In Zeiten wie diesen, müssen wir Vinyl-Liebhaber unsere lieb gewonnenen Vinyl-Quellen unterstützen. Ob Versand, Neuwaren-Laden oder ie hier der Second-Hand Laden. Deshalb an dieser Stelle ein Interview mit dem Besitzer der Leserille im Sauerland.
Es ist Wochenende und Zeit mal wieder bei Hans-Georg in der Leserille in Sundern-Allendorf vorbeizuschauen, auf einen netten Plausch, einen Kaffee und vielleicht den ein oder anderen Vinylfund. Das Auto bahnt sich den Weg die Serpentinen hoch, ich durchquere ein größeres Waldstück und nach einigen Feldern und Wiesen rechts und links, fahre ich auf das Dorf Allendorf zu. Hier hat sich Hans-Georg Lehnert im umgebauten Stall eines wunderschönen Steinhauses einen Traum erfüllt.
Das Klingeln einer echten Glocke an der Stalltüre klingt vertraut und ich betrete die Leserille. Es ist ein wahrer Vinyl-Palast; hier finden sich zehntausende Platten, Maxis, Singles aller Couleur sowie Bücher, aber auch gebrauchte, wieder in Schuss gebrachte HiFi-Komponenten. Wer möchte, kann sich hier zur ersten Vinylplatte direkt die Anlage mit kaufen. Das interessante Angebot wird vervollständig durch legendäre Waffeln (absolutes Geheimrezept) aus eigener Produktion, Kaffee und Bier. Hans-Georg sieht seine Leserille als Treffpunkt für Schallplattensammler und Musikliebhaber an. Wer mag kann einfach mit Hans-Georg über Musik fachsimpeln oder sich mit anderen gleichgesinnten Kunden austauschen. Die Ungezwungenheit zeichnet Laden und Besitzer definitiv auch aus. Hans-Georg seine Favoriten (das ist im Sauerland grammatikalisch richtig) sind eher die elektronischen Wave-Sachen aus den Achtziger, aber auch die aktuellen Veröffentlichungen des Genre verfolgt er mit Interesse, da er ab und an noch als DJ tätig ist.
Der größte Teil des Vinyl-Angebots ist Second-Hand-Ware von unterschiedlicher Qualität und so werden die Preise vor dem Kauf individuell mit dem Chef verhandelt. Bei größeren Mengen, gibt Hans-Georg auch schon mal Mengenrabatt. So gibt es nur wenig ausgezeichnete Ware, lediglich der kleine Teil an wirklich Neuware bzw. an Releases aus neuem Vinyl ist preisgekennzeichnet.
Hans-Georg war früher auf Flohmärkten unterwegs, bevor er 2006 in dem 150 Jahre alten Bauernhof begann Bücher und Vinyl anzubieten. Damit ist die Leserille einer der absolut ungewöhnlichsten Plattenläden, die ich kenne, was das Ambiente und Angebot angeht. Wer sich einen optischen Eindruck verschaffen möchte, kann die Leserille auf youTube bewundern.
https://youtu.be/aBIe3Vl93cs
Zunächst einmal muss man sich fragen, woher kommt der Name „Leserille“?
Als ich mir Gedanken machte über einen griffigen Namen, kam mir selber keine super Idee und so veranstaltete ich einen Wettbewerb über die Kunden: Wer hat einen Namen für mein Geschäft? Und so kam von einer Kundin „Leserille“ dabei heraus. Das Wort beinhaltet die Hauptmedien, die ich hier anbiete: Bücher und die Rille der Schallplatte.
So wird ein Schuh daraus. Was genau bietest du denn in der Leserille an? Hier gibt es ja zahlreiche Regale, Ecken und Bereiche, wo es nur von Waren wimmelt.
Es gibt vom Sachbuch über Romane einfach alles, auch zahlreiche Kinderbücher. Dann das Hauptangebot: die Tonträger; Kassetten, CDs, und natürlich Schallplatten. Vervollständigt wird das Angebot durch ein wechselndes Angebot an HiFi-Komponenten, die alle überholt und funktionsfähig sind. In allen Bereichen mache ich auch Ankäufe.
