Hey Jungs, ihr seid ein echte Herausforderung, was Recherche und Nachforschungen über euch als Band angeht. (0) kommen aus Dänemark und haben mit „Skamhan” eins der besten Metal-Alben 2020 herausgebracht. Wie die Band dazu gekommen ist, wie sie ihre Art des Metals verstehen und leben und wie sie es mit der Herausgabe von Informationen halten, kann man im Folgenden lesen.
Wenn man sich den Namen (0) gibt, ist man entweder ein wenig naiv, was die Trefferrate bei der Suchmaschinen-Suche angeht oder man bezweckt genau diesen Effekt der Nachrichtensperre. Was trifft für euch zu? Und was ist die Story hinter der Namensgebung?
Als wir unsere erste EP aufnahmen, hatten wir noch keinen Namen und wir hatten Schwierigkeiten, etwas zu finden, das zu dem passte, was wir damals machten. Wir haben uns diese Frage gestellt: Warum gibt es überhaupt Bandnamen? Die Antwort würde von Dingen handeln, die nichts mit Musik zu tun haben. Bandnamen werden benutzt, um über Musik zu kommunizieren, und sie werden kommerziell genutzt. So entstand (0) in einem Gespräch über einen Bandnamen. Wir wollten einen Namen, der hervorhebt, dass die Musik im Mittelpunkt steht. Kein Wort konnte das wirklich ausdrücken, also landeten wir bei so wenig wie möglich – einer Null in Klammern. Im Idealfall wäre es nur eine Leerstelle gewesen, aber selbst uns war klar, dass das die Dinge für den Hörer wahrscheinlich zu kompliziert machen würde.
Wir sind dankbar, dass unser Label in der Lage ist, über die Komplikationen durch einen fehlenden Namen hinwegzusehen und versteht, dass der richtige „Name“ für diese Band (0) ist.
Eine Antwort, die einleuchtet. Im Gegensatz dazu machen dänische Bands wie BEAST Death Metal aktuell zur „Social Media Hipster Show“. Ein wahres Gewitter im Social Media – einfach omni present. Habt ihr einfach kein Bock auf das Ganze?
Die kurze Antwort ist nein. Wir haben zwiespältige Gefühle gegenüber den sozialen Medien, denn obwohl wir die Stärke und das Potenzial der Promotion durch Social Media anerkennen, stimmt etwas grundlegend nicht mit ihnen. Sie behaupten, die Menschen näher zusammenzubringen, was in gewisser Weise auch stimmt, aber auf Kosten von so viel frei fließender Fehlinformation, Hass und unaufgeklärter Massenhysterie. Wir könnten stundenlang darüber reden, aber wir werden davon absehen.
In erster Linie sind wir Musiker und konzentrieren uns auf unsere Musik, und wenn wir soziale Medien nutzen, wollen wir, dass es eine Verbindung zur Musik gibt. Wir finden uns als einzelne Bandmitglieder nicht so interessant, daher keine Metal-Posen in dunklen Fluren oder Tunneln. Nicht, dass daran etwas falsch wäre, es ist nur nicht unser Stil.
Wir arbeiten daran, in den sozialen Medien aktiver zu sein, aber es muss einen künstlerischen Wert haben und zu unserer Herangehensweise an die Musik und die Kunst, die sie umgibt, passen.
2020 gab es zwei Überraschungen am Metal-Horizont: „Skamhan“ von (0) und das Debüt der Band GRIND mit „Songs of Blood and Liberation”, welche den üblichen Metal-Klischees entgegen, ungeschminkt und ohne Kutte ganz für ihre Musik stehen. Wie weit trifft das auf euch zu und wird der extreme Metal langsam erwachsen oder gesellschaftsfähig?
Wir versuchen, so offen und frei von Grenzen wie möglich zu sein. Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf die Musik und haben nicht das Bedürfnis, uns dafür zu verkleiden. Das heißt aber nicht, dass es nie passieren wird, wenn wir irgendwann feststellen, dass es zu dem passt, was wir tun. Es ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich.
