Schon lange befasse ich mich mit dem Thema Kommerzialisierung des Musikbusiness und durfte auch selber schon mehrfach erfahren, was es heißt, von einem Großunternehmen frontal angegriffen zu werden. Ebenso konnte ich über die lange Beobachtungszeit und Tätigkeit im Musikbusiness sehen, wie eine ganze Subkultur durch kommerzialisiert wurde und dadurch ein regelrechter Ausverkauf dieser stattfand.
Es gibt viele Bereiche im Musikgeschäft, welche inzwischen nur noch einzelnen Firmen gehören, die wiederum weltweit agieren und versuchen, die Kultur zu vereinheitlichen. Sei es im Bereich Konzerte, Festivals oder auch den Bands an sich.
Es gibt kaum noch Vielfalt und es wird dem Musikfan immer mehr Einheitsbrei vorgesetzt, was zur Folge hat, dass inzwischen auch soziokulturelle Zentren mit dem Überleben zu kämpfen haben und dadurch ihre eigentliche Funktion einer Schaffung und den Erhalt von kultureller Vielfalt nicht mehr nachkommen können.
Was aber hat das alles mit dem Buch “Vom Imperiengeschäft – Konzerte, Festivals, Soziales.Wie Grosskonzerne die kulturelle Vielfalt zerstören” von Berthold Seliger zu tun?
Berthold Seliger kommt selber aus der Musikbranche und hat unter anderem Tourneen für Lou Reed und Patti Smith organisiert. Hat eine eigene Konzertagentur und schreibt unter anderem Rund um das Thema Musik für Zeitungen wie die KONKRET, Berliner Zeitung und Junge Welt.
Berthold hat somit jede Menge Erfahrungen im Musikgeschäft sammeln können und hat diese in besagtem Buch nieder geschrieben.
Hier werden die Zusammenhänge der großen internationalen Firmen wie CTS Eventim und Live Nation ausgiebig beleuchtet. Es wird auf das aggressive Verhalten dieser Firmen eingegangen und wie diese auf internationaler als auch nationaler Ebene ganze Kultur- und Event Bereiche zerstört und monopolisiert haben.
Angefangen von Musikhallen, Stadien, Clubs bis hin zu Theatern und soziokulturellen Einrichtungen, die sich besagte Firmen unter den Nagel gerissen haben und nun in diversen Städten vorgeben, was an kulturellem Angebot stattfinden soll.
Als wäre das nicht schon genug, wird hier auch der Zusammenhang zwischen den Veranstaltungsagenturen und den Ticketanbietern sowie den Fan Artikel Herstellern und Verkäufern hinterfragt und in eindrucksvoller Weise darüber aufgeklärt, wie eng die internationalen Firmen vernetzt sind und einen künstlichen Preismarkt herstellen, der inzwischen teils unerklärliche Ausmaße angenommen hat.
Aber auch der Wandel der Fans wird hier nicht ausgelassen, ist dieser doch auch ein wichtiger Punkt in der Kommerzialisierung des Musikbusiness. Im Buch wird zudem sehr gut beschrieben, wie die Musikfans vom selber in soziokulturellen Zentren aktiv sein den Sprung hin zum rein konsumierenden Musikfan geschafft haben und dadurch kaum noch Gegenwind gegenüber den großen Veranstaltern stattfindet.
Selbst die in den 1950er Jahren schwer erkämpften und immer subkulturell vielseitigen soziokulturellen Zentren haben in den meisten Fällen ihren Ursprung verloren und hängen sich ebenfalls an die Großunternehmen an. Nicht ohne Grund gehören viele soziokulturelle Einrichtungen inzwischen Firmen wie Bayer und Co. Es wird nicht mehr nach Vielfallt gesucht und diese unterstützt. Vielmehr will man nur noch volle Konzert- und Veranstaltungshäuser haben und mit allen Mitteln auf dem Fahrwasser der Großkonzerne mit schwimmen. Dass durch dieses Denken die Vielfalt der gesamten Musikbranche kaputt geht, wird in dem Buch ebenfalls sehr gut beleuchtet.
Was in “Vom Imperiengeschäft – Konzerte, Festivals, Soziales.Wie Grosskonzerne die kulturelle Vielfalt zerstören” auch sehr intensiv hinterfragt und beleuchtet wird, ist die hiesige Festivallandschaft und der Wandel von unkommerziellen “Mitmach” Festivals hin zu einer straf durchkommerzielisierten Branche, die den einzigen Zweck erfüllen soll, so viel Geld wie möglich aus den Taschen der Gäste zu ziehen.
Schon längst haben die Macher dieser Großevents verstanden, dass es nicht mehr um die Musik auf der Bühne sondern mehr und mehr um das drum herum geht. Festivals werden immer mehr vereinheitlicht und auf immer mehr Festivals tauchen die gleichen Bands und Headliner auf. Es gibt kaum noch große Festivals, auf welchen auch unbekanntere junge Bands auftreten können und es werden von Jahr zu Jahr weniger.
Gleichzeitig versuchen die Großveranstalter mit ihren Erfahrungen in diesem Bereich den Gästen das Gefühl zu geben, auf einem ganz besonderen Event zu sein. Schaut man sich allerdings weltweit die Festivallandschaft an, so stellt man schnell fest, dass eine Exklusivität weder gewollt noch vorhanden ist. Überall das gleiche Bild!
Und wer denkt, dass Musiker heutzutage noch von ihrem Schaffen reich werden, der wird in einem separaten Kapitel im Buch eines Besseren belehrt. Es wird detailliert auf den Verdienst von Musikern eingegangen, was durch diverse Rechenbeispiele sehr gut veranschaulicht wird.
Alles in allem ist dieses Buch aus meiner Sicht ein wichtiges Dokument, welches sich alle im Musikbereich tätigen Personen durchlesen und verinnerlichen sollten. Obwohl das Buch etwas über 300 Seiten beinhaltet, wird hier ein sehr guter und umfassender Einblick geboten.
Hier könnt ihr das Buch direkt bestellen: jpc.de
Hier könnt ihr noch ein sehr interessantes kurzes Interview von Berthold Seliger zum Thema anschauen: arte.tv