Rücken zu kehren. Einziges Manko: Ich habe natürlich dadurch nie die Chance bekommen, Florian Silbereisen kennen zu lernen: p In „Punkkreise“ bin ich so nach und nach reingekommen und war mit Bons in meiner frühen Jugend viel unterwegs auf Musikfestivals, bevor wir dann den Entschluss fassten, selbst eine Band zu gründen. Da ich immer schon ein sehr redseliger Mensch war, fiel es mir auch damals schon leicht Kontakte zu knüpfen. Wir kommen aus einem 500 Einwohner Dorf und da muss man schon gern verreisen, weil es hier auch nicht wirklich was Alternatives gibt. Ich denke, dass ich mich die letzten Jahre nicht um 180 Grad gedreht habe, denn Ehrlichkeit und Loyalität anderen Gegenüber war mir stets wichtig und steht auch heute noch ganz oben bei mir. Ich habe damals in Punkkreisen viele sympathische und intelligente Zeitgenossen kennen gelernt und mich deshalb auch in der Szene schnell wohl gefühlt. Aber es gibt auch genauso viele Idioten in Subkulturen, wie in der „Normalbevölkerung“. Grundsätzlich war es mir früher schon überhaupt nicht wichtig, ob jemand sich als Punk oder sonst was definiert und welche Frisur er hat. Er sollte sich als aufrichtigen Menschen bezeichnen können, wenn er sich im Spiegel sieht.
Wie ist das denn, wenn man als Frau immer alleine mit einer Band unterwegs ist, in der sonst nur Männer sind? Kommt es da auch gerne mal zu Differenzen und wie gehst du damit um?
Ich sitze ja sehr oft am Steuer meines Bandbusses, weil ich einfach gerne Auto fahre. Somit habe ich auch meistens den Autoschlüssel in meiner Hosentasche und wäre durch aus in der vorteilhaften Lage, einfach jemanden am Rasthof zu vergessen ? Nur für den Fall, dass mich zukünftig wer zu stark reizt… Aber quatsch, mit Bons bin ich seit meiner Jugend zusammen, er ist gleichzeitig der Drummer der Dorks und wir machen alles zusammen. Da gibt es keinen Streit. Unsere restliche Besetzung ist ja seit Juli 2019 noch sehr frisch, aber wir hatten die ersten Konzerte zusammen sehr viel Spaß und ich hoffe, dass das immer so bleibt. Den Pat unseren neuen Gitarristen kennen wir ja nun auch schon einige Jahre, da er bisher unsere Aushilfe war. Mir war es immer schon egal, welches Geschlecht meine Mitmusiker haben, ich muss mich mit den Leuten in musikalischer und menschlicher Hinsicht verstehen! Vielleicht habe ich aber auch den riesengroßen Vorteil, dass ich mich nie einer Bandhierarchie unterordnen musste und immer auch die Frontfrau/Gründerin der Band war, die den kreativen Prozess in der Band stets am Leben gehalten und vorangetrieben hat.
Wie siehst du denn die heutige Punk Szene und was hat sich da aus deiner Sicht in den letzten, sagen wir, 10 Jahren verändert?
Es kommt mir so vor, als würde es aktuell immer mehr „Dogmatiker“ in der Szene geben. Jeder beharrt immer auf seinem Recht, mit allem was er sagt und die Meinung oder die Lebensweise des anderen ist grundsätzlich falsch. Die Leute zerfleischen sich in den Subkulturen untereinander, zeigen mit dem Finger aufeinander. „Du bist ein Arschloch, weil du es nicht schaffst 100% vegan zu leben“ – sagt einer zu dem Fleisch essenden Punk mit dem Biobauernhof, der sich gut um seine Tiere kümmert. „Du könntest viel öfter auf eine Demo gehen und dich stark machen!“ – sagt der politisch Aktive zu dem Krankenpfleger im Schichtdienst, mit 200 Überstunden, der nebenbei noch eine kranke Oma daheim hat. Warum kann man nicht einfach nur mal die guten Seiten des anderen sehen, und nicht erst das, was er in den Augen des anderen vermeintlich verkehrt macht oder anders machen sollte. Niemand ist perfekt, anscheinend soll Punk 2020 das aber sein. Eine sauber gewaschene Ausgabe dessen, was eigentlich das Pendant zur perfekten Spießergesellschaft sein sollte: Ein Mensch mit Ecken und Kanten! Ach ja, und ich vergaß: „Du machst doch ständig so saudumme Witze unter der Gürtelline, das könnte doch jemanden verletzen…“ das hört man auch oft. Der gemeine Punk ist auch so schrecklich humorlos geworden und alles wird ständig für bare Münze genommen.