Ob etwas gesellschaftsfähig ist, hängt vom Auge des Betrachters ab. Aber eine erhöhte Exposition neigt dazu, Dinge in diese Richtung zu schieben, und extremer Metal bekommt definitiv viel mehr Exposition als früher.
Für die Salonfähigkeit spricht auch das Artwork eures Albums „Skamhan“. Man würde hier eine Singer-/ Songwriter Platte als Inhalt vermuten, als Dänemark’s heißeste Metalband? Was habt ihr euch dabei gedacht? Marketing-Gag oder Teil des Konzeptes?
Wir wollen, dass die Kunst, die die Musik umgibt, die Musik ergänzt, und wie bei der Musik wollen wir, dass das Coverbild den Hörer herausfordert. Wir wussten sofort, dass wir dieses Foto als Cover verwenden wollten, da es gleichzeitig Schönheit und Unheimlichkeit enthält. Wir wissen, dass es für eine Metal-Band ungewöhnlich ist, ein farbenfrohes Cover zu haben, aber es ist gewollt und warum sollte man nicht ein farbenfrohes Cover haben?
Die Rezensionen über euer Album haben eine interessante Gemeinsamkeit; die Einteilung in ein Genre. Wie beschreibt ihr euer Genre? Black Metal? Oder Prog? Post Black Metal auf Death Metal getrimmt. Ich bin gespannt.
Wie bereits erwähnt, arbeiten wir ohne jegliche Einschränkungen oder Grenzen. Wir betrachten uns nicht wirklich als an ein Genre gebunden, und ein Journalist nannte uns “Genre-Nihilisten”, was vielleicht die passendste Beschreibung ist. Wir haben zwar Elemente von Black Metal, Prog Metal und Post Metal in unserer Musik, aber wir bevorzugen nicht ein Genre gegenüber einem anderen.
Wenn wir Musik schreiben, machen wir das, was zu dem Stück passt, an dem wir gerade arbeiten, ohne darüber nachzudenken, ob wir uns an bestimmte Genres halten oder nicht. Das Einzige, was für uns wichtig ist, ist, dass es nach (0) klingt, aber das hat nichts mit Genres zu tun.
Wie erklärt ihr die Aktualität des Genres Black Metal, welches bis vor kurzem nur durch Kunstblut und unleserliche Bandlogos aufgefallen ist, weniger durch spannende, richtungsweisende Releases? Heute ist das Genre absolut salonfähig. Begrüßt ihr diese Entwicklung?
Wir begrüßen alles, was die Musik für mehr Menschen zugänglich macht. Wir denken nicht, dass Musik in Gesellschaften für die “Auserwählten“ eingeteilt werden sollte. Wenn diese Entwicklung des Black Metal also Hörer anzieht, die sich diese Art von Musik vorher nie angehört hätten, muss das doch eine gute Sache sein, oder?
Definitive, da habt ihr absolut recht. Skandinavien ist Metal und Metal ist auch Skandinavien. Wie seid ihr zur Musik gekommen? Was waren eure Vorbilder bzw. mit welchen Metaleinflüssen wurden (0) musikalisch sozialisiert?
Skandinavien hat sicherlich viele großartige Metal-Acts hervorgebracht (muss an der Kälte und der Dunkelheit liegen). Wir lassen uns von einer Menge verschiedener Musik inspirieren, und Metal ist ein großer Teil davon, aber auch Rock, Pop, Jazz und klassische Musik. Wenn man sich einen Track wie „Sortfugl“ anhört, gibt es in der Mitte einen Teil, der sehr nach The Cure klingt. Das war nicht unsere Intention, aber es passt zum Song. Es ist also schwierig, bestimmte Bands als Inspirationsquellen zu benennen, da wir fünf Individuen mit sehr unterschiedlichen Wurzeln sind.
