Bei manchen Künstler*innen merkt man direkt, wenn man die Platte in den Händen hält, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Schon bevor der erste Ton abgespielt wird. Weil schon die Gestaltung des Artworks so hervorsticht. Und ein beigelegtes Textblatt zusätzlich zu den deutschen Texten ins Englische übersetzt wurde. Ohne einen vorab Text vorab gelesen zu haben, hab ich schon die Vermutung, dass hier ein Künstler am Werk ist, der etwas zu erzählen hat. Vielleicht sogar eine Message verbreiten will.
So geht es mir bei Conny Ochs und seinem Album “Wahn und Sinn”, erschienen auf dem für sein qualitativ ausgesuchtes Programm geschätztem Label Exile on Mainstream Records. Meine erste Conny Ochs Platte. Obwohl er schon einige Soloplatten herausgebracht hat; die letzte “Doom Folk” erschien 2019 und der Plattentitel öffnet die Schublade für das Genre, welches Conny auch auf dieser Scheibe hier zelebriert. Langsame, von Gitarre, Synthies und Streichern getragene Lieder, mit Texten, die genau das einhalten, was das Textblatt bereits versprach. Düstere Popsongs, mit poetischen Texten, die sich nicht beim ersten Hören erschließen und auch beim dritten und vierten Hören so viel Interpretationsspielraum übrig lassen, dass es mir schwerfällt zu beschreiben, wovon sie handeln.
Für mich klingt viel Verzweiflung über den Status Quo heraus, die Ohnmacht es nicht ändern zu können (” …wir stehen rasend still…”), der Wunsch nach Einsamkeit, aber auch das Erdrücken durchs Alleinsein. Sehnsucht. (Keine) Hoffnung. Aus und vorbei. Meine Assoziationskette bleibt dunkel. Ich nenn das hier einfach mal Düster-Pop. Nächste Schublade ist da.
Ich weiß gar nicht, ob ich der Richtige bin, dieses Album hier zu besprechen, da mir das musikalische Werk von Ochs bisher unbekannt war, und dieses Album hier als experimenteller Ausbruch und Reflexion angekündigt wird. Das kann ich nun wirklich nicht beurteilen. Mir gefällt das Album auf jeden Fall sehr.
Ein Album welches ursprünglich unter dem Titel nur als Gedichtband geplant war. Dieser Gedichtband, der Connys Poesie aus den Jahren 2000-2010 sammelt, ist zeitgleich zur Platte erschienen, scheint aber nur auf den Konzerten von Conny Ochs käuflich zu erwerben sein. Die Beschäftigung zu diesem Buch inspirierte Ochs zu der vorliegenden Platte, sodass nun beides realisiert wurde.
Conny selbst sagt es so: »Wenn ich jetzt beides zusammen betrachte finde ich, dass auch ›Wahn und Sinn‹ die Geschichte erzählt, die bis jetzt der Kern meiner Lieder zu sein scheint: Das Verlorengehen, um sich zu finden.«
Der Umgang mit Poesie, die Art und Weise seine Gefühle auszudrücken, aber auch der Gesang an sich, das Halten der Töne, erinnern mich immer wieder an Jochen Distelmeyer, wobei Ochs schon einen depressiveren Grundtenor innehält. Eine sehr gute Platte für lange Herbst-und Winterabende, bei denen man sich im Selbstmitleid suhlen möchte. Aber nicht vergessen danach wieder Arsch zu kicken, nicht versumpfen bitte!
Platte gibt es u.a. hier