Googelt man Mojo Beatnik, so wird man nicht viel finden. Ein paar englische Beiträge, schon ein wenig mehr japanische Artikel und ganz wenige deutsche Texte, die sich mit Mojo Beatnik beschäftigen. Umso stolzer macht es mich, dass bei wenigen deutschen Suchergebnissen, ein Suchergebnis auf unser Musikmagazin Vinyl-Keks hinweist, wo es schon mal einen kleinen Beitrag zum Thema Mojo Beatnik gab. Die richtigen Nerds werden es wissen, es ging um “Hush”, einen Song, den Mojo Beatnik zum Kernkrach Tape-Sampler “Rabarbara” aus dem letzten Jahr beigetragen hat. Aber auch auf dem legendären “Der Kosmonaut“-Sampler von Kernkrach Mastermind Jörg Steinmeyer, finden wir Mojo Beatnik mit dem Track “The Witch”.
Nun liegt mir das wirkliche Vinyldebüt von Mojo Beatnik vor. Es gab vorher ein Tape und eine CD, aber nun mal kein Vinyl. Fast logisch ist es schon fast, dass diese Art der Musik, dieses Minimal Wave, von Jörg Steinmeyer herausgebracht wurde. Sind wir ehrlich, hier in Deutschland und weit über die Grenzen hinaus, ist Kernkrach Records da einfach der beste Hafen für diese Art der Musik. Auch diesmal hat sich Kernkrach beim Äußeren nicht lumpen lassen. Die Käufer:innen erhalten eine von 300 handnummerierten Copies in wunderschönem Silk-Screen-Sleeve und einem graphisch interessant gestaltetem Innenlabel, was zu dem alle japanischen Texte zum Mitsingen enthält.
Was ist nun das Besondere an Mojo Beatnik? Was packt mich da? Könnt ihr euch unter der Definition “A solo project from Fukuoka, Japan. Making “Mutant Wave” music, combining minimal synth, coldwave with ’50s/‘60s primitive and obscure R’n’R sounds using vintage KORG synths and drum machine.” (Quelle: discogs) etwas vorstellen?
Okay, wir wissen, der Typ ist Japaner, veranstaltet den ganzen Zampano alleine und beschreibt seinen Stil als “Mutant Wave”. Er ist sehr schwer zu beschreiben… dunkle Stimme, Songs im Mid- oder Up-Tempo-Bereich, mit einem minimalistischen, musikalischen Ansatz, sehr klar rhythmusorientiert und extrem tanzbar. Mojo Beatnik schafft es so mit wenigen eher dunkel klingenden, synthetischen Klangebenen einen Sound zu entwickeln, der an viele ersten Elektrogenres der 1980er Jaher erinnert. Das reißt mich wirklich sofort mit, da es der Sound ist, der von mir in diesen Jahren als prägend empfunden wurde und sich gleich einer auralen DNA mir eigen wurde. Mojo Beatnik kreiert diesen Sound mit “alten”, legendären KORG-Synthesizern. Aber ohne nach Retro, Vintage zu klingen.
Ich sehe schon die ersten von euch Leser:innen, wie sie mit Unverständnis schauen … Hey, was will der Lagartija Nick denn jetzt von mir? Der hat eh schon immer so schräge Sachen am Start, und jetzt das… Deutschland aufgepasst! Hier könnt ihr was lernen.
Erstens, dass die meisten unserer Leser:innen zu jung sind, um mit dem Namen “KORG Synthesizer” etwas anzufangen, während Andere diesen Namen nur im Flüsterton voller Ehrfurcht über die Lippen bringen. Zweitens, dass KORG, ein Unternehmen ist, dass in der Vergangenheit, etwa zu Anfang der 1970er den ersten KORG produziert hat und bis heute eine legendäre Ahnenreihe dieser Synthesizer der Öffentlichkeit zu Gesicht bzw. Gehör gebracht hat.
Falls, und nur falls, ihr euch die Mühe machen wollt, googlet mal die Instrumentenlisten der Alben von Elektronik-, New Wave-, Dark Wave-, Gothic-, ProgRock-, NDW-, Minimal Wave-, Pop- und Rock-Alben der 1980er und ihr werden den Namen KORG häufig finden. Mal in ganzen Synthie-Burgen wie bei YES oder ELP bis hin als alleiniges Instrument. Die sogenannten Elektro-Pionieren, die den KORG unter anderem nutzen, erzeugtem so vor allem einen wieder erkennbaren Klang, der nicht unerheblich zum Erfolg beigetragen hat.
