Zur Zeit finden viele Frauen aus sehr aktiven Frauen-Bands in unsere Interview-Reihe und so folgt nun nach SHIRLEY HOLMES und Laura von den TAPE SHAPES diese Woche eine weitere wahnsinnig umtriebige Frau: Freut euch auf ermutigende und interessante Worte von Kat aus der Band 24/7 DIVA HEAVEN!
Hallo Kat, vielen Dank, dass du bei unserer Interview-Reihe mitmachst. Gefunden habe ich dich durch einen Aufruf in der Facebook Gruppe GRRRL NOISY, wo ich immer mal nach neuen Interview-Partnerinnen suche. Du bist Mitbegründerin der Seite bzw. des Projektes, in dem ihr Jam Sessions für ausschließlich Frauen* organisiert. Was war die Motivation für dieses Projekt und was wollt ihr damit erreichen? Gibt es Kritik an dem Konzept? Geht die Vernetzung der Frauen dort über das Projekt hinaus?
Hallo liebe Chrissi, erst einmal: Herzlichen Dank für die Einladung zum Interview!
Die Idee, eine Jam-Session für Frauen* (*alle Personen mit weiblicher Erfahrung in der Vergangenheit oder Gegenwart, trans-included) ins Leben zu rufen, geisterte in den Köpfen meiner eigenen Band 24/7 DIVA HEAVEN schon länger herum. Die Idee entstand überwiegend aus unseren eigenen Erfahrungen und Enttäuschungen heraus, die wir auf „gemischten“ Jam-Sessions sammelten, bei denen wir immer das Gefühl hatten, entweder nicht ernst genug genommen zu werden oder gerade wegen unseres Geschlechts besonders beäugt und kommentiert zu werden. In vielen Gesprächen mit anderen Musikerinnen haben wir festgestellt, dass es einem Großteil sehr ähnlich geht und manche sich deswegen sogar nie getraut haben, sich überhaupt in einer Jam-Session mit anderen auszuprobieren. Die Berichte über solche Hemmungen häuften sich und etliche berichteten von üblen Kommentaren und Bemerkungen. Uns war klar, hier haben wir es mit einem strukturellen Problem zu tun – hier müssen wir etwas unternehmen. Und so haben wir im letzten Jahr beschlossen, das GRRRL NOISY Kollektiv ins Leben zu rufen und unsere eigene Jam-Session-Reihe zu gründen.
Wir möchten mit GRRRL NOISY einen Raum schaffen sich ohne Druck auszuprobieren, zu vernetzten und sich gegenseitig zu unterstützen, also den Community-Gedanken weiter vorantreiben. Musikerinnen aller Professionalitätsstufen können mitmachen, sich austauschen, Mitmusikerinnen finden und Erfahrungen sammeln. Selbstverständlich sind auch jene eingeladen, die noch kein Instrument spielen oder nie auf der Bühne standen, dies aber in Zukunft gerne tun und auch einfach mal ausprobieren wollen. Es herrscht eine lockere Atmosphäre, es gibt Snacks und kühle Getränke und ein schwarzes Brett, wo frau ein Gesuch aufgeben oder auch etwas anbieten kann, sei es Unterricht, Equipment und mehr. Wir haben auch bereits einen Podcast und diverse Videointerviews veröffentlicht und in Zukunft werden wir auch Workshops und Vorträge zu den für uns relevanten Themen anbieten.
Unser Ziel ist es, das Selbstbewusstsein der Musikerinnen zu stärken, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Skills auszubauen und / oder Hilfestellung, um musikalische Fantasien in die Tat umzusetzen. Gerade, wenn man immer schon mal vor hatte ein Instrument zu spielen oder eine Band zu gründen, bisher aber noch nicht den Mut aufgebracht hat, ist man bei GRRRL NOISY genau richtig.
Es gab in unserer Gründungszeit auch Kritik an unserem Vorhaben. Vielen war nicht klar, warum es so eine Veranstaltung überhaupt braucht und einige glaubten, dass eine Veranstaltung, die männliche Personen ausschließt, den Unterschied zwischen den Geschlechtern noch mehr hervorhebt. „Wir sind doch alle gleich“, hieß es dann. Allerdings sind die Voraussetzungen für Frauen, die in der Musik starten wollen, noch längst nicht die gleichen wie die für männliche Musiker. Und genau hier setzten wir mit GRRRL NOISY an.