Viele Plattenläden haben heutzutage ein Standbein im Netz. Hast du aktuell ein On-Line-Angebot oder planst du so etwas?
Da mache ich noch gar nichts. Mir ist es am liebsten, wenn die Kunden hier vorbeikommen. Sie können z.B. die Platten selber in die Hand nehmen, auf Qualität prüfen, mal reinhören usw. Außerdem hat man nur im Laden eine Atmosphäre und kann auf den Kunden eingehen.
Da hast du Recht, gerade die Größe deines Angebotes ist wirklich beeindruckend, da brauchst es doch bestimmt mal deiner Hilfe beim Suchen. Weißt du was du hast oder bist du nur gut sortiert?
Ganz ehrlich? Ich habe die Übersicht verloren! Klar weiß ich manches, aber schon mal kommt es vor, dass einige Stammkunden auch anderen Kunden einen Tipp geben können, die haben nämlich schon öfters einige Kisten durchforstet.
Dieses Suchen hat für viele Liebhaber was Meditatives. Wie bei der Goldsuche. Hattest du schon einmal einen echten Vinyl-Schatz dabei?
Ja, kommt selten vor, aber neulich war eine alte Platte von Comus (eine Band aus den 70ern, die Prog-Musik machten), dabei. Die originale LP wird so von 300 bis über 1000€ gehandelt, je nach Zustand. Aber wie gesagt eher selten. Ich persönlich denke, der Großteil meiner Kunden sucht nicht, sondern findet.
Woher kommen deine Kunden, machst du irgendwo speziell Werbung?
Die meisten empfehlen mich weiter. Also die gute alte Mund-zu-Mund-Propaganda. Zusätzliche bediene ich alle gängigen Social Media Kanäle Instagram, Facebook usw. Da gucken viele Sammler gerne rein und finden mich.
Im MINT-Magazin, einer vorzüglichen Zeitung für Vinylliebhaber machst du auch Werbung. Zudem verkaufst du das MINT in der Leserille. Was hat es mit der Geschichte mit dem Mint-Bus auf sich?
Dieser „Mint-Bus“ ist ein alter umgebauter Schulbus vollbeladen mit Schallplatten zum Verkauf. Es ist also ein rollendes Geschäft und dieser Bus ist eben zu bestimmten Terminen unterwegs in ganz Deutschland, manchmal auch an Standorten, wo ein Plattenladen ist. Ich war auch schon mit diesem in Kontakt wegen eines Termins hier vor meiner Leserille, aber dann kam die Corona Welle…
Das war bestimmt ärgerlich, da es die Chance gewesen wäre, die Leserille wieder ein wenig bekannter zu machen. Es ist bestimmt nicht leicht, so einen Laden zu führen. Was sind die Herausforderungen aus deiner persönlichen Erfahrung, einen solchen Laden zu führen und was begeistert dich daran?
Das Hobby mit dem Geschäftlichen zu verbinden.
Das klingt sehr einfach. Aber du hast neben der Leserille auch noch eine Familie; wer gehört alles dazu und wieviel Zeit bleibt für die Familie? Wie groß ist das Opfer, das deine Familie bringen muss oder teilen deine Frau oder die Kinder die Leidenschaft für Musik?
Meine Frau und ich teilen uns dieses große Haus mit samt unseren vier Kindern. Da ist eigentlich Platz genug, aber wenn ich z.B. eine große Sammlung aufkaufe, dann stehen überall im Haus Schallplatten herum. Ich habe nämlich noch keinen separaten Lagerraum dafür. Dann gibt es hier kein Zimmer (außer im Bad!), wo es keine Platten gibt. Auch die beiden Mädels (6 und 11 Jahre). haben natürlich schon Benjamin-Blümchen Platten usw. und einen Plattenspieler im Zimmer stehen.
