Herzlich willkommen zurück! Das hier ist immer noch 3 Platten für die Ewigkeit und mittlerweile sind wir jetzt schon bei der vierten Ausführung dieser kleinen Rubrik. Nachdem ich in der letzten Ausgabe ein wenig mit den Kuchenpunks vom Punk You Want Radio schnacken durfte (Hier! geht’s zum Interview) begeben wir uns heute wieder zurück in die schriftliche Form und auf die Bühne. Denn dort trifft man meist auf Schirdi von den East End Chaos, wenn er nicht gerade versucht Schallplatten zu verkaufen. In dem folgenden Gespräch geht es also um seine Band, selbstverständlich um seine persönlichen 3 Platten für die Ewigkeit und auch um das ein oder andere unbequeme Thema.
Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Schirdi, schön dass es nach ein paar Anläufen jetzt funktioniert hat und wir Zeit gefunden haben! Stell dich doch mal kurz unseren Leser*innen vor.
Ja Hallo, ich bin der Schirdi, bin 80er Jahrgang und bewege mich, seit ich 15 bin, in der Punksubkultur. In meinen Anfängen habe ich in verschiedenen Bands gespielt (u.a. Scheißhausterror, Sperrmüll) und habe jetzt seit 2015 die Ehre mit netten Menschen in der Band East End Chaos sein zu dürfen. Und wenn ich nicht selbst Musik gemacht habe, hat man mich eigentlich immer vor der Bühne gesehen. Unter anderem habe ich mich in der ganzen Zeit auch hin und wieder an der Organisation von Konzerten oder an der Durchführung von Konzerten beteiligt. Man kann also durchaus sagen, dass ich immer irgendwo mit rumgewuselt habe.
Wir kennen uns aus deiner Tätigkeit als Schreihals von East End Chaos, gebe mir doch gern mal einen kleinen Anriss zu eurer Geschichte und was noch viel wichtiger ist, wann darf man sich auf neue musikalische Ergüsse von euch freuen?
Ja wie schon gesagt, uns gibt es jetzt seit 2015 und wir haben seitdem 2 Platten veröffentlicht. “An all die Leute” wurde 2015 als CD und online veröffentlicht und enthält 2 selbst aufgenommene Lieder sowie 5 im Studio aufgenommene und 2018 folgte dann eine EP mit dem Namen Robin Hood.
Zu neuen Sachen: Das Ganze ist bereits im Kasten! 12 neue Songs von denen wir bis jetzt nur ein paar Live gespielt haben. Es wartet also viel neues Material. Aufgrund von ein paar Problemen beim Presswerk und ähnlichen, kann ich aber noch nicht genau sagen, wann wir das ganze veröffentlichen. Stand jetzt werden wir im Spätsommer/Herbst es als CD selbst veröffentlichen und gegen Ende des Jahres wird dann über Contra Records die Schallplatte veröffentlicht, wozu es dann noch eine standesgemäße Record-Release geben wird.
Da freut sich das Herz! Als eure Heimbasis gilt Löbau und da befindet sich ja der Jugendclub Klinik e.V., der ja über die Jahre schon ein zuverlässiger Zufluchtsort ist für Menschen die subkulturelle Musik konsumieren wollen. Vor ein paar Jahren musste die Klinik ja umziehen, kannst du da etwas zu sagen und wie hat sich das ganze am neuen Standort entwickelt?
So viel kann ich dazu gar nicht sagen, da ich kein Vereinsmitglied bin. Ich habe mich zwar hin und wieder freiwillig gemeldet, wenn am Einlass mal Personalmangel bestand, kann jetzt aber keine tieferen Einblicke ins Vereinsleben liefern.
Fakt ist allerdings, dass ein angrenzendes Gebäude zum alten Klinikstandort verkauft wurde und als Hotel umgebaut werden sollte, was dann dazu führte, dass die Klinik umziehen sollte. Alles superärgerlich, aber wenn man sich die neuen Räumlichkeiten anschaut, ist daraus schon was neues Schönes entstanden. Eine schöne Entwicklung ist auch, dass jetzt in den neuen Räumlichkeiten auch Skat-Runden von älteren stattfinden und ähnliches die jetzt wiederum sehen, dass die Leute von der Klinik ja gar nicht so verrückt sind und man vielleicht ein falsches Bild des ganzen hatte. Ab und an finden jetzt auch Drum’n’Base Partys und ähnliches statt. Was ich gut finde, denn warum sollte so ein Freiraum in der heutigen Zeit nur für Punk und ähnliches genutzt werden, wenn andere Subkulturen auch händeringend nach Freiraum suchen?
