Die Liste im Innenband des Buches “Alles Dunkel dieser Welt” von Mark Lanegan liest sich wie ein Who is Who der Rockmusik, u.a. Nick Cave, Dave Grohl, Lucinda Williams, Bobby Gillespie und Michael C. Hall. Das Buch ist eine biografische Reise durch das Leben eines Künstlers, der ein ganz Großer hätte werden können. “Alles Dunkle dieser Welt” ist eine Geschichte, die schonungslos erzählt, anstatt zu verdecken, die dem Leser wehtut, anstatt zu schmeicheln – kurzum hier ist Realität offen beschrieben worden. Wenn ich mich überhaupt hinreißen lassen würde zu einem Vergleich, dann würde ich hier das Buch “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” von Christiane F. nennen, die allerdings in einem anderem Schreibstil ihre Geschichte beschrieben hat. Aber diese Härte und transparente Darstellung ist hier genauso filter- und schonungslos. Sprachlich wird kein Blatt vor den Mund genommen und so wird dem Leser einiges abverlangt. Und Genaus das macht das Buch so außergewöhnlich, diese Offenheit und Ehrlichkeit packt den Leser und läßt ihn Teil der Story werden.
Warum liest man Autobiografien? Simple Antwort, weil die beschriebenen Personen oder Personengruppen interessieren. Ich bin kein Biografien-Leser, aber mit zunehmenden Alter hat auch diese Art der Literatur bei mir Anklang gefunden. Meine letzte Biografie war “Ein verheißenes Land” von einem Typ namens Barack Obama. Und nun Mark Lanegan! Mark Lanegan war Frontmann der legendären The Screaming Trees und später auf Solopfaden unterwegs. Die Band war Teil der Grunge-Bewegung, die in den Neunzigern des letzten Milleniums von Seattle aus die Welt eroberte.
Vorneweg, das Buch beantwortet nicht oder nur am Rand wie die legendären Alben entstanden sind oder was auf den Touren passiert ist. Vielmehr öffnet Mark Lanegan mit seinem scharfen Skalpell seinen zerstörten Körper und präsentiert seine vernarbte Seele. Eine literarische Reise mit Zwischenstopps an Stationen wie Drogen, Sucht und Kriminalität. Weder sein Talent, noch seine Band konnten seinen Absturz verhindern. Und so standen Schlägereien und betrunkene Nächte ebenso wie die Sucht nach dem Heroin im Zentrum seines Lebens.
Gerade die Drogensucht und die damit verbundenen Eskapaden werden vom Autor genauso dreckig beschrieben, wie sie in der Realität gewesen sind. Das gesamte Musikerleben diente nur als Geldquelle, um sich mit dem nächsten Schuss wieder wegzuballern. Die Stärke von Mark Lanegans Erzählweise, ist diese Art ohne sich selbst zu schützen, fast wie ein Betrachter die Dinge zu schildern. Es kann noch so pervers, peinlich oder blutig sein, Mark Lanegan läßt nichts aus. Ich bin kein Literaturkenner, aber das erinnert mich an frühere Bücher von Charles Bukowski und Hunter S. Thompson.
Über die Zeit – The Streaming Trees waren Teil der Grunge-Bewegung – starben Freunde, unter anderem ein gewisser Kurt Cobain, und Mark Lanegans Körper wurde zum Labor bio-chemischer Versuche und systematisch zugrunde gerichtet. Die logische Konsequenz: er verlor alles, wirklich alles und wurde obdachlos. Doch wie wir wissen, hat Mark Lanegan sich aufgerafft und von ganz vorne begonnen. Heute singt er seine düsteren Songs wieder auf den Bühnen der Welt. Sein Gesicht (schaut mal in die Videos der üblichen Plattformen) spricht Bände und enthüllt die gesamte Odyssee durch die Hölle.
Fazit: unbedingt lesen! Das Buch ist klasse geschrieben, reißt mit und hat einen grundlegend ehrlichen Ansatz. Nichts wird beschönigt, nichts umschrieben – alles wird klar und ohne Filter benannt. Aber Achtung, hoher Melancholie-Faktor. Gäbe wahrscheinlich einen guten Filmplot ab. Kaufen oder bestellen könnt ihr das Buch bei eurem lokalen Buch-Dealer.