Ansonsten profitieren ja nur alle davon; die Kleine, Esther, hilft mir schon mal die CDs zu sortieren, die Größere, Eva, kann schon die Plattenwaschmaschine bedienen und der dritte im Bunde, Jonathan mit 15, kann manchmal helfen, wertvolle Platten anhand der Verkaufspreise, die manchmal im Netz erzielt werden, zu ermitteln. So kann sich jeder auch ein kleines Taschengeld verdienen. Und: wenn mal wieder gähnende Langeweile auftritt, ist es ja nicht weit, sich mit Lesestoff einzudecken….
Das klingt ja nach einer Vinyl-Familien-Betrieb. Das bringt mich zu der Frage; neben dem Angebot im Laden, hast du bestimmt eine eigene Sammlung. Wie groß ist deine eigene Sammlung?
Meine eigene Sammlung fällt da eher bescheiden aus, es sind fast nur Platten aus den 1980er, New Wave, Neue Deutsche Welle, Punk. Das sind ungefähr 2000 Stück.
Du hast die Leserille neben deinem Beruf geführt. Nun planst du die Öffnungszeiten zu erweitern und auch im Bereich neues Vinyl ein wenig aufzurüsten. Was erwartest du für die Zukunft?
Ich erwarte, so Gott will und ich lebe, dass ich zu Hälfte von meinem Geschäft leben kann. D.h., ich habe dann noch einen Teilzeitjob, der zusammen dann mit dem Laden das Einkommen ergibt. Das heißt, daß ich meinen Laden in Zukunft dann auch öfters öffnen werde.
Seit einigen Monaten veranstaltest du auch am Wochenende Themenabende – was hat es damit auf sich?
Diese Idee, wir nennen es Stammtisch, kam auch von den Kunden. „Lass uns doch mal was zusammen machen“ und so haben wir angefangen, uns in gemütlicher Runde zu treffen. Und, da es ja ein Schallplattenstammtisch ist, auch spezifische Themen rund ums Vinyl mit einzubringen. Die Themen sind ganz verschieden, z.B. hat jemand etwas über die Anfänge der Synthesizer erzählt oder ein Fan der Drei Fragezeichen hat einen Abend über das Europa-Label und dann über die Fragezeichen erzählt. Mehr oder weiteres ist geplant, aber auch da im Moment natürlich schwierig durch zu führen.
Du legst neben der Leserille noch gerne Platte auf. Wo kann man dich sehen bzw. hören und wie sehen deine Setlists aus? Was spielst du am liebsten? Hast du alltime-Favorites?
Ja, bin gerne auch als DJ unterwegs, lege nur mit Platten auf und am liebsten natürlich die 80er! Kann aber ebenso auch einen Abend mit Old School Musik machen. Ich sollte mal nach einem Gesangsvereinsfest die Musik im Anschluss übernehmen,- oh, dachte ich, was nimmst du denn da am besten mit?? So packte ich erst mal alles ein, von den Oberkreinern, Kirmesmusikanten und Schlagern bis zu den 80ern! Am Ende lief es doch wieder super mit den 80ern, die können durchaus den Schlagern Konkurrenz machen, zu Not kommt dann die neue deutsche Welle!! Im Laden und in den Medien veröffentliche ich regelmäßig, wann und wo ich auflege.
Ich habe zu danken für das Interview. Meine Frau und ich, haben wieder die Waffeln (Geheimrezept) genossen und ein paar Vinyl-Scheiben sind wieder unterm Arm gelandet. Man geht zufrieden auseinander – und ehrlich, was will man denn mehr? Die Glocke läutet wieder und verhallt. Man freut sich schon auf das nächste Mal in der Leserille.
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Lagartija Nick
This place doesn’t seem to be too far away from where I live. Your excellent interview and brilliant photos give me a good idea of this lovely place. Well done.
Sympathischer Laden. Man möchte direkt hinfahren und sich mit Büchern und Platten eindecken.
Gute Idee. Bitte mehr davon.
Hi, ein guter Bericht. Als Stammkunde kann ich das Lob nur unterstreichen!
Hallo,
ich selbst bin da auch häufig vor Ort, wo kommst du her?
Und wie bist du auf das Interview gekommen?
LG
Thomas