Kann ich dir nur zustimmen! Ich war ja zu Ostern mal da und war wirklich begeistert von den neuen Räumlichkeiten, egal ob das der Konzertraum, Bar-Raum, sanitäre Anlagen oder solche Dinge wie die Akustik im Konzertraum sind!
Du stammst auch aus einer ländlichen Region, wie empfindest du die aktuelle Situation von Punk in der Provinz? Ich habe das Gefühl, dass Punkrocker*innen aus der Provinz stellenweise zu faul und/oder zu bequem geworden sind.
Puh, schwierig. Also für uns als Band ist das schwierig einzuschätzen da für uns gerade alles wieder los geht. Klar ist es in Orten wie Görlitz, Löbau oder Bautzen schwieriger einen Saal vollzubekommen als es das in Dresden ist, dennoch glaube ich nicht, dass das nur an faul oder bequem liegt. Ich denke das Problem liegt eher darin, dass die Subkultur in der Provinz kleiner ist. Egal ob das jetzt darin liegt, dass immer mehr Leute in die Großstädte ziehen oder am fehlenden Nachwuchs. Die Leute, die auf dem Land geblieben sind, werden ja auch alle älter, haben Kinder, gehen arbeiten. Da wundert es mich nicht, dass die kleinen Klubs in der Provinz weniger Zulauf bekommen als es das zum Beispiel in größeren Städten wie Dresden, Berlin etc. bekommt.
Wirklich ein schwieriges Thema. Und wo wir gerade bei schwierigen Themen sind: Kommen wir doch mal zu deiner ersten Platte, du hast mir ja bereits im Vorfeld zu verstehen gegeben, wie unfair du 3 Platten findest, umso gespannter bin ich jetzt auf deine Auswahl!
An der Stelle will ich gern noch mal loswerden, dass das wirklich fies ist. Ich hatte zwar meine Liste relativ schnell zusammen, habe aber immer wieder hin und her überlegt, ob ich nicht irgendetwas wichtiges vergesse. Allein „3 Platten für die Ewigkeit“. Das lässt ja schon Spielraum. Gemein.
Sei es drum.
Meine erste Platte ist von Benediction und zwar handelt es sich dabei um die Scriptures LP. Jetzt werden einige bestimmt überrascht sein, dass ich eine Death-Metal-Platte wähle, für mich vereinen Benediction aber alle Musikstile, die ich gern höre. Benediction spielen eine Art Metal die, finde ich, stark von Punkrock beeinflusst ist. Ähnlich wie GBH, kommen Benediction auch aus Birmingham und irgendwie hört man diese Verbindung auch. Die vereinen für mich Death-Metal, Hardcore weil es groovt und die Melodien kommen oft sehr punkig um die Ecke. Geile Musik, geile Band, geile Platte. Absoluter Anspieltipp von mir ist Stormcrow.
Apropos Schallplatten. Du machst ja nicht nur Musik, sondern vertreibst ja auch ab und an welche. Fresskacki Records heißt das Ganze dann. Für was genau steht Fresskacki und wie ist es entstanden?
Angefangen hat Fresskacki eigentlich nur damit, dass ich viel zu viele Schallplatten hatte, das kann man ruhig mal so sagen. Und irgendwie hat mich das an genervt, dass da so viel Geld rumsteht und gleichermaßen so viel Scheiße auf der Welt passiert – dazu kam noch, dass ich sehr hundelieb bin.
Aufgrund dessen war ich immer sehr traurig und frustriert, wenn ich gesehen habe, wie mit diesen Lebewesen so umgesprungen wird und da dachte ich mir – irgendwie muss ich denen doch helfen können und so habe ich angefangen einige meiner Schallplatten aus meiner Sammlung zu verkaufen und das Geld für beispielsweise Tierheime o.ä. zusammen zu sammeln. Irgendwann kam dann die Idee mit dem Namen Fresskacki und das ganze über Discogs zu vertreiben. Da ich aber ein alter Mann bin und gerade schon Probleme hatte hier meinen Skype-Account zu öffnen (beide lachen), habe ich dann, wie auch heute mit meinem Skype Account, Hilfe von Israr bekommen, der die ganzen gespendeten Platten katalogisiert und bei Discogs online gestellt hat.
Irgendwann haben wir dann zusammen mit Contra Records und Steeltown Records noch unsere erste Scheibe An all die Leute als Schallplatte veröffentlicht.
Mittlerweile konnten wir schon eine nette Summe über diese kleine non-Profit Idee sammeln und einige Spenden weiterleiten.