Diese Vielfalt an Einflüssen hört man dem aktuellen Album “Skamhan” an. Es ist ein Feuerwerk an Melodien, besticht durch unglaublich dichte flirrende Atmosphäre, dann wieder mit sehr ruhigen Passagen mit meditativem Charakter, wonach aber wird wieder nach vorne marschiert wird. Beispiel hierfür ist einer meiner Lieblingssongs: „Skarntynder“. Aber auch „Sortfugl“ hat so etwas Charakteristisches: die Melodie stürmt in den Himmel, es folgt der Wechsel in die dann doch eher Death Metal Riffs, läuft mit Prog-Breaks weiter und endet im eher sanften Midtempo. Bei soviel Kreativität, stellt sich mir die Frage, wie geht ihr an das Songwriting an? Was kommt zuerst Text oder Musik? Was macht einen (0)-Song aus?
Normalerweise arbeiten wir an vielen kleinen Teilen, die wir irgendwann zu etwas Zusammenhängendem zusammenfügen. Die Texte entstehen oft nebenbei, sobald sich ein Thema herauskristallisiert. Manchmal ist der Text aber auch schon fertig und muss nur noch an den Song angepasst werden, an dem wir gerade arbeiten. Ein (0)-Song ist ein (0)-Song, wenn er wie ein (0)-Song klingt. Es klingt kitschig, aber Tatsache ist, dass wir kein Rezept als solches haben, aber wir wissen genau, was zu tun ist, um einen Track (0)-artiger zu machen. Bandintern bezeichnen wir diesen Prozess als „etwas durch die (0)-Maschine schicken”.
Wir wollen, dass ein Song den Hörer auf eine Reise mitnimmt. Er muss den Hörer berühren; er muss die Gefühle und Emotionen vermitteln, die in den Text und die Komposition einfließen. Einige Tracks sind wirklich roh und primitiv, wie Gefühle von Neid oder Hass, während andere Tracks komplexer und dualistischer sind, wie Gefühle von Scham oder Schuld.
Warum nehmt ihr euch durch die dänischen Texte eine Dimension ein breiteres Publikum zu erreichen?
Wir schreiben auf Dänisch, weil es unsere Muttersprache ist, und es ist der beste Weg, um das auszudrücken, was wir ausdrücken wollen. Klar, wir könnten auch auf Englisch schreiben, aber wir wären nicht in der Lage, das gleiche Maß an Details und sprachlichen Eigenheiten in die Texte zu bekommen.
Nun haben wir irgendwo gelesen, dass es in der russischen Sprache mehr als 100 Wörter für Schnee gibt, und es wäre wahrscheinlich fast unmöglich, diese Wörter in russischen Texten zu verwenden und sie dann ins Englische zu übersetzen, ohne dass dabei etwas Finesse verloren geht. Wir haben keine 100 Wörter für Schnee im Dänischen, aber der Punkt ist, dass immer, wenn man etwas von einer Sprache in eine andere übersetzt, die Möglichkeit besteht, dass etwas in der Übersetzung verloren geht.
Nehmt das Wort „Skamhan“, das ist kein Wort, das in der dänischen Sprache existiert, sondern ein Wort, das aus den Wörtern „skam“ und „han“ besteht, was „Scham“ und „männlich“ bedeutet. Wir sind uns ziemlich sicher, dass das Wort „Shamemale“ nicht den gleichen Geschmack, die gleiche Farbe und die gleiche Temperatur wie im Dänischen hat, und wir würden es wahrscheinlich nicht verwenden, wenn wir auf Englisch schreiben würden.
Das ist nachvollziehbar. Kommen wir zu eurer Zusammenarbeit mit der Produzenten-Legende Rasmussen (Metallica – Master of Puppets). Was Songintensität und –längen angeht, gibt es da Parallelen. Aber die entscheidende Frage ist, wie kam es zur Kooperation mit einer solchen Instanz? Wie seht ihr seinen Anteil am Album, am Sound?
Wir hatten das Glück, das Album in den Sweet Silence Studios aufnehmen und mischen zu dürfen, wobei Patrick Fragtrup von Wolf Rider Sound Production an den Reglern drehte. Flemming Rasmussen hat das Album gemastert, was für uns etwas ganz Besonderes war. Wir kennen Flemming, da sein Studio direkt neben unserem Proberaum liegt. Diejenigen von uns, die mit dem Hören der alten Metallica-Platten aufgewachsen sind, waren natürlich bei den ersten paar Malen, die wir mit ihm gesprochen haben, ziemlich ehrfürchtig. Aber er ist ein toller Kerl, und er hat wirklich die letzten Prozente aus dem Album herausgequetscht.