Unsere Community ist in kurzer Zeit schnell und stetig gewachsen, das eine oder andere Projekt und Freundschaften sind bereits daraus entstanden und die Vernetzung der Teilnehmerinnen geht definitiv jetzt schon oft über ein bloßes, lockeres Zusammentreffen hinaus. In Zukunft möchten wir weiter wachsen und hoffen, dass noch viele weitere Musikerinnen und musikinteressierte Frauen den Weg zu uns finden, sich trauen und aus sich herausgehen, denn es ist definitiv an der Zeit für ein diverseres Bild auf den Bühnen dieser Welt.
Da trefft ihr mit Sicherheit einen Nerv! Wirft man einen Blick in deinen Lebenslauf, wird schnell klar, dass du in der Musikbranche sehr aktiv bist. Angefangen mit einem Praktikum bei Sony Music in Berlin über eine Ausbildung in FFM bei Wizard Promotions bist du inzwischen Head of Booking bei Sound of Liberation, machst Festivalplanung, betreust Künstler*innen und agierst auch als Tourmanagerin. War das ein steiniger Weg bis hierhin? Hast du viel Support erfahren oder dir alles selber erkämpft?
Wenn ich mir meinen Lebenslauf so vor Augen halte, muss ich selbst ein wenig schmunzeln. Ursprünglich war ich Studentin der Soziologie und Politikwissenschaft, bis ich mir in den Kopf gesetzt hatte, dass ich mein Hobby Musik und Konzerte veranstalten doch auch hauptberuflich ausüben könnte. Mein besonders starrköpfiger Dickkopf hat dann dafür gesorgt, dass ich nicht locker gelassen habe, bis sich eine passende Gelegenheit geboten hatte, mich in diesem Berufsfeld zu beweisen: über Merchandise Verkauf für befreundete Bands, Mithelfen bei lokalen Festivals bis hin zum selbstständigen Organisieren von kleineren Konzerten in meinem ehemaligen Wohnort Darmstadt kam ich in Kontakt mit vielen verschiedenen Leuten aus der Musikbranche, deren Kontakte ich mir fleißig notierte, mir sozusagen ein eigenes kleines Netzwerk geschaffen habe. Damals aufkommende soziale Netzwerke, wie z.B. Facebook haben dann dafür gesorgt, dass man auch über die lokalen Grenzen hinaus in Kontakt blieb – gleichzeitig wuchs der Wunsch meine Brötchen mit „Musikarbeit“ zu verdienen mehr und mehr. Irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst und eine Bewerbung für ein halbjähriges Praktikum bei SONY MUSIC in Berlin abgeschickt. Zu meiner Überraschung wurde ich hierfür angenommen – und so nahm alles seinen Lauf…
Hat man einmal den Fuß in der Tür, kann man damit schon einiges machen. Und ja, es gab viele Leute, die mich auf diesem Weg unterstützt haben. Als das Praktikum in Berlin vorbei war, entschied ich mich zunächst dafür nach Hessen zurückzukehren und der damalige A&R bei uns im Büro in Berlin, Volker Mietke, hat eine Empfehlung für mich nach Frankfurt ausgesprochen, was dann meine nächste Station war: WIZARD PROMOTIONS. In meiner Frankfurt Zeit habe ich einiges über die Musikbranche gelernt, mein eigenes Profil geschärft und viele weitere Kontakte geknüpft, die mir in all den Jahren bis hin zu meiner jetzigen Position als Head Of Booking bei SOUND OF LIBERATION nützlich sind und waren und woraus auch einige innige Freundschaften entstanden sind. Viele Leute waren mir wohlgesonnen in den letzten Jahren und wenn man seine Sache gut macht, wird es immer Menschen geben, die dir den nötigen Wind in die Segel geben. Was nicht heißt, dass es immer leicht ist. Gerade als Frau in der Branche.
Damit sind wir gleich beim nächsten Punkt: Wie sieht es mit den Männern in deinem Tätigkeitsfeld aus? Behandelt ihr euch auf Augenhöhe und wo gibt es Verbesserungsbedarf? Fühlst du dich manchmal aufgrund deines Geschlechts benachteiligt oder nicht ernst genommen?
