Statements auf dem Innensleeve…
„Sind Sie Lehrer oder Lehrerin? Sie sollten darüber nachdenken, Goldberg-Transformation in Ihren Diskographie-Unterricht aufzunehmen!“
„Profane Dandys? Wurden diese Hits wirklich mit dieser Anti-Aging-Formel komponiert?“
„Diese Typen sind die Leerzeichen in Sex, Drugs und Rock’n’Roll“
„Es ist gut, dass Computer diese Musiker unterstützen, glaubt Ihnen das!“
„Musik wie Essig aus einem ausgehöhlten, ausgebrannten Birkenstumpf!“
„Es ist gut zu wissen, dass diese Menschen echte Instrumente spielen könnten!“
Ob es sich hier um reale Zitate handelt, wird nicht ausgewiesen. Mir vermittelt das den Eindruck, dass das Duo Goldenberg-Transformation über ein großes Maß an Ironie bzw. Humor verfügt. Oder man will bewußt eine falsche Spur legen. Gleiches gilt für den Titel „Okayed Chansons“, der für sich, fürchterlich klingt und auch sprachlich kein bon mot darstellt. Ein ver-englischtes Word in Kombination mit einem französischen Begriff. Für mich geben beide Wörter keinen tieferen Sinn. Am nächsten vielleicht, freigegebene Chansons. Ein weiteres Indiz für mich, das Goldenberg-Transformation mit dem Hörer spielen, was Ernsthaftigkeit und Botschaft des Gesamtkonzeptes angeht.
Goldberg-Transformation bestehen aus Simon Heubach und Rolf Hirschbühl, beide Geburtsjahr 1977, haben am Album von 2013 bis 2020, aufgrund der räumlichen Trennung, Leinfelden und Saarbrücken, via Computer und Internet gearbeitet. Das verlangt auf jeden Fall Disziplin und Ernsthaftigkeit. Die Fakten: schweres Vinyl, schick verpackt und 10 Songs auf einer Länge von etwas über 35 Minuten.
Die A-Seite beginnt mit „Squirrel on the Moon”, einem Down Beat-Song, der nur langsam an Fahrt aufnimmt. Ein paar minimalistische Synthieklänge werden eingestreut, es bleibt aber weitgehend ruhig. Im Gegensatz dazu „Captain, My Captain” mit schon fast Industrial-Touch. Ein harter Beat, Tempi-Wechsel und Bass-Läufe bleiben das dominante Thema und halten den Rhythmus hoch. „What did you expect“ ist absolut Low Beat mit ziemlich düsteren Klängen im Dark Wave Bereich. Das folgende „Carbon Archives” hat einen stoischen Beat, diesen dunklen Bass, Synthie-Collagen und diese mittlerweile schon vertraute, verzweifelte, fast wütende Stimme. „Black Box“, beendet die Seite A mit komplexen Rhythmen, einem tiefen Bass und einer eher flotten Dark Wave Synthie-Line. Bisher alles nicht schlecht, aber so richtig reißt es mich noch nicht vom Hocker.
Seite B „Southern Islands“ hat diese Verzweiflung, die sich gegen Bass, Drums und Synthie auflehnt. Insgesamt düster mit Industrial-Anklängen. Bei „Dress Nice“ wird mit spoken words eine interessante Atmosphäre geschaffen, das Tempo bleibt unten. Dagegen mit flotten Beat und Industrial-Synthie-Klängen beginnt „The Drunk Hunt“ und es klingt sehr dramatisch, auch weil mal wieder dieser verzweifelte Ton der Stimme den Hörer in den Bann zieht. Harte Synthie-Kollagen halten die Spannung bis zum Schluß hoch. „All Children are Beautiful“ hat diese sanfte Bassline am Anfang und die Stimme wird auch eher spärlich mit Drum und Synthieteppich begleitet. „Tongue like a Gun“ zieht noch einmal eher avantgardistisch und industrial geprägt an. Insgesamt gefällt mir die Seite B dann ein wenig besser.
Goldberg-Transformation spielen mit Unterstützung einer Drum-Machine, dunkel pochenden Elektronikflächen, mechanischen Bass-Monochrom-Konstrukten, unerbittlich-metronomischen Beats und lakonisch-charismatischen Vocals. Gitarren? Fehlanzeige! Das Highlight, ganz klar der melancholisch-inbrünstiger Wut-Abgesang in Endzeitstimmung, schwerlich gezügelt. „Okayed Chansons“ hat in seinen besten Momenten, großartige Verweisen auf Filter und Coil. Stellenweise höre ich SHRIEKBACK, die Swans, stimmlich manchmal an den jungen Philipp Boa und die fantastischen NINE INCH NAILS heraus. Was mir negativ aufstößt, ist das Fehlen jeglicher gespielter Instrumente, die Drums spielt die Maschine, die Synthies mit leicht abgewandelten Preset-Einstellungen sind aus der Konserve. Aber genau das scheint das Konzept von Goldberg-Transformation zu sein, gepaart der Verzweiflung und Anklage in der Stimme am Rande zur Wut? Auf jeden Fall, liegt „Okayed Songs“ im Bereich: Hör-Tipp. Wer mag, bestellt das Album direkt hier.