(Hier! geht’s zum Discogs-Link von Fresskacki)
Sehr schöne und unterstützenswerte Sache die ihr da auf die Beine gestellt habt! Kommen wir doch direkt mal zu der zweiten Platte die du mitgebracht hast.
Okay, dann kommt jetzt eine Platte, die mich ein wenig aus einer Punk-Durststrecke befreit hat. Ich hatte eine Weile das Problem, dass mich im Punkspektrum über einen längeren Zeitraum nichts mehr richtig abgeholt hat, bis dann Telekoma mit ihrer Platte Die Wurzel allen Übels um die Ecke kam.
Ehrlich, trocken, in die Fresse – einfach geil. Und nicht nur die Musik ist ein absoluter Schmaus, auch optisch ist das Ding eine echte Granate. Da krieg ich schon Gänsehaut, wenn ich nur dran denke, was sich da alles unter dem Cover verbirgt. Wirklich – ich könnte mir jeden Tag die Platte zumindest anschauen, da ist richtig viel Arbeit reingeflossen. Deutschpunk ist eigentlich gar nicht unbedingt meine Musik, ich gehe da eher mit den älteren Sachen wie Schleimkeim oder so, mit den neueren Sachen, circa ab den 2000’ern, kann ich leider nicht viel anfangen. Aber dass was Telekoma hier verzapft haben, ist wirklich grandios. Anspieltipps sind hier für mich schwierig – eigentlich alles ein Hit, wenn ich mich aber entscheiden müsste sind das vermutlich Kein Herr kein Knecht, Egal wie hoch oder Habgier.
Okay, dann kommen wir doch jetzt mal zu dem Thema, warum ich überhaupt so angefixt war, dass wir dieses Interview führen. Ich hatte das große Glück euren Liveauftritt zusammen mit Loikaemie in Bischofswerda zu sehen. (Hier! geht’s zum Bericht)
Während des Auftritts kam es zu einer, für mich, echt schönen Szene. Als ihr Diese Tage gespielt habt, ein Lied was mir schon immer gut gefiel, mir aber nie so richtig die Bedeutung klar wurde, hattest du einen wirklich emotionalen Moment auf der Bühne und hattest etwas mit den Tränen zu kämpfen als das vor dir stehende Publikum lauthals mitgesungen hat. Ein Moment, der mich wirklich in der kalten erwischt hat und ich habe mich gefühlt, als ob ich gerade das erste Mal das Lied richtig gehört habe und habe mich gleich mal schockverliebt. Was verbindest du mit dem Lied?
Eins muss ich eingangs gleich mal klarstellen, ich singe bei East End Chaos zwar die Texte, schreibe die aber kaum, das liegt einfach daran, dass ich das nicht kann. Ich kann zwar Stichpunkte zu einem Thema zusammenfassen, wie es das beispielweise beim Lied Robin Hood war, schaffe es aber nicht, dass ganze als ein Text zusammen zu fassen.
Diese Tage war auch so ein Lied, bei dem ich mit Stichpunkten in den Proberaum kam und wir den dann zusammen als Text fertig geschrieben haben. War dir denn direkt bewusst, worum es in dem Lied geht?
Tatsächlich nicht, ich mag das Lied schon immer, habe es aber bis zu dem Liveauftritt eher als ein typisches Oi!-Punk Lied verstanden, welches eine Art Steh-Auf-Mentalität vermitteln soll. Das darin Depressionen, Burnout und ähnliches thematisiert werden, wurde mir erst bei dem Auftritt in Bischofswerda richtig bewusst.
Interessant. Mir sind da schon ähnliche Dinge widerfahren mit dem Lied, die allerdings nicht so sachlich waren wie jetzt von dir. Umso schöner, dass du das jetzt so empfindest und nicht dagegen wetterst, wie das andere tun. Auf der Kehrseite sind aber auch einige zu mir oder uns gekommen, die den Text direkt so verstanden haben und sich, ja, fast bedankt haben.
Naja, es ist nun mal so, dass ich Depressionen hatte, da gibt es nichts schön zu reden. Wahrscheinlich sogar einen Burnout, vermutlich sogar beides, ich weiß es nicht. Als ich damals bei meiner Ärztin war, hat die das erst etwas abgetan mit den üblichen Sprüchen (Naja haben se sich halt bisl überarbeitet, das wird schon wieder etc.). Als ich ihr dann aber erzählt habe, dass ich mir auf dem Heimweg überlegt habe mit dem Auto in den LKW zu steuern, nur damit alles vorbei ist, hat sie dann zum Glück mir schnell eine Überweisung zum Psychologen gegeben. Das kannst du bitte auch alles so reinschreiben, das soll jeder wissen der das hier liest und vielleicht hindert das jemand daran beziehungsweise bestärkt sie/ihn sich Hilfe zu suchen.