An dieser Stelle will ich zunächst einmal hervorheben, dass ich mit vielen sehr großartigen und anständigen Leuten in den letzten Jahren zusammengearbeitet habe, und ich keineswegs alle männlichen Teilnehmer der Musikwirtschaft über einen Kamm scheren möchte. Es gibt so viele, für die es überhaupt keinen Unterschied macht, welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst, wie du aussiehst oder welche Nationalität du hast. Für diese Menschen bin ich sehr dankbar, denn ich musste persönlich durchaus auch negative Erfahrungen sammeln:
So passiert es häufiger, dass ich mit Kolleg*innen in einer Gruppe zusammen stehe – zum Beispiel auf einem der jährlichen Branchentreffen wie dem Reeperbahn Festival – und von neu dazustoßenden männlichen Kollegen erst mal nicht begrüßt oder beachtet werde, weil ich ja wahrscheinlich „bloß die Assistentin oder Freundin“ von jemandem sei und damit keinen wirklich nützlichen Kontakt darstelle. (Gruß an die, die sich angesprochen fühlen: auch Freundinnen und Assistentinnen freuen sich über einen Gruß und gerade letztere erledigen vieles der eigentlichen Hauptarbeit). So etwas ist tatsächlich schon häufig passiert, was mich jedes Mal aufs Neue empört und mich dazu anstiftet, mich und andere Kolleginnen nochmal besonders deutlich in einem Gruppengefüge vorzustellen, da man sonst leicht übersehen oder ignoriert wird.
Bei einigen Kollegen, häufig auch der „alten Schule“, die seit 30 Jahren und länger dabei sind, habe ich leider häufig offen frauenfeindliche Aktionen beobachtet: Seien es körperliche Grenzüberschreitungen, üble Witze, die weit unter die Gürtellinie gehen und auch ungenierte Kommentare, die deutlich machen, dass das weibliche Gegenüber jetzt nicht ganz für voll genommen wird. Ich könnte an dieser Stelle viele kleine Beispiele aufzählen. Diese mögen zwar Einzelfälle sein, ergeben aber in der Summe ein Bild, das zwar längst nicht die gesamte Musikbranche abbildet, aber dennoch nicht verschweigen kann, dass es hier weiter Handlungsbedarf und viel Platz nach oben gibt. Nach wie vor beobachte ich hier auch weiterhin Gefälle im Gehaltsgefüge, auch hier kann unsere Branche noch weiter lernen und wachsen und ich bin dankbar für alle Kolleg*innen, die diese Missstände erkennen und sich auch hier für eine Angleichung einsetzten.
Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, wie setzt du das in deinem täglichen Leben um?
Ja, die Bezeichnung Feministin trifft wohl heute auf mich zu. Hättest du mich das vor 10 Jahren gefragt, hätte ich wahrscheinlich etwas länger darüber nachdenken müssen, da mir erst in den letzten Jahren viel bewusster wird, welche Mechanismen und falsche Glaubenssätze mich und andere Mädchen und Frauen seit klein auf beeinflussen und welche Strukturen für die ständige Reproduktion von Ungleichbehandlung verantwortlich sind. Ich habe mir früher sehr viel mehr gefallen lassen und habe geglaubt, dass man das einfach über sich ergehen lassen muss, weil die Dinge einfach „so sind“. Mittlerweile habe ich mehr Mut gewonnen, Ungerechtigkeiten offen anzusprechen. Ich möchte nichts mehr in mich hineinfressen, sondern versuche, besonders ehrlich mit mir selbst und meinem Umfeld umzugehen. Etwa direkt anzusprechen, wenn ich mich angegriffen oder ungerecht behandelt fühle. Auch heute noch fällt mir das nicht immer leicht und oft bin ich auch müde, zum 100x einen kecken Spruch zu erfinden wenn jemand wieder sagt: „Für eine Frau spielst du ganz schön gut Gitarre“ – aber ich denke es ist wichtig den Mund aufzumachen und Menschen auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen, andere Frauen zu unterstützen, wenn ihnen offen Ungerechtigkeit oder sogar Gewalt widerfährt und vor allem für diejenigen das Wort zu ergreifen, die selbst dazu nicht in der Lage sind. Das ist die Verantwortung, die ich im täglichen Leben tragen möchte. Und ich muss ständig an mir arbeiten, Gegenwind auszuhalten und nicht in alte Muster zu verfallen. Glücklicherweise habe ich in meinen Bandkolleginnen und den Frauen in unserem GRRRL NOISY Kollektiv ein paar wunderbare Mitstreiterinnen gefunden: Wir unterstützen uns hier gegenseitig in dieser Sache!
