I Am The Fly sind wahrscheinlich eine der zur Zeit spannendsten Bands in Deutschlands Westen.
Mit ihrem Vintage-Synthie-Punk und selbstgebastelten Kostümen in Fliegengestalt unterhalten sie nicht nur den gemeinen Punkrocker, auch Waver, Hipster, Popper und andere Freaks werden ganz zappelig. Deshalb ist es kein Wunder, dass das Duo in den letzten Monaten jeden coolen Auftrittsort in Nordrhein-Westfalen bespielt hat, unter anderem das AZ Mülheim, den Sonic Ballroom in Köln, das AK47 Düsseldorf und natürlich auch das Don’t Panic in ihrer Heimatstadt Essen.
Ihre erste Demo CD fiel nicht nur durch ihre Musik auf, auch das Cover war in bester D.I.Y. Manier zusammengebastelt, die Muster des Tonträgers erzeugen die Facettenaugen der Fliege vom Cover. Very nice!
Schönerweise sind musca domestica male und musca domestica female langjährige Freunde von mir, also lag es nahe, dass ich ein Interview mit ihnen mache. Der ursprüngliche Plan sich bei kühlen Gerstenmalzschalen in der Lieblingskneipe um der Ecke zu treffen und zu quatschen war gut, wurde aufgrund von Krankheit aber mehrfach verschoben. Dann kam fucking Corona und plötzlich kann man sich nicht einfach mehr problemlos treffen um ein Interview zu machen.
Also wurde das folgende Gespräch per Mail geführt, wodurch die Fragen statischer wurden, als ich es mir vorgestellt habe, da irgendwie der Gesprächsfluss fehlte. Glücklicherweise sind die beiden keine Idioten und konnten durch kluge Antworten punkten.
Aber lest selbst:
Auch wenn wir uns schon lange kennen: Stellt euch und eure Musik doch mal vor. Wer seid ihr, wie lange gibt es euch, was sind eure Roots?
male: Das stimmt, vielleicht sollten wir uns siezen, um die nötige Distanz wieder herzustellen. Ich danke Ihnen für diese Frage!
Hallo! Wir sind I Am The Fly und machen Synthpunk mit Orgel, Bass, Gesang und einer alten Drummachine aus den 70ern. Wir haben die Band 2017 in einem gruseligen Urlaub auf einer Insel gegründet. Wir waren versehentlich und ohne es vorher zu ahnen bei einem vollkommen bekloppten esoterischen Verschwörungstheoretiker (Hallo Jochen!) untergekommen. Es war schrecklich. Der Typ war ständig da, hat uns abgefangen, auf uns eingeredet und nicht mehr gehen lassen.
female: Draußen gab es also Monologe über Aliens, Chemtrails, Kokosfett und sprechende Käfer und drinnen gab es im Fernsehen Ninja Warriors. Uns blieb einfach gar nichts anderes übrig, als eine Band zu gründen. HAHAHA! Wir hatten nur leider keine Instrumente dabei, was für die Bandgründung eher unpraktisch war. Also haben wir einfach alles gemacht, was uns übrig blieb: wir haben Texte geschrieben, das CD Cover gezeichnet, die Kostüme und den Sound geplant. Seitdem gibt es I Am The Fly. Dank Jochen.
male: Für mich sind wir eine Punk Band im ganz klassischen Sinne.
Also war die Entscheidung als Fliege aufzutreten eher eine spontane Entscheidung oder habt ihr zu diesem Zeitpunkt viel WIRE gehört? Während andere Bands ihre Kostümierung 100% durchziehen und diese erst hinter der Bühne wieder ablegen, demaskiert ihr euch teilweise noch auf der Bühne. Gehört das zum Konzept, ist das ein gewollter Bruch?
male: Wire sind super und „I am the fly“ ist ein tolles Stück! Aber einen direkten zeitlichen Zusammenhang gibt es nicht, ich hatte mir den Namen irgendwann nachdem ich die Single gehört hatte mal aufgehoben, weil ich den toll fand und unbedingt eine Band so nennen wollte. Aber es war da schon klar, dass eine Band mit dem Namen „I Am The Fly“ keine Hardcoreband oder so werden könnte, das passt nicht zusammen.
female: Und wenn man sich dann entschieden hat, die Band I Am The Fly zu nennen hat man eigentlich gar keine andere Wahl mehr, man muss in Fliegenkostümen auftreten.
male: Was das Demaskieren angeht: Wir sind immer die Vorband. Wir müssen schnell unseren Kram von der Bühne räumen und können durch die Masken nicht viel sehen. Das wäre reiner Slapstick, wenn wir die beim Aufräumen auflassen würden.
female: Ein bisschen nutzen wir das aber schon als Bruch. Die Fliegen verachten die Menschheit. Wir mögen die Menschheit nur nicht so besonders.
male: Außerdem hindert es einen daran abzuheben, wenn man nachdem man gerade eben noch cool auf der Bühne stand plötzlich wie ein Vollidiot mit verschwitztem, halb angemaltem Gesicht dasteht. Das erdet. Sonst denkt man nachher noch, man wäre jemand.
