“[…] in der Blutlache spiegelte sich erneut meine eigene Angst, und wieder: Ich sah den Tod lächeln! […]” Diese Textzeile aus dem 1992er Album “Das Sterben ist ästhetisch bunt” verknüpfe ich wie keine andere mit Goethes Erben. Vor knapp 30 Jahren hat sie sich in mein Gehirn unauslöschlich wunderbar eingebrannt.
Schon damals zog mich die unverkennbare Stimme des Masterminds Oswald Henke in seinen Bann, die man aus tausenden wiedererkennt. Es fällt mir unsagbar schwer die Musik von Goethes Erben zu kategorisieren. In den 1990ern nannten wir es “Neue Deutsche Todeskunst“, zu der Bands wie Das Ich oder Relatives Menschsein gerne gezählt werden. Goethes Erben fühlten sich da nie zugehörig und es passt auch nicht, denn dieses Musikprojekt ist eben keine klassische Band sondern spätestens seit dem Ausstieg von Mindy Kumbalek 2007 ein wechselndes Ensemble an Künstler*innen unter der Leitung von Oswald Henke, die abwechselnd Musiktheater spielen, Kammerkonzerte geben oder klassisch als Band die Bühnen erobern. 2020 veröffentlichten Goethes Erben ihr aktuelles Album “Flüchtige Küsse” bei Dryland Records, wobei der Vertrieb direkt über Oswald Henke läuft. Man schreibt ihm ganz direkt eine E-Mail und erhält die aktuelle Merch- und Tonträgerliste, die sich wirklich lohnt, denn ähnlich kreativ wie bei seinen Musikkompositionen ist er auch bei seiner Merchandising Auswahl. Bei Konzerten ist es ja oft so, dass man die neuen Stücke in Kauf nimmt, um die Klassiker zu hören. Ich hatte letztes Jahr die Möglichkeit, Goethes Erben unter Corona Bedingungen mit vielleicht 70 anderen Zuschauer*innen erleben zu dürfen. Sie gingen als Kammerensemble (Flügel, Cello & Gesang) auf Tour und präsentierten auch ihr aktuelles Album “Flüchtige Küsse”, was auch in dieser Besetzung aufgenommen wurde. Durch diese Instrumentalisierung ist das Album natürlich sehr ruhig gehalten. An dieser Stelle schreibe ich gerne, dass ein Downloadcode fehlt, um auch die Möglichkeit zu haben, die Musik unterwegs hören zu können. Dafür sind Stücke “Heldenuntergang”, “Aushalten” oder “Seelenschatten” jedoch einfach nicht gemacht. Henke schrieb schon immer Stücke, die man nicht nebenbei hören sollte und darf sondern lädt seine Hörerschaft dazu ein, sich auf die Musik einzulassen. Wer zeitgenössische Lyrik mag, kommt an diesem Album nicht vorbei.