Du machst auch selbst Musik mit 24/7 DIVA HEAVEN. Wie lange machst du das schon? Was denkst du, warum das Verhältnis von Männern und Frauen auf der Bühne oft so unausgeglichen ist und hast du Ideen, wie wir das verändern können?
24/7 DIVA HEAVEN ist so eine Art Befreiung für mich! Durch die Musik kann ich mich ausdrücken, anders, als ich das in meiner täglichen Booking Arbeit am Schreibtisch tun kann. Sie ist mein Sprachrohr, um meinen Groll nach außen zu tragen und in fruchtbare Aktionen umzuwandeln – wie zum Beispiel unser GRRRL NOISY Projekt.
Das Verhältnis auf der Bühne ist unter anderem deshalb so unausgeglichen, weil es sich nie wirklich etabliert hat, dass junge Frauen in ihrer Freizeit zusammen jammen, so wie es „junge, wilde Kerle“ in ihren Teenager Jahren tun und ihren Idolen versuchen nachzueifern. Klar gab es immer auch Musikerinnen und große Künstlerinnen, dennoch fehlte es zumindest in meiner Jugend eindeutig an genügend weiblichen Vorbildern: Girls, die eine laute E-Gitarre gespielt haben oder an den Drums saßen. Woher soll es also kommen?
Ich selbst habe mit 13 angefangen Gitarre zu spielen und war auch ziemlich schnell Teil einer Rockband (oben bereits erwähnter Dickkopf). Ich fühlte mich dennoch immer als Exotin, da niemand von meinen Freundinnen so wirklich mitgemacht hat, da das einfach nicht gang und gäbe war. Und ich habe auch oft unter großen Selbstzweifeln gelitten, die sich bis ins Erwachsenenalter gezogen haben und auch heute noch nicht komplett verstummt sind.
Wir brauchen definitiv mehr weibliche Vorbilder und mehr Angebote speziell für junge Frauen. Wir müssen mit Sätzen aufhören wie „das gehört sich aber nicht für ein Mädchen“ und müssen unsere Töchter in ihren Ideen bestärken, ihnen Horizonte eröffnen und Möglichkeiten bieten und vor allen Dingen vorleben, dass es keine Grenzen gibt, nur weil frau eine Frau ist. Dies gilt selbstverständlich auch für nicht-binäre Personen und all diejenigen, die in irgendeiner Art und Weise nicht der „Norm“ entsprechen.
Ich habe die Hoffnung, dass irgendwann alles gut werden kann. Wir müssen uns ständig darum bemühen, uns regelmäßig als Gesellschaft hinterfragen und die Errungenschaften der Vergangenheit nicht als selbstverständlich ansehen. Dann können wir wachsen.
Bei all dem, was dich so umtreibt – gibt es ein besonders schönes, schlimmes oder einfach sehr großen Eindruck hinterlassendes Schlüsselerlebnis im Konzertbereich, das du hier mit unseren Leser*innen teilen willst?
Da fällt mir direkt eine unserer ersten GRRRL NOISY Jam Sessions ein: eine Freundin von uns – um die 50 Jahre jung – brachte ihren neuen E-Bass mit. Sie erzählte, dass es ihr absoluter Teenagertraum war, in einer Band zu spielen. Diesen hat sie jedoch nie verwirklicht, nun aber kürzlich angefangen, Bassunterricht zu nehmen. Es gesellte sich eine andere Freundin dazu, die ebenfalls ganz frisch angefangen hatte, Gitarre zu spielen. Beide hatten Lust sich mal mit anderen auf der Bühne auszuprobieren, trauten sich aber partout nicht rauf auf die Bretter. Der Tenor: „Wir können ja noch gar nix“! Nach einem längeren hin und her schlug ich vor, dass die beiden doch einfach „nur“ zwei Akkorde / Töne, die beide schon kannten, auf der Bühne zusammen spielen könnten. Nur zwei Töne, nichts anderes. Einfach klingen lassen, ohne Druck jemandem etwas beweisen zu müssen. Nachdem beide ein paar Mal tief durchgeatmet hatten, standen sie auf der Bühne und haben losgelegt. Dabei entstand eine Magie sondergleichen, sodass sich daraufhin direkt eine etwas erfahrenere Schlagzeugerin dazu gesellte. Die drei Ladies jammten mindestens 10 Minuten gemeinsam versunken in den Klängen: diese glitzernden Augen der beiden werde ich niemals vergessen! Vor allem unsere Freundin mit dem Teenagertraum schrieb uns im Nachhinein noch mehrmals, wie viel ihr diese Erfahrung bedeutet hat und wie wunderbar dieses Erlebnis für sie war. Mich hat das zu Tränen gerührt und war ein absolutes Schlüsselerlebnis für mich: wie wichtig es ist, dass man manchmal einfach loslegen muss, und wie befreiend es ist, Hürden zu nehmen und die eigenen Ängste zu überwinden.
