Es gibt Platten, die man auflegt – und es gibt Platten, die man erstmal nur anschaut. „In Ways“, das erste Album der Band Slung, fällt eindeutig in letztere Kategorie. Das Cover-Artwork ist ein echtes Highlight und verdient besondere Aufmerksamkeit: Eine symbolhafte Szene entfaltet sich in kräftigen, erdigen Tönen – eine Frau mit langen roten Haaren, gefesselt und im Wasser treibend, streckt ihre Hand einem matadorartigen Retter entgegen. Im Hintergrund: ein brennendes Haus, umrahmt von einer dunklen Schlange, die einen magischen Kreis zu formen scheint. Sterne funkeln am Himmel, während der Fluss sich durch eine stilisierte, fast märchenhafte Landschaft schlängelt. Das Ganze wirkt wie eine Mischung aus Tarotkarte, Folklore und Fiebertraum – ein Artwork, das Geschichten erzählt, bevor überhaupt der erste Ton erklingt.
Musikalisch bewegt sich „In Ways„ in düsteren Gefilden zwischen Slowcore, Shoegaze und postmetallischer Schwermut. Slung – ein Quartett aus Brighton und Hove – setzen auf langsame, brodelnde Klangwellen, auf unterschwellige Aggression, auf verletzliche Offenheit.
Schon die Vorabsingle „Laughter“ gab die Richtung vor: proggig verschachtelte Rhythmen, fette Gitarren und der kraftvolle Gesang von Katie Oldham, der sich weigert, dem Hörer alles leicht zu machen. Oldham beschreibt den Song als Abrechnung mit einem emotional abwesenden Elternteil – eine Konfrontation, die lange angestanden hat. Besonders gefällt mir dabei ihr britischer Akzent, der in den ruhigen Momenten ebenso charakteristisch hervortritt wie in den kraftvollen Ausbrüchen – das verleiht nicht nur diesem Song eine eigene Färbung und Authentizität.
Diese Intensität zieht sich durch das ganze Album. Der Sound ist tief, schwer, manchmal beklemmend. Die Band selbst beschreibt sich als eine Mischung aus Mazzy Star und Mastodon – zart und gewaltig zugleich. Das trifft es ziemlich gut. Gleichzeitig muss ich sagen: Die Gitarrenriffs wirken auf Dauer etwas zu erwartbar, teils sogar zu Alternativrock-klischeehaft. Was zu Beginn noch treibend und wuchtig daherkommt, verliert im Verlauf ein wenig an Eigenständigkeit.
Trotzdem: „In Ways“ ist ein stimmiges Debüt mit starker Haltung, das von Tiefe und persönlichem Schmerz erzählt – musikalisch wie visuell. Das Cover ist ein kleines Meisterwerk, die Produktion druckvoll und die Band ambitioniert. Für Fans intensiver, atmosphärischer Rockmusik mit düsterem Einschlag eine klare Empfehlung. Für mich persönlich bleibt die emotionale Tür einen Spalt breit verschlossen – aber ich bin mir sicher, dass andere darin völlig aufgehen werden.
Veröffentlicht wird das Album über Fat Dracula Records und es gibt sogar eine limitierte Pressung auf orangem Vinyl, die in ihrer Farbwahl perfekt zum Artwork passt. Mir liegt genau diese Edition vor, und allein schon optisch ist das ein echter Hingucker im Plattenregal.