Depeche Mode, Anne Clark, Gary Numan und Psyche sind nur Beispiele von Künstlern, der Electro Wave, auch Electronic Wave, Synth-Wave, Synthie-Wave, Synthesizer-Wave und Techno-Wave, die Ende der 1970 und Anfang der 1980 verstärkt aufkamen. Den ersten “Klassiker” dieser Zeit und diesen Sounds, komponierten The Human League mit “Being Boiled”.
Und jetzt kommt der Bogen endlich wieder zu Mojo Beatnik und seinem gleichnamigen Album zurück. Da ich diesen Sound eben sehr schätze, besonders die damaligen experimentellen Phasen der Bands bspw. von The Human League, fasziniert mich das Album “Mojo Beatnik” so sehr. Und musikalisch erinnert “Mojo Beatnik” häufig an die jungen The Human League, was den Minimalismus der Instrumentierung, und die Melodien angeht. Auch die Stimme von Mojo Beatnik, die für mich eher ein mystischer Sprechgesang ist, erinnert an den The Human League Sänger Philip Oakey.
Aber auch bei anderen Songs, höre ich Liebgewonnenes durch. Bei “Fad” klingt für mich Invisble Limits mit “Push” durch. Gerne wird es aber auch mal wirklich strange wie bei “Hypnotique”, wo sich die tiefe Stimme mit dem Technobeat und wilden Synthie-Eskapaden ein interessantes Duell liefern. Extrem minimalistisch wird es bei “3.6.9”, wo der Titel gleich Songtext ist und auch mit der Instrumentierung ordentlich gespart wird.
Ferner kann man Tubeway Army bzw. Gary Numan bei den Melodien raushören. “Hex” und “Bath” sind solche Beispiele für mich. “Dope Fiend” hat definitive auch eine leichte Industrialfärbung. Überhaupt schafft es Mojo Beatnik so zu klingen, dass man das Gefühl hat, den Song zu kennen, nur um zwei Takte weiter wieder in seine eigene Welt abzutauchen.
“Possessed” ist ein sehr typischer Song, bei dem Mojo Beatnik noch vor dem Beat nervöse, spacige Klänge stellt. Nach den ersten Takten aus der Drum Maschine, läßt der Meister seine tiefe, hypnotische Stimme erklingen. Der Midtempo-Beat und die auf- und abschwellenden Spaceklänge neben der warmen, leicht dunkel romantischen Melodie, die aus dem KORG ertönt. Die nicht verständlichen Lyrics, scheinen sich mantraartig zu wiederholen, was dem Song etwas kathedrales, sakrales mitgibt. Am Ende zerlegt Mojo Beatnik den Song genial in seine elektronischen Atome, die im atonalen Chaos enden.
Fazit:
Wer wie ich diese Epoche und Sound mag, sollte unbedingt ohne Zögern zuschlagen. Der einzige Wermutstropfen ist die nicht verständliche Sprache. Aber ansonsten ist “Mojo Beatnik” ein klasse Debüt, was die gute alte Zeit durch die Verwendung der Korg Synthesizer auf der einen Seite wieder bringt, aber auf der anderen Seite den eigenen, kreativen, spielfreudigen Stil von Mojo Beatnik jederzeit erkennen lässt. Durch seine Musikalität, erzeugt Mojo Beatnik in seiner Nutshell, wunderschöne Melodienläufe und interessante Rhythmen, während die Drum Machine exakt die bestellten BPM abliefern. Herrlich.
Mein letzter Versuch Mojo Beatnik zu beschreiben: er nutzt die alten Farben, Leinwände und Pinsel, orientiert sich an den alten Meistern und malt damit aber ein Graffiti. Der Künstler verneigt sich vor den Idolen – zitiert, aber kopiert nicht.
Hilfe hat sich der Meister bei Nao Katafuchi geholt, selbst japanischer Musiker im Elektrogenre und Labelmate von Mojo Beatnik bei Kernkrach Records. Sein aktuelles Album “Stahlgrau” ist ebenfalls ein tolles Werk. Zudem plant Nao Katafuchi im Herbst ein Konzert in der Leserille in Allendorf.
Das Album “Mojo Betank” bestellt ihr am besten direkt im Kernkrach Imperium.