Was denkst du, wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Ich persönlich sehe da nicht „den“ einen Auslöser. Es ist vielmehr ein Prozess: die gesteigerte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, der öffentliche Diskurs findet den Weg in die einzelnen Branchen und zwingt Unternehmen, Führungspersonen und Kolleg*innen zum Nachdenken und Umdenken. Frauen lassen sich immer weniger gefallen, und man spürt überall: so kann es nicht weitergehen. Kampagnen, wie zum Beispiel „Me-Too“, tragen ihren großen Teil dazu bei, dass Missstände endlich nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden und die Themen die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.
Kommen wir zu einem heiklen Thema: Was hat Corona für dich in der Veranstaltungsbranche verändert? Ist die “Zwangspause” Fluch und Segen zugleich? Was denkst du, wie es danach weitergeht?
Ein schwieriges Thema. Ich denke, dass es ziemlich vermessen wäre eine solche Krisenzeit als Segen zu bezeichnen, da es schlicht um Existenzen geht. Es herrscht eine große Unsicherheit, niemand kann sagen, wie es weitergeht. Das ist eine sehr belastende Situation und über das was kommt, kann man nur mutmaßen. Sicher ist, dass diese Zeit nicht alle unbeschadet überstehen werden und dass die Krise Opfer fordert. Zudem werden Ungleichheiten, die vorher schon existierten, noch weiter verstärkt: viele Kolleginnen befinden sich nun im Home-Office und müssen zugleich die Kinderbetreuung organisieren, worunter ihr Arbeit leidet. Kommerziell sehr erfolgreiche Bands verdienen weiterhin ihr gutes Geld, da braucht es oft keine Live Konzerte, um genügend Gelder zu generieren, wohingegen Bands aus dem Underground Bereich darauf angewiesen sind durch die Lande zu touren um sich einen Namen zu erspielen. Clubs und Festivalveranstalter sind in Zukunft noch einmal mehr darauf angewiesen Acts zu buchen, die genug Geld einspielen und die noch weniger bekannten Künstler*innen bekommen kaum eine Chance. Ich könnte noch unendlich so weitermachen, aber auf Dauer führt das zu nichts. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als so gut es geht optimistisch in die Zukunft zu blicken und flexibel zu bleiben, für alles, was da kommt. Hoffen wir das Beste!
Gibt es noch andere Projekte speziell für Frauen im Musikbusiness, die du unseren Leser*innen ans Herz legen möchtest?
Absolut! Es entstehen ständig neue, spannende Projekte und Ideen in unserem Umfeld und ich bin gespannt, was da noch alles in Zukunft kommen wird:
Frauen, die eine Band gründen wollen, empfehle ich zum Beispiel die Plattform WE FORMED A BAND, ins Leben gerufen von der Berliner Band GURR. Diese haben letztes Jahr in verschiedenen Städten dazu eingeladen, mit ihnen über Bandgründung, Songwriting und Weiteres rund um das Thema Bandgründung zu diskutieren – und das hat eine Menge Anklang gefunden! Aktuell kann man sich über die WE FORMED A BAND Instagram Seite vernetzen und informieren, denn dort werden regelmäßig Musikerinnen Gesuche veröffentlicht, bzw. können Interessierte auch selbst ein Gesuch aufgeben. Es lohnt sich, da mal reinzuschauen!
Des Weiteren kann ich die Plattform MUSIC WOMEN GERMANY sehr empfehlen: Hier kann man sich als „Musikfrau“ eintragen, ein eigenes Profil erstellen, andere Musikfrauen suchen und finden und Beratungs- und Unterstützungsangebote wahrnehmen, etwa zum Thema Gründung, Finanzierung, Förderprogramme… Eine sehr, sehr gute und sinnvolle Sache!
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Lasst euch nicht unterkriegen, glaubt an euch, unterstützt euch gegenseitig! Lasst euch nichts gefallen und macht den Mund auf, wenn ihr euch ungerecht behandelt fühlt. Und holt euch Unterstützung – denn gemeinsam können wir etwas bewegen!
Vielen Dank für das tolle Interview, Kat!