Mein 200ster Beitrag für den Vinyl-Keks, yeah. Und dann so ein klasse Album. Nochmal YEAH!
Die Band ist aus Witchfucker hervorgegangen und hat endlich ihr Debut-Werk vorgelegt!
Sie haben „Forgotten Ways“ eingeschlagen und schaffen doch etwas Neues in einer Welt voller verbauchter Akkorde.
Coltaine heißt die Band, die sich konsequent seit knapp drei Jahren durch Europa schleift und ungefähr ca. 40 Gigs pro Jahr spielt.
Die Besetzung ist seitdem auch ruckelfest mit den beiden Berg-Brüdern Moe und Bene. Dazu kommen Julia am Gesang, die sich auch um das Artwork kümmert. Und Amin an den Drums.
In Ausgabe 11 der ProvinzPostille hatte ich mich mit Moe und Bene auf ihrem Balkon in Karlsruhe über ihre wirklich spannende musikalische Entwicklung unterhalten. Vom Black-Metal & Punk über ein Musikerkollektiv hin zu dieser Band und dieser ersten Platte.
Sie beginnen mit „Mogila“, einem schier endlosen, atmosphärischen Intro, dessen Langsamkeit einen fast schon in drei Minuten niederzuringen scheint, bis man dann schlicht nur Drums, Bass und Gitarre in ihrer Einfachheit kredenzt bekommt. Gekrönt von einem wilden, ungezähmt wirkenden Gesang, der aus den Wäldern, dem Nebel des Covers wohl irgendwo herausgeholt wurde, um durch Julias Stimmbänder einen Ton zu bekommen.
Man spürt in jeder Faser, dass das genauestens durchdacht und platziert ist.
Dieser heftige Teil, der Peak des Berges, verschwindet in einem verhallten Outro, als ob der Schrei der Sängerin nun im Gebirge zuerst gehalten und dann verschwinden könnte. Mit Engelsflügeln.
Und das Ende, bam bam bam booooom, ist mit, nach Möglichkeit, dem absolut tiefsten Ton auf dem Bass zu treffen.
Ja, mir gefällt dieser Shit. Verdammte Axt.
„Himmelwärts“ eine Synthie-Atmosphäre für Zwischendurch. „Dans un nouveau monde“ hört sich im Hintergrund an, als ob mit der Gitarre noch ein Piano spielt und die Band beweist, wie sehr sie gelernt hat, mit Atmosphären umzugehen. Leicht orientalischer Hauch, engelsgleicher Gesang, der ausbricht in ein Black-Metal-Gekreische.
Ich schrieb es, glaube ich, irgendwann schon einmal: mein Eindruck ist, dass Coltaine etwas new-waviges haben. Das ist außergewöhnlich in dem Genre Doom, in dem alle so tief wie möglich und auch so langsam wie möglich spielen wollen. Oft kommen dann noch Solo- und Gitarrengewaber obendrauf, man überholt sich quasi gegenseitig mit Effekten.
Nicht so Coltaine. Mehr als die vier Instrumente (ja, auch Gesang ist ein Instrument) hört man nicht. Und sie bleiben in der Wahl der Akkorde auch recht schlicht. Es reichen kleinste Veränderungen, um der vorhandenen Atmosphäre noch etwas hinzuzufügen!
„Cloud Forest“ beendet mit einem superharmonischen Track die erste Seite. Die Stimme ein weiteres Instrument, alles wabert, alles im Nebel, out of the clouds.
Soll ich wirklich noch weitermachen mit dieser schier endlosen Lobhudelei?
Die zweite Seite startet mit dem 8-minütigen Titeltrack „forgotten ways“. Ich frage mich bei Doom-Bands ja schon, wie man am Schlagzeug so langsam spielen kann.
Diesmal gibt es ein Gedicht in deutscher Sprache, das mit einem überraschenden Schlag in einen anderen Modus wechselt. Von Weite in pulsierend.
„Ableben“ wieder ein Zwischenstück, ein Gitarrenpart, bevor sie wieder bedrohlich aus dem Wald hervorkriechen im ersten Musikvideo der Band zu ihrem Song „Grace“. Bisher gab es nur Liveperfromances zu sehen.
Diesmal überraschen sie mit Tempo nach dem sogartigen Intro!
Das ist es, was ich von einem Maximum an Ausbeute von einem absolut minimalistischen Stil erwarte. Genial!
In „Tales of the southern lands“ schmiegt sich der Titel an die Musik.
Mit „Aren“ endet diese tolle Platte mit ihren neun Songs.
Post-Metal, intuitiver Doom, atmosphärisch. Nicht einfach dem Genre noch „irgendetwas“ neues abringend, nein, tatsächlich erfrischend und sogartig.
Ihr müsst euch die Platte holen! Bei Bandcamp direkt bei der Band! Das Vinyl weiß mit leichten Schlieren in blau. Insideout-Cover und Einleger.
In Kürze liegen auch bespielte Tapes vor. Krachige Platten und die Band haben sich nochmal entschlossen, nach der „Afterhour in Walhalla“ auch noch dieses Album auf Kassette zu spielen.
Erschienen via Lay Bay Recordings.
Dieser Review ist in kürzerer Fassung auch bei der ProvinzPostille erschienen.