Eine Albumhülle mit einem Artwork in schwarz-weißer Schrift, das 100% DIY-Geist ausstrahlt, fesselt mich. Mehr Farbe gibt’s dann auch auf dem gesamten Album-Artwork inklusive Vinyl nicht, was perfekt für die Attitüde steht: Keine Kompromisse. Auf dem Cover-Bild ist ein Dolch zu sehen mit einem Punkrock-Blitz-Symbol auf dem Heft, der den Bandnamen Kodder genau mittig im Doppel-D spaltet. Hinter dem Dolchstoß steckt wohl enorme Wucht, denn das erste D hat sich beim Zustechen offenbar spiegelverkehrt gedreht. Über dem Heft steht der Ausruf geschrieben, der den Stoß begleitet: DA!
Und weiter am unteren Rand kommt dann der vervollständigte Satz: So seid ihr!
Ausrufezeichen, Ausrufezeichen!
Was Friedemann mit seiner neuen Band nach COR und diesem schnörkellosen Linolschnitt in guter, alter DIY-Punkrock-Manier auf dem Cover symbolisiert, ist die Spiegelung. So, wie die beiden Buchstaben aus der Mitte des Bandnamens sich an der Klinge des Messers spiegeln, widerspiegeln Kodder die großen Themen dieser Tage und das Verhalten der Menschen dazu. Schonungslos wie die täglichen Nachrichten sie uns ohne Lösung präsentieren, schonungslos wie Social Media uns verblödet bis wir kotzen müssen vor Ohnmacht, sezieren Friedemann (Gitarre & Gesang), Steffi (Bass & Gesang) und Arthur (Schlagzeug) in ihren 13 Songs auf schwarzem Vinyl von Weird Sounds die konsumgeile Masse, Kriegstreibende, Kapitalismus, Umwelt- und Klimakatastrophe, aber auch untätiges Dasein und Punk als blutleere Schattenfigur.
Hier wird nicht mit feinem OP-Besteck, guter Beleuchtung, Skalpell und Narkose operiert, sondern mit Dolch und Hackebeil aus der Schmiede einer Selbsthilfe-Werkstatt bei vollem Bewusstsein. Das schmerzt, soll es auch.
Wer sich je gefragt hatte, was eine Kodderschnauze eigentlich ist: Das hier auf der Pladde ist ne Kodderschnauze! Der Duden behauptet, das sei berlinisch und selten im Sprachgebrauch. Es wird übersetzt mit „[unbekümmert] freches Mundwerk“. Ha, das ist ja harmlos! Ich finde Kodderschnauze gar nicht mal so selten als Wort und das interpretiere ich als gewohnheitsmäßig dreckig, rotzig gerade heraus zu sagen, was einen ankotzt. Ohne Rücksicht, als Dauerkommunikationsmittel.
Ich kotz mich aus
Schlag auf euch ein
„Diener der Industrie“ brettert der Ungerechtigkeit im Getriebe eine rein mit der typischen heiseren Stimme von Friedemann und hohem Tempo.
Weiter gehts im gleichen Tempo, doch zunächst ungewohnt beginnt „Führer in den Krieg“ als Song auf der Seite 1. Der startet mit einem unangenehmen Rhythmus auf der Snare als Marschmusik, dann setzen nach einigen Sekunden verzerrte Gitarren ein, aggressiv ziehen Drums und Bass nach. Deutschpunk mit Metall-Anleihen, roh und teils im Chor gesungen. Die Antikriegs-Idee, in der sich die Kriegstreibenden selbst bekämpfen, ohne andere Menschen auf dem Schlachtfeld sterben zu lassen, wobei sich das War-Pigs-Thema (Black Sabbath) dann von selbst erledigt. In einer 2:30 Minuten Version wird hier kurzer Prozess gemacht, und die ganze Power geballt und komprimiert serviert.
Aber auf diesem Album bekommen nicht nur die Mächtigen ihr Fett ab, sondern auch diejenigen Leute, die Friedemann nicht Punk oder Underground genug sind und es sich wohl im System gemütlich gemacht haben. Das alte neue Lied-Leid in einem Rundumschlag auszukeilen mit eisenbelegten Hufen.
Ob im Song „Initiative Musik“ die Förderung vom Staat kritisiert wird und der Text nachäfft „wie soll man denn sonst Leben da kommt ja gar nichts rein“ oder im Song „Underground in Deutschland“ die Rich-Kid-Pseudo-Punk-Nummer kommt. Gesungen wird bei den Themen jedenfalls aus vollem Hals und mit ordentlich Verachtung. Sicherlich alles berechtigte Fragen rund auch um den Bundesadler auf dem Cover und eine vielgeführte Diskussion, die noch nicht beendet ist, auch auf Regierungsebene, wie wir ja wissen. Kein Pro-Kontra, hier gibt’s einzig Kontra, alle Wut muss raus!
Kritik gibt’s auch für die, die sich wie bei Rantanplans „Ich erinner’ mich an alles“ vom Punk auf die ganz andere politische Seite bewegt haben, wo dann wirklich null Gemeinsamkeiten aus der Jugend geblieben sind und jemand sich um 180°C gedreht hat. Kennen wir auch alles. Auf der Platte bearbeiten Kodder diese Themen weiter, was mit Wut im Bauch und einer krachigen Mischung aus Punk, Metal, Hardcore und deutschen Texten bestens passt.
Als Beilage gibt’s einen Sticker in Erinnerung an die bereits ausverkaufte „Ihr Kotzt Mich An! Ich Kotz Mich Aus! 12“, EP. Nicht nur reden, sondern machen, heißt übrigens auch, Einnahmen zu spenden an eine Kinderhilfsorganisation, so wie Kodder es vormachen. Wer also genauso wütend ist und Bock hat, kann hier alles raus lassen, raus kotzen und raus schreien. Auf Platte gibt’s das Album von Kodder hier und das nächste Konzert gibt’s auch schon im Oktober:
03.10.25 Neumünster, AJZ
04.10.25 Husum, AHOI Festival
17.10.25 Hildesheim, THAV
18.10.25 Glauchau, Cafe Taktlos
23.10.25 Oberhausen, Druckluft
24.10.25 Köln, Sonic Ballroom
25.10.25 Münster, Sputnikhalle
07.11.25 Jena, Rosenkeller
08.11.25 Berlin, SO 36
15.11.25 Güstrow, B.A.Rocktikum