Was liegt euch mehr: Studio oder Live? Und was war bisher euer größtes Live-Event?
Wir lieben beides, aber es sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Im Studio können wir kreativ sein und mit unserem Ausdruck spielen. Es ist sehr prozessorientiert, was einige mehr als andere genießen. Konzerte sind eher ein kurzzeitiger Energieausbruch, aber ungemein befriedigend und es gibt uns auch die Chance, der Musik eine zusätzliche Ausdrucksebene in Form von Live-Visuals hinzuzufügen, die wir mitbringen, wann immer es möglich ist.
Ich glaube nicht, dass wir ein bestimmtes Konzert als das größte Erlebnis bezeichnen können. Unser erstes Konzert vor ein paar Jahren in Aarhus beim Royal Metal Fest war etwas Besonderes, weil es das erste Mal war, dass (0) sich der Öffentlichkeit zeigte. Aber seitdem hat sich viel verändert, und wir sind jetzt eine viel bessere Live-Band, und haben ein viel stärkeres Team um die Band herum.
Dänen haben einen großen Nationalstolz, aber auch einen sehr selbst-ironischen Humor. Was bedeuten euch in diesem Zusammenhang die Top 3 der dänischen Symbole: LEGO, Hot Dog und HYGGELIG? Was bedeutet euch eure Heimat Dänemark?
Um ehrlich zu sein, sind wir uns nicht sicher, ob wir LEGO als etwas besonders Dänisches betrachten. Ja, es wurde in Dänemark erfunden, aber heute ist es ein weltweites Markenzeichen, wobei der Großteil der Produktion woanders stattfindet.
Ich denke, wir alle genießen hin und wieder einen Hot Dog, und wir vermuten, dass der Hot Dog und vor allem der „Pølsevognen“ (der Würstchenwagen) eine ziemlich dänische Sache ist.
„Hygge“ ist zweifellos ein dänisches Phänomen, das weltberühmt ist, weil es sehr dänisch und sehr schwer zu erklären ist. Es beinhaltet, dass man in einem schummrig beleuchteten Raum nicht wirklich etwas tut, oder so ähnlich. Die Dänen tun es oft, wissen aber nicht wirklich, wie sie es erklären sollen.
In vielerlei Hinsicht ist Dänemark ein großartiges Land, um darin zu leben. Wir haben eine gute soziale Absicherung für diejenigen, die sie brauchen, kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung, und wir haben die aktuelle Covid-19-Pandemie ziemlich gut gemeistert (zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich dies schreibe).
Aber es ist auch ein sehr teures Land, um darin zu leben. In Europa schlägt uns darin wahrscheinlich nur Norwegen, und unsere Arbeits- und Verbrauchssteuern gehören zu den höchsten der Welt (bis zu 52% Einkommenssteuer und bis zu 150% auf Autos – das sind hundertfünfzig!).
Wollt ihr noch etwas los werden?
Danke, dass wir dabei sein durften, und danke fürs Zuhören. Hoffentlich ist 2021 Schluss mit der Covid-19-Pandemie, so dass wir alle wieder die Freiheit genießen können, auf Konzerte zu gehen und mit Freunden und Familie zusammen zu sein, ohne Einschränkungen und Angst vor Krankheiten.
Vielen Dank für das sehr interessante Interview, in dem wir doch eine Vielzahl an Informationen und Hintergründen erfahren durften.
Lagartija Nick Dezember 2020
Band im Netz:
http://0bandofficial.com/
https://www.instagram.com/0bandofficial/
https://napalmrecords.com/deutsch/zero.html
Fabulous interview, although this is still not my sort of music. Nevertheless an interesting read and I even learned something about the Danish and Russian language.
Sympathische Band und eine saugute Platte, auf der sich harte und atmosphärische Parts so wunderbar zusammenfinden.