Dass ihr Menschen nicht unbedingt mögt merkt man den Texten an. Positive Grundstimmung sieht anders aus:-) Hätten wir das Interview paar Wochen vorher gemacht, hätte ich euch gefragt, wie ihr den Alltag mit dieser Misanthropie meistert, beruflich und im Allgemeinen. Jetzt aber gibt es Kontaktverbot und plötzlich merkt man, wie sehr man andere Menschen vermisst .Mir geht es jedenfalls so. Sind Menschen vielleicht doch nicht so schlimm ?
Wie beurteilt ihr die derzeitige Situation, nicht nur auf privater Ebene, sondern auch als Band? Welche Auswirkungen hat Corona für euch?
male: Oh, jetzt wird es ernst, haha. Ich bin mit meiner Misanthropie inkonsequent. Ein Teil von mir kann bestimmte menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen nicht ausstehen und der andere Teil ist tendenziell versöhnlicher. Es ist immer die Frage, wie du das Verhalten anderer für dich erklärst: handelt jemand extra, also aus Boshaftigkeit oder handelt er zufällig, vielleicht versehentlich aus einer momentanen Dummheit heraus? Dummheit ist nichts schlimmes, aber Boshaftigkeit schon. Rassismus beispielsweise ist nicht einfach nur dumm, sondern boshaft. Faschismus, Sexismus, Homophobie, Misogynie – all diese Sachen sind nicht nur dumm, sondern boshaft. So etwas kann und darf man nicht relativieren oder akzeptieren. Aber was ist mit den vielen weniger eindeutigen Dingen? Was ist zum Beispiel mit den Leuten, die Müll ins Gebüsch werfen, obwohl 10 Meter weiter ein Mülleimer steht? Ich weiß nicht ob das boshaft ist oder dumm. In den Texten lasse ich wenig Platz für solche Nachsicht. Da werfe ich der Menschheit ihre Fehlerhaftigkeit, ihre Unbedachtheit und selbstverschuldete Unmündigkeit ungebremst vor. Und als vollkommen perfekte und fehlerfreie Fliege kann ich menschliche Unvollkommenheit ganz wunderbar verachten und mich arrogant darüber stellen.
female: Ich bin im Grunde ganz gut im zu Hause bleiben und niemanden sehen, das habe ich jahrelang geübt und jetzt zahlt es sich endlich aus 😉 Ich arbeite viel von zu Hause aus und komme von Natur aus eher selten unter Leute, mein Postbote kennt mich nur im Schlafanzug und ohne Frisur.
Für Bands ist es natürlich in mehrerer Hinsicht eine schwierige Zeit. Die ganzen Konzerte wurden verständlicherweise abgesagt und wir treten dadurch wie alle anderen mehr oder weniger auf der Stelle. Und natürlich sind die Konzertabsagen für die Veranstalter eine große Bedrohung, weil die laufenden Kosten bleiben, aber keine Einnahmen reinkommen. Ich weiß nicht, wie das in ein paar Monaten mit Konzerten aussehen wird und ob die Veranstalter durchhalten können. Ich mache mir was das angeht insgesamt große Sorgen um die Kunstschaffenden, die Clubs und kleinen Projekte. Und wie auch immer sich die Krise entwickelt – ich fürchte, dass viele aus dem Kunstbereich und vielen anderen Bereichen die Zeit nicht überstehen werden, wenn sie nicht massiv unterstützt werden sollten.
Natürlich treten alle im Moment treten alle Kulturmenschen im Moment auf der Stelle. Ihr als 2er Combo, die auch noch unter einem Dach wohnt, habt aber natürlich den Vorteil, dass ihr weiterhin gut zusammen proben und planen könnt. Nutzt ihr die merkwürdige Zeit gerade besonders zur kreativen Entfaltung?
