Mit „The Third Sleep“ legt das norwegische Trio Oak ein Album vor, das atmosphärisch gaaaanz tief taucht und stilistisch souverän Grenzen verschiebt. Wer sich auf diese Reise einlässt, wird mit einer außergewöhnlichen Klanglandschaft belohnt – irgendwo zwischen Prog, Art-Rock, Ambient und elektronischer Finesse. Es ist ein Album, das Raum lässt: für Gedanken, für Emotionen, für Interpretation.
Oak wurde in Oslo gegründet und veröffentlichte 2013 ihr Debüt „Lighthouse“, das noch stärker im klassischen Progressive Rock verwurzelt war. Spätestens mit dem gefeierten „False Memory Archive“ (2018) machte die Band jedoch klar, dass sie nicht nur nach vorn, sondern auch tief in sich hinein blicken will. Ihre Musik erinnert seither mehr an die introspektive Seite von Steven Wilson oder an die melancholische Atmosphäre von Riverside, ohne dabei den eigenständigen Sound zu verlieren.
Mit The Third Sleep geht Oak noch einen Schritt weiter. Die Songs sind dunkler, dichter, aber auch variantenreicher geworden. Wer hier klassische Songstrukturen erwartet, wird überrascht: Die Band lässt sich treiben – mal getragen, dann wieder spannungsvoll. Oder gar mit Post-Rock-Anleihen, die an Sigur Rós erinnern. Oak gelingt es, all diese Einflüsse zu einem großem Ganzen zu verarbeiten.
Das Album lebt von seiner musikalischen Vielfalt: sphärische Soundscapes wechseln sich mit spannungsgeladenen Crescendos ab, elektronische verschmelzen mit akustischen Passagen, und immer wieder überrascht die Band mit unerwarteten Wendungen – sei es ein abrupter Tempowechsel, eine fragile Klavierlinie oder ein fast cineastischer Spannungsbogen. Dabei bleibt Oak stets stilvoll und kontrolliert. Jeder Ton wirkt bewusst gesetzt, nichts ist zufällig.
Die Produktion – wie schon bei früheren Alben von dem langjährigen Mitstreiter Øystein Sootholtet mitbetreut – ist klar und warm, mit viel Raum für Details. Simen Valldal Johannessens Stimme steht oft im Zentrum – ruhig, melancholisch, eindringlich. Sie trägt durch das Album wie ein innerer Kompass durch einen nächtlichen Traum. Textlich bleibt vieles abstrakt, aber genau darin liegt ein Reiz: „The Third Sleep“ spricht mehr in Bildern und Atmosphären als in eindeutigen Aussagen – ein Konzept, das zur musikalischen Offenheit passt.
„The Third Sleep“ ist kein Album, das man nebenbei hört. Es fordert Aufmerksamkeit, gibt dafür aber umso mehr zurück. Wer sich darauf einlässt, findet hier eine tiefe, stimmungsvolle Reise durch komplexe Klangwelten. Progressive Musik muss nämlich weder laut, noch überladen sein.
Am besten besorgt ich euch dieses auch optisch sehr schmuckhafte Werk direkt beim norwegischem Label Karisma, denn dort gibt es das letzte Album „The Quiet Rebellion of Compromise“ fast geschenkt dazu.


