Endlich! Es gibt wieder Schnaps. Mit einer Platte wie keiner Anderen. Ich spreche hier wirklich von der Platte. Diese ist – ebenso wie ihr Vorgänger – auf nichts weniger als 180g mulicoloured Ökovinyl gepresst. Und als wäre das nicht schon exotisch genug, setzt die Verpackung noch einen oben drauf. Coverdruck mit Rubbellack. Krass, Alter! Das hochprozentige Punkerduo Ronald Friedrich und Christoph Lampert aus Wernigerode hat sich auch bei der Produktion seines Zweitwerks nicht lumpen lassen. Auch wenn das Teil etwas nach Autolackierereibetrieb stinken mag, ist es doch echt schön in den Händen zu halten und zu bewundern. Nur trauen tu ich mich eben nicht. Limitiert auf 300 Stück (auch wenn hier mit 1000 geprotzt wird?!), ist es eh schon eine Rarität, die man gerne unangetastet lassen möchte.
Nicht so aber den musikalischen Inhalt. Dieser ist zwar Punk und zwar deutsch, tut uns aber (zumindest jedoch mir) den Gefallen, nicht wie der 127ste neumodische Turbostaat-rip-off, oder die 128ste Feine Sahne Fischfilet-Coverband zu klingen.
Juhuu, es gibt sie noch im Jahr 2022, die Deutschpunker, die sich nicht den Trends anpassen. Schon allein dafür gibt’s anständig Beifall. Stattdessen orientieren sich Schnaps auf ihrer zweiten Platte eher an den alten und harten Sachen aus Germoney, ohne dabei ihr feines Gespür für schräge und auch geradlinige Melodien zu verlieren. Slime auf ihren ersten Releases fallen mir ein. Oder auch früher US-Hardcore, Fliehende Stürme, EA80 und Dritte Wahl, irgendwie. Schön schnell gespielte geblockte Gitarren und jede Menge Wut im Bauch. Und auch schon wie auf dem Vorgängeralbum “Perspektive: Lost” klingen Schnaps auf “Freitags: No Future” richtig fett, jedoch nicht über-produziert.
Das mit der Wut im Bauch ist insofern absolut nachvollziehbar, haben Schnaps doch auch einiges zu sagen. Und in der Regel nichts Gutes. Vorneweg: auch hier gibt es einen dicken Daumen nach oben, da sich die Band zwar intelligent, jedoch in keinster Weise überambitioniert auszudrücken weiß. Auch das unterscheidet sie (aus meiner Sicht) von der Riege all dieser neuen Deutschpunkbands, die beim Texten gern mal ein Fremdwörterbuch auf dem Tisch liegen haben.
Mein Favorit ist “Untertaucher”, ein Song für und über Anne Frank, der mich in (oder gerade wegen) seiner schlichten Ausdrucksform sehr bewegt. Ja, die Schweine, die sich Nazis nennen (ich hoffe, die Schweine dieser Welt mögen mir diesen Missbrauch ihrer Bezeichnung verzeihen?), die Deutschtümmelei, überhaupt die spießbürgerliche Existenz hierzulande. Alle bekommen sie ihr Fett weg. Schnaps geizen nicht mit Kritik, auch nicht an der Kommerzialisierung des Punk (“Halbzeitpause”). Und deshalb auch so viel Wut im Bauch. Und so viel Wut auf Platte. Das wirkt echt, das wirkt authentisch, das klingt nach Punk von hier, wie er hier schon länger fehlt.
Und wo wir gerade von Punk und Kommerz gesprochen hatten. Trotz all der Wut, können Schnaps auch Witz. Anders ist das wohl nicht zu deuten, wenn man in absolut glaubhafter und mit viel Herzblut gespickter DIY-Manier sich selbst unter dem Labelnamen SchnapsMusicIndustry veröffentlicht. Herrlich! Ich freue mich schon auf den dritten Streich, vor allem dann, wenn dieser mir wieder völlig unverhofft und ohne Vorwarnung frei Haus geliefert wird. Auch hierfür ein dickes Dankeschön, ihr zwei! Schön wäre es jetzt noch, euch auch mal live sehen zu können! Bis dahin muss ich mich wohl mit “Freitags: No Future”, oder aber auch “Perspektive: Lost” begnügen. Beide sind richtig gut und beide gibt’s am besten direkt bei Schnaps. Alles andere wäre komisch!