El Mariachi – Crux. Nach einer Endlosigkeit an Jahren hat sich die Band wieder zusammen gefunden, dort in Göttingen, wo auch schon alles begann, so Mitte der 1990er Jahre.
Da ich das muntere Treiben von Rusty Meyer am Mikro schon eine Weile verfolge – in der Zwischenzeit lies er seinen Gesangsmelodeien bei Balboa Burnout und (noch immer) bei Drunk Motorcycle Boy freien Laut – habe ich mich sehr über diese Reunion und den einhergehenden Tonträger gefreut.
Zuersteinmal: ich habe hier die goldene Coverversion (Numero 40 von 150) der Platte vorliegen, da ich sie mir bei Sabotage Records bestellt habe. Irgendwelche verschlungenen Wege verhinderten, dass sie als Promo zu mir kam, was mich aber nicht hinderte, wie ihr seht. Gut Ding will Weile haben, Beharrlichkeit obsiegt und wo genau die Crux vergraben liegt, werde ich versuchen mit den ersten paar Songs herauszufinden. Beim Herausnehmen fällt mir ein Haufen Gratisgeld entgegen, welches auch die erste Singleauskopplung in Form eines Videos war:
Mannometer ist das eine megacoole Merchidee! Aber nun zur Musik: ganz wundervoller, intelligenter, kritischer, hochmelodischer, deutschsprachiger Punkrock erwartet mich, der, sobald die Scheibe aufgelegt ist, leider in Dauerrotation laufen muss; und ich werde nicht enttäuscht.
Seite 2 hatte ich mal wieder zuerst aufgelegt. Ich scheine da ein Faible für zu haben, wer meine Reviews hier verfolgt; mal abgesehen davon, dass ich das wahnsinnig gerne erwähne. “Gratisgeld” ist ein witziger Clip geworden und wie alles, was die Band macht: DIY. “schadlos halten” mit dem großartigen Text und den weiblichen Vocals dazu:
und jeder Mensch, wohin er will, jederzeit
Der Rausschmeißer ist “back on Träxxx”, in dem es um die Rückkehr der Band geht. Ein flotter, geradeheraus gespielter Song, Gangshouts, der Lust auf ein wahnsinnig geiles Konzert macht. Denn Tobi ist auch noch ein super Typ, bei dem man gerne mitgeht und mitfühlt, wenn er auf der Bühne steht.
Kommen wir zu Seite 1: den Start gibt ein Intro mit Piano und Rockgitarren, ein wenig melodramatisch, ja, die Trompeten geben den Rest Pathos noch obendrauf. Danach kommt passenderweise ein Song mit dem Titel “die Feste”. An Startnummer drei “Nazi-Gold” und wer jetzt denkt, man könne nur den Titeln den tieferen Sinn der Songs abwringen, der irrt.
Es ist wirklich ein ganz ganz tolles Album geworden!
Ich verfolge die Band seit gefühlten 100 Jahren, kaufte mir auf einem Konzert von Los Nuevos Mutantes eine Single mit so einem süßen Delphin drauf, den ich nach dem ersten Hören dann erstmal zwischen den andern Kollegen im Regal schlafen gelegt habe. Ich reagierte auf Empfehlung, die sei ganz toll, doch Mitte der 90er war ich ein klein wenig härter drauf. Mehr so NYHC. Oder engstirniger, wer weiß, haha!
El Mariachi sind seitdem straighter und ernster geworden, wobei sie von ihrer Haltung, diese auch klar zu äußern und vom Tempo nichts auf der Strecke haben liegen gelassen.
Beispielsweise “Fexy Future” ist ein recht melancholisches Stück mit einer wundervoll kraftvollen Ansage, nicht unbedingt neu, doch ich denke, jedesmal wenn das wieder besungen wird, kommt es in den Kopf eines neuen Hörers.
wir scheißen auf ein Heimatland
Um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, das dürft ihr gerne selbst tun an euren heimischen Geräten oder auf einem ihrer Konzerte, die Platte hat eine Laufzeit von unter 30 Minuten. Die Band spielt melodisch mit Punk, mit Hardcore, verliert sich nicht in wabernde, solizuckende Gitarren und kommt auf den Punkt, in den Lyrics und in der Musik. Hat trotzdem etwas Wildes und Roughes, schmeckt nach Leidenschaft. Den Knackpunkt, die Crux, habe ich nicht direkt gefunden, ich denke, die Band meint die gesellschaftlichen Zusammenhänge, das Zusammenleben, was nicht immer funktioniert. Somit steckt in jedem Song auch eine Crux. Denn Crux bedeutet auch “seelischer Schmerz”.
kein Mensch auf dieser Welt
muss dir erklären wie’s hier läuft
denn du weißt ganz genau
du willst kein Teil davon sein
(Nostalgamus)
Nie wurden mir eine solche Aussage so höflich melodisch ins Gesicht gesungen. Normalerweise hagelt es da Crust-Bassgitarren-Gewitter.
Danke, El Mariachi weiß mich ein weiteres Mal zu begeistern. Im November 2021 erschienen, hier zum 6ten Mal aufm Plattenteller. Und bei den Reviews, die sich hier stapeln…. da kann ich schon von sehr großer Freude sprechen! Besorgt euch auch diese wehmütige Freude bei Sabotage Records oder flight13
PS: Die Single, ich habe nochmal reingehört “wenn Blicke töten” ist wirklich Mid- End-90er Hardcore-Punk, doch irgendwie angepisster und schneller, als ich sie in Erinnerung hatte.
Attitüde war “guck mich nicht so an”, Freundschaft und Liebe sind die wichtigsten Dinge im Leben. Da hat sich wohl bis heute nichts daran geändert.