Hattest du als Frau schon mal ernsthafte Problem in Bezug auf Sexismus, Übergriffe oder sonstigen Auseinandersetzung erleben müssen und wo liegen die tieferen Probleme für solche Handlungen innerhalb der Szene?
Ich wurde zum Glück, egal wo ich war, immer sehr offen aufgenommen. Manchmal gab es schon ein paar Idioten, meist aus dubiosen Oi-Kreisen, wo man sich nicht sicher sein konnte wie derjenige eigentlich wirklich tickt. Einmal wurde gebrüllt: „Die Fotze soll von der Bühne runter!“, weil sie nicht damit umgehen konnten, dass hier eine Frau die Frontsau ist, die auch noch singt und gleichzeitig Gitarre spielt. Vielleicht hätten die Herrschaften einfach mal mehr üben sollen, statt sich ihr Gehirn aus dem Schädel zu saufen ? Dann kam noch irgendwas mit „Kommunistenschlampe“. Genau das sind typische Beispiele dafür, was es eben auch für Idioten in einer Subkultur geben kann. Dabei unterscheiden sie sich nicht wirklich von denen die am Stammtisch sitzen und anschließend besoffen nach Hause gehen um ihre Frau krankenhausreif schlagen. Sie verstecken sich halt hier auch nur hinter einer Fassade, um nicht zu zeigen was für Bastarde sie eigentlich sind. Zum Glück hab´ ich, bis auf Beleidigungen, noch nie ernsthafte Probleme mit solchen Schwachmaten bekommen.
Du wohnst ja in Bayern. Wie ist es, wenn man nicht der Norm entspricht und sich als Punk outed. Stellt dich das vor große Probleme oder wird das inzwischen auch vom typischen Bayer akzeptiert? Wie gehst du damit um?
Ich hatte damit nie Probleme, ich hatte einfach nur immer wahnsinniges Glück! Ich habe einen super Job und arbeite mit behinderten Menschen, da ist es auch egal wie ich aussehe oder was ich in meiner Freizeit mache. Auch in meinem direkten Umfeld in dem wohne, komme ich mit den Leuten gut aus. Mein Prinzip ist, grundsätzlich immer sehr offen auf Menschen zu zugehen. Auch ein CSU-Wähler aus deinem Dorf muss nicht von vorneherein so ein Riesenarschloch sein, dass man sich mit ihm nicht einfach mal zwanglos unterhalten kann. Aber er denkt es von dir, wenn du ihm aus dem Weg gehst. Man muss manchem Zeitgenossen einfach nur die Augen öffnen, wenn aktuell der Söder für ihn ein Held ist und daran erinnern, dass dieser Mann vor kurzem noch die Bavaria One ins All schießen wollte ?
Was sollte sich deiner Meinung nach in der doch immer kleiner werdenden Szene ändern, damit auch wieder mehr Leute den Weg zum Punk finden?
Wie ich schon sagte, ich würde mir weniger „Dogmen“, dafür mehr Freiheit wünschen. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, deswegen müssen wir damit aufhören mit dem Finger auf andere zu zeigen. Als der Punk aufkam, war doch auch jeder gegen Regeln und Gesetze. Es geht auch nicht um irgendeinen beknackten Style. Man muss den Kids eines vermitteln: „Hey, du brauchst nicht das neueste Antifa-T-Shirt im Schrank oder die selbe Frisur wie Sid Vicious, du solltest einfach nur kein faschistoides Arschloch sein!“ Auch in Sachen Musik müssen wir toleranter werden. Es gibt tollen Metal, Rock, Hip Hop, Elektro – egal – kann alles Punk sein. Wenn es gute Texte mit Aussagekraft sind, die die Kids zum Nachdenken und zu eigenen Veränderungen bewegen, haben die Musiker alles richtig gemacht und verdienen Wertschätzung für ihre Kunst.
Schlussfrage: Was möchtest du unseren Leserinnen mit auf den Weg geben oder noch los werden?
Bewegt euren Arsch wieder mehr auf Live-Konzerte, unterstützt lokale Clubs und Veranstalter und lernt diese Freiheit wieder zu schätzen. Es gibt ein Leben nach Corona, geht offline und hört auf ständig in eure bescheuerten Handys zu schauen! Das Leben ist zu kurz für belanglose Scheiße…