Trotz eurer schmalen Besetzung und der nicht ganz typischen Instrumentierung habt ihr euch Eingangs als klassische Punkband beschrieben. Ihr spielt Konzerte sowohl im klassischen Punkrahmen, aber auch im Elektropunk, und Wave-Bereich. Welche Unterschiede könnt ihr benennen, wo fühlt ihr euch am wohlsten?
Male: Ja, endlich ist es mal von Vorteil, dass wir zusammen wohnen!
Female: Wir arbeiten ja insgesamt immer eher langsam. Tatsächlich ist es was das angeht für die Band gerade ganz gut, dass wir mehr Zeit haben. Wir haben endlich mal wieder ein neues Stück fertig gemacht und arbeiten an Aufnahmen für eine Single. Und am Cover. Vielleicht schaffen wir ja noch ein Musikvideo, da fällt immerhin die Wahl des Drehortes gerade recht leicht. Irgendwie muss es ja weiter gehen.
Male: Ich fühle mich im Punkkontext eigentlich am wohlsten. Aber insgesamt hängt das von zu vielen Faktoren ab, um das so eindeutig beantworten zu können. Ein Konzert macht mir am meisten Spaß, wenn es mit Veranstaltern, Tonmenschen, anderen Bands und Publikum passt. Das ist meist relativ unabhängig vom Kontext.
Female: Ja. Alle müssen irgendwie auf ihre Kosten kommen, damit das ein guter Abend wird.
Auf vinyl-keks.eu gibt es die Reihe „Frauen im Musikbusiness“, bei der Frauen zu Wort kommen, die sich in irgendeiner Form im Indiependent Musikbereich engagierien. Female, wie sind deine Erfahrungen? Wirst du anders behandelt, ist es schwerer für dich sich in diesem Kontext zu behaupten? Gibt es Unterschiede in den verschiedenen „Szenen“ in denen ihr auftretet?
Female: In meiner vorherigen Band habe ich Schlagzeug gespielt. Da war die Erwartungshaltung, dass ich mich als Frau die Schlagzeug spielt auf der Bühne beweisen sollte schon sehr spürbar, teilweise wurde mir das bei Konzerten direkt von Mitgliedern anderer Bands gesagt.
Bei I Am The Fly ist das bisher anders, aber ich weiß nicht, ob das an der Größe und Zusammensetzung der Band, dem Instrument oder dem Kontext liegt. Man kann es nicht pauschalisieren, aber ich habe doch das Gefühl, dass es vor allem in der Subkultur in der wir uns bewegen zum Großteil eine Selbstverständlichkeit ist, dass das Geschlecht einer Person irrelevant ist. Aber grundsätzlich ist es leider in der Musik nach wie vor so, dass mehr Männer als Frauen auf der Bühne stehen und dass Frauen anders behandelt werden. Ich fände es toll, wenn es irgendwann nicht mehr nötig wäre, das überhaupt zu thematisieren.
Ein Blick in die Glaskugel. Was liegt an für I Am The Fly? Ist eine Platte geplant, wenn ja auch auf Vinyl? Wie steht ihr überhaupt zu dem Thema Vinyl? Welches ist euer bevorzugtes Medium für Musik?
male: Rockstars werden steht selbstverständlich ganz weit oben auf dem Plan. Mal gucken, ob das was wird.
female: Die 27 haben wir ja schon hinter uns, wird also eng. Ansonsten würden wir natürlich gerne sobald es die Lage wieder zulässt weiter Konzerte spielen und die abgesagten Konzerte nachholen.
male: Und wir arbeiten tatsächlich gerade an unserer ersten Vinyl-Single. Seit drei Bands möchten wir das schon machen, aber das hat nie Sinn gemacht. CDs waren eigentlich immer nur eine Notlösung, weil man die ohne große Kosten und ohne größeren Aufwand selber machen kann. Aber ich kaufe eigentlich nur Vinyl. Ich finde die großen Cover toll und ich mag es, dass Platten so schön umständlich sind.
Das klingt doch schon mal gut, da kann ich mich dann drauf freuen.
Habt ihr noch was, was ihr unbedingt mal loswerden wolltet? Die Weltformel, ein Spruch fürs Poesie Album? Dann bitte jetzt…
male: Äh, danke.
female: Ich denke mal drüber nach.
Grandiose Schlußworte, vielen Dank!
Checkt aus:
https://www.facebook.com/TheFlyIAm/
https://www.i-am-the-fly.de
https://iamthefly.bandcamp.com/releases