Es ist der 1. April und ich werde mal wieder geblitzt. Später werde ich per Post dazu aufgefordert, zehn Euro an eine Kasse Hessen-Thüringen zu zahlen. Ich denke noch, das klingt ja wie Österreich-Ungarn und lache über meinen Witz. Später dann höre ich das erste Mal das Album “Schmetterlinge schmecken schlecht” von Future Love / Curd Neptun und denke, jeder bekommt, was er verdient. 13 Songs, deren Titel immer nur aus einem Wort bestehen wie “Winter”, “Los”, “Schlaf”, aber auch “Ships” und “Müde”, Free” und “Newspaper”. Der international versierte Hörer vermutet schon richtig, auf dem Vinyl geht es international in die Texte. Deutsch und Englisch werden mal von Future Love und mal von Curd Neptun gesungen oder gesprochen, was dann sehr intellektuell ansprechend klingt.
Schmetterlinge schmecken schlecht … Hmmh? Ich denke noch ein wenig über diese dreifach Sch-Alliteration nach und bin mir nicht sicher, was denn damit gemeint ist. Haben Schmetterlinge für uns Menschen einen schlechten Geschmack? Schmecken sie nur gekocht, gegrillt oder als Smoothie? Oder meinte man, dass Schmetterlinge schlecht schmecken, also keinen ausgeprägten Geschmackssinn haben? Übrigens schmecken Schmetterlinge mit speziellen Zellen an ihren Füßen. Ich erwähne das nur, um zu zeigen, dass sich das Schauen der Sendung mit der Maus oder Löwenzahn gelohnt haben. Ich komme nicht dahinter und beschließe, dass es sich auf den Geschmack der Schmetterling bezieht. Der Lockdown macht vieles mit einem. Vielleicht auch das.
Das Album macht keine Mätzchen und kommt in wunderschönem Cover und sehr hellem gelben, fast weißen Vinyl daher. Texteheft innen liegend, alles übersichtlich gedruckt und mit Foto der Musikanten. Die Rückseite enthält neben wenigen Infos noch das Tracklisting. Das Cover selbst ist auf Vorder- und Rückseite wie ein Geschenkpapier gestaltet, sehr stylish das Ganze. Man merkt, hier waren Menschen mit Geschmack (da haben wir es wieder) am Werk.
Das Album startet mit dem Song “Winter”, der aus einer wunderschönen dudelnden Synthie-Linie besteht, während Maike uns ein paar so wichtige Dinge mitteilt, dass ihm im Winter kalt ist. Nach nicht mal zwei Minuten kommt mit “Los” ein Song mit netter Gitarrenbegleitung, bei dem Curd Neptun die Spoken Words übernimmt. Das erinnert mich auch ein wenig an die kongenialen Foyer des Arts und gibt dem Song etwas sehr Intellektuelles. In diesem Song kommt auch die Zeile “Schmetterlinge schmecken schlecht” vor, von dem das Album seinen Namen hat. Bereits jetzt ist klar, ich liebe diese verschrobene Art und Weise des Liedervortrags gepaart mit mehr oder weniger ernst gemeinten Texten. Es scheint bald so, als ob sich das Duo bei einem Tag im Haus, mal hier mal dort aufhält, eine Situation einfängt, weiter in den nächsten Raum, wo man sich dann auch mal zum Duett trifft und jeder für sich weiter zieht. Das scheint erst gewöhnungsbedürftig, macht mir beim häufiger Hören des Albums mehr und mehr Freude. Gerade diese kurzen Stücke mit diesen zurückgenommenen Instrumenten, lassen zum Zuhören der Texte genug Raum. Zu meinen Favoriten gehört noch “Heiss”, ein Song mit nervösem Beat, der schön mit einer Gitarre konterkariert wird, während sich Maike über das Thema heiß auslässt.
Mit “Stadt” ist Future Love / Curd Neptun ein echter Ohrwurm gelungen. Eine simple Gitarrenmelodie und ein treibender Beat bilden die Basis für die Lobeshymne an die Stadt. Thomas beschreibt mit viel Ironie und Sarkasmus die urbanen Vorteile, während Maike sich gesanglich im Hintergrund hält. Diese spezielle Art erinnert tatsächlich oft an die Unbekümmertheit und Lässigkeit der Texte aus der Zeit der NDW, sind aber manchmal doch kleine literarische Kunstwerke. Man muss eben genau hin hören. Deshalb finde ich es einen Pluspunkt, dass die Texte beiliegen. Es lohnt sich der Blick hinein. Ein letzter Tipp ist “Distinktion”. Ein Song, der mit aufbrausender verhallter Surf-Gitarre einen echten Kickstart hinlegt und dann vom Stakkato-Gesang lebt. Dabei haut Thomas im Refrain mal einen Satz wie “Wo ist das Ende der Distinktion – wo beginnt die Revolution?” raus. Eine Frage, die durchaus ein wenig Nachdenken verdient. Gerade in der heutigen Zeit eine spannende Frage.
Abschließend noch ein paar Worte zu den Künstlern, die mir vorher nicht bekannt waren. Ich kenne das Duo zwar immer noch nicht, aber die beiden waren so lieb, mir Informationen von sich preis zu geben. Hinter Future Love steckt Maike Mandik und Curd Neptun ist das Synonym von Thomas Böhm aus Gießen. Die beiden haben zur Umsetzung ihres musikalischen Projekts “Schmetterlinge schmecken schlecht” eines der Projekt-Stipendien “hessen innovativ neu eröffnen” der Hessischen Stiftung für Kultur erhalten. “Stipendien sind zwar nicht wirklich cool, aber die Produktion dieser Platte und das schönen Equipment hätten wir uns sonst nieee leisten können …”, sagen Maike und Thomas. Stand heute ist das Projekt mit Vinyl und Tape, einem Video und einem Live-Stream abgeschlossen. Nach eigenen Aussagen handelt das Album von den Erfahrungen des letzten Jahres, die für uns in der Geburt unseres gemeinsamen Kindes (und eben auch unseres gemeinsamen musikalischen Projektes) gipfelten. Future Love / Curd Neptune bezeichnen ihre Art der Musik als Bedroom Pop. “Schmetterlinge schmecken schlecht” wird zu Hause gemeinsam eingespielt, ohne besondere stilistische Schranken, mit deutschen und englischen Texten, böse, sarkastisch und dann wieder sanft und liebevoll – wie man eben durch so eine Zeit kommt.
Die beiden haben natürlich schon länger Musik in verschiedenen Bands gemacht – auch schon zusammen. Maike hat vorher bei den Post-Punk-Bands Fusel und Tom at the Farm gespielt, aber auch schon Thomas am Schlagzeug begleitet. Zusammen haben die beiden mit dem Performance-Künstler und Musiker Burcak von Leipzig gespielt. Die letzte Band von Thomas vor Curd Neptun war The Sunmoth und erst spielte auch mal eine lange Weile die Gitarre bei den Giessener Ska-Legenden I.H.Ska.
Ich kann am Ende des Reviews den Hörern, welche diesen minimalistischen, unbeschwerten Bedroom-Pop mögen, hier nur zum Zuschlagen raten.