Acht Eimer Hühnerherzen veröffentlichen mit „album“ ihr zweites Album nach dem überraschend fulminanten Debüt „s/t“ aus dem Jahr 2018.
„Du, Mausebärchen, solange wir warten bis der Heiße Hexe Mikrowellenfraß fertig ist, lass mal nebenbei die Hühnerherzen hören.“
„Ok Schatz, das ist eine gute Idee. Schön „Polenböller“ anmachen und die ganzen Fremdwörter überhören. Oder „Gesellschaftstanz“, das kann man so runter hören.“ „Genau, die Stimme ist so unauffällig, die stört nicht so.“ „Schau mal, der Tankwart winkt aus der Texaco heraus, das Essen ist fertig. Hol du mal, dann lass ich den GTI schon mal warm laufen“
Dieses Gespräch wird so nie stattfinden. Gibt mehrere Gründe.
1. Niemand nennt seinen Partner oder seine Partnerin Mausebärchen. Hoffe ich doch mal!
2. Das Convenience-Food-System „Heisse Hexe“ das von Ende der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre in Deutschland populär war und Mikrowellen Essen zum selbsterhitzen in Tankstellen, Kiosken und Trinkhallen anbot, gibt es nicht mehr. Die Tankstellen-Kultur hat seit dem Ende dieser Marke sehr gelitten. Autoprolls jeglicher Coleur- VW Golf Idioten, Opel Volltrottel und anderes Geschmeis- trafen sich in den Abendstunden der Wochenenden um sich bei lauwarmen Billigfleisch-Abfällen im Pappbrötchen gegenseitig die Leistungsfähigkeit ihrer getunten Kackautos zu präsentieren. Dabei hörten sie wahlweise Euro-Dance oder Onkelz. Wenn ich es mir recht überlege hat die Tankstellenkultur doch nicht so gelitten.
3. Die Marke „Texaco“ gibt es in Deutschland nicht mehr. Heißt jetzt irgendwie anders, ist trotzdem der selbe scheiß Ölkonzern.
4. Tankwarte gibt es auch nicht wirklich. Also nicht in der Form, dass sie sich um ihre Kunden kümmern, sich um den Reifendruck sorgen, liebevoll die Fliegenscheisse von der Windschutzscheibe putzen oder Bescheid sagen wenn die Heiße Hexe fertig ist. Gibt es wahrscheinlich nur in Werbefilmen von Texaco. Heutzutage gibt es Kassiererinnen und Kassierer. So sieht’s aus.
5. Acht Eimer Hühnerherzen hört man nicht so nebenbei. Man hört sie nicht runter. Denn obwohl die Instrumentierung immer noch recht gefällig ist (Akustik Gitarre, Akustik Bass, Minimalschlagzeug, ab und an wird mal ein Effektpedal geschaltet) spaltet die Band die Gemüter. Ich kenne niemanden, der die Band aus Berlin als Konsensband bezeichnet. Entweder liebt man sie oder man hasst sie.
Das liegt zum einen an Apocalypse Vega, deren Gesang einen hohen Wiedererkennungwert hat, der mich an Annette Benjamin( Hans-A-Plast), Annette Humpe von Ideal oder auch an Nina Hagen erinnert. Alles drei Musikerinnen, die ich sehr mag und die das gleiche Gefühl vermitteln wie Frau Vega (obwohl die Musik natürlich nicht wirklich zu vergleichen ist). Muss man aber mögen…
Zum anderen sind die Texte nicht immer direkt zugänglich, man muss an manchen Stellen schon nachdenken, manche Textstellen wirken wie Fragmente, wie rausgespuckte Sätze. Es ist Großstadtlyrik. Ein Landei hat keinen Bezug dazu, einen Text wie „Somnambulismus“ kann ein Dörfler nicht verstehen. Wenn du auf dem Land lebst ist es egal wenn du schlafwandelst. Du wachst so oder so in der Einöde auf. Ob im Bett oder nicht, macht dann auch keinen großen Unterschied mehr.
Auch die gespürte Melancholie in „Gesellschaftstanz“ dürfte für Treckerfahrer Alltag sein, ein Lied wie geschrieben für die Quarantäne in Corona Zeiten.
„Hallo“, der zweite Track dagegen ist so simpel und doof und deshalb auch unnötig, sowas kann man auf einem Debüt als „Filler“ bringen, hier nervt es mich.
Textlich gibt es bei den anderen Liedern ansonsten viel zu entdecken, mir macht es viel Spaß den Ergüssen zu lauschen und nicht nur Textzeilen wie „Ich wäre gern Feministin mit Tourette, oder superschlau“ lassen mich doch das ein oder andere mal schmunzeln.
Musikalisch sind sich die drei treu geblieben, auch auf „album“ spielen sie akustischen Indie-Power-Pop mit Punk-Attitüde, wobei Pop doch sehr groß geschrieben wird, sie selbst nennen es mittlerweile „Nylon-Punk“.
Eine tolle Scheibe, die ohne Probleme mit dem Debüt mithalten kann.
Als einziges Manko würde ich das Cover bezeichnen, das durch eine zeitlose Geschmacklosigkeit in Kackbraun besticht.
Wer sie noch nicht kennt, sollte sie antesten, wer sie kennt und nicht liebt soll weiterhin Mikrowellenfraß essen.
Ich liebe sie.
Hier könnt ihr euch das Album direkt bestellen: jpc I flight13
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