Das ist kein Thema, was wir tabuisieren sollten, sondern wir müssen darüber reden. Ich hatte das Glück, dass mich der Gedanke an meine Familie, meine Freundin daran gehindert hat. Andere haben, das vielleicht nicht und die sollen wissen, dass es Menschen gibt, die das gleiche durchgemacht haben oder durchmachen.
Es gab Tage da saß ich in meinem Laden und hab den erstmal zugeschlossen damit ich eine halbe Stunde in Ruhe heulen kann – ich hing einfach durch. Und dann war ich bei einer Psychologin, erst jede Woche, aller 2 Wochen, einmal im Monat, nur noch alle 3 usw. – und irgendwie wars weg. Ich werde einen Teufel tun das zu hinterfragen, wo es hin ist – Fakt ist, dass es mir heute wieder gut geht.
Ich weiß, dass es schwer ist für jemand der das nicht hat zu verstehen, irgendwie kann man es auch gar nicht so richtig erklären. Aber am Ende des Tages beschreibt es Diese Tage an einigen Stellen sehr passend.
Ich muss da auch noch ein paar Dinge zu loswerden. Erstens: Danke und tiefen Respekt, dass du darüber so offen sprechen kannst und schön, dass du deinen Weg gehen konntest und es dir jetzt besser geht! An alle Leser*innen möchte ich da jetzt nur noch ein paar kleine Zeilen senden: Wenn es euch schlecht geht, wenn ihr derartige Gedanken habt, dann fresst es nicht in euch, sondern sucht euch Hilfe. Das ist kein Grund sich zu schämen und vor allem seid ihr nicht allein. Der Weg wird auch nicht einfach sein, aber er lohnt es sich zu gehen! (Anlaufstellen: Deutsche Depressionshilfe, deutsche Depressionsliga)
Da wir jetzt gerade bei dem Thema sind, du meintest ja bereits im Vorfeld, dass deine dritte Platte eine ist, die dir sehr über diese Zeit geholfen hat. Um welche handelt es sich denn und warum?
Die letzte Platte mag ich schon viel länger, als die Zeit, in der ich mit Depressionen zu kämpfen hatte. Aber irgendwie, hat sie an Bedeutung gewonnen.
Allein wenn ich an den Sänger denke, habe ich eigentlich gute Laune, wir sind mittlerweile glaube ich schon seit den 90ern befreundet oder bekumpelt. Ich muss nur an ihn denken und bekomm nasse Augen, weil er mir so viel Freude bereitet und bereitet hat. Die Platte, die jetzt kommt, ist auch nur stellvertretend da ich eigentlich jede von ihm hätte nehmen können, aber schlussendlich ist es jetzt The Pillocks mit No Good for Nothing geworden mit meinem Freund Ian Beer am Gesang.
Leider ist das die Einzige, die es auf Schallplatte geschafft hat, ich hätte sonst nämlich eher die Got the Edge genommen, die gibt es aber nur auf CD. Da ist nämlich zum Beispiel ein Lied drauf, welches Fresskacki heißt.
AH! Ich sehe die Verbindung.
(lacht) Genau! Aber zurück zur No Good for Nothing. Irgendwie empfinde ich alles um Ian und um diese Band als sehr aufbauend, da es mir eine ordentliche Portion Freude bereitet. Was vielleicht auch an den Ska-Einflüssen hin und wieder liegt. Egal, jedes Mal, wenn ich was von Ian, oder den Pillocks höre habe ich gute Laune! Anspieltipps auf der Platte sind für mich zum Beispiel Bad Taste Tattoos, Be careful oder Punkrockstar.
Witziger und echt großartiger Nebenfakt, Pillocks haben auf jedem ihrer Alben, das letzte Lied einer Gastband geschenkt. Auf der Got the Edge CD, war das zum Beispiel eine heute noch ziemlich aktive Ska-Punk-Band aus Bernau.
Danke Schirdi für deine Zeit, deine offenen Worte und für das schöne Gespräch!
Danke dir auch für das schöne Gespräch und bis bald!
Danke auch an euch fürs Lesen und wir lesen, beziehungsweise hören uns das nächste Mal zur fünften Ausgabe von 3 Platten für die Ewigkeit wieder, auch wenn der nächste Termin und Gast noch nicht feststeht.