Die Donots aus Ibbenbüren haben mit Ihrem neuen Album “Heut ist ein guter Tag” ihr drittes Album rausgehauen. Ihr drittes Album? Dyskalkulie im sehr weit fortgeschrittenem Stadium?
Nein, nein mir ist schon bewusst, dass dies hier ihr bereits zwölfter (Studio-)Longplayer ist, aber für mich ist es erst das dritte Album, da die fünf Herren für mich erst interessant wurden, als Sie die Gesangssprache wechselten.
2015 erschien “Karacho”, das erste Album, das auf deutsch gesungen wurde und auch das erste Album, welches bei mir zu Hause einzog. Ich war begeistert von den Texten, die sich stilistisch und niveaumäßig in einer Liga von …but Alive, Slime, Dackelblut, Boxhamsters oder auch Pascow einordneten. Also eine gute Mischung aus Kritik, Angepisstheit, aber auch Lebensfreude und Bock auf Veränderung. Und auch musikalisch bestach das Album durch Härte und Melodie, durch Direktheit, aber natürlich auch durch Popappeal.
Ich bin generell überhaupt nicht abgeneigt gegen gute Pop-Musik, trotzdem hielt mich diese Poppigkeit, die dem Werk der Band innewohnt, lange Zeit davon ab mich mit der Band zu beschäftigen, irgendwie hatte ich sie fälschlicherweise als weitere belanglose Poppunkband einsortiert. Keine Ahnung was manchmal in meinem Kopf/Bauch/Herz vor sich geht. Aber auch nachdem “Karacho” mit vollem Karacho bei mir einschlug, ging das Folgealbum “Lauter als Bomben” aus dem Jahr 2018 an mir vorüber, hab es zwar registriert, aber könnte nicht einen Song davon nennen. Merkwürdig. Klassische On/Off Beziehung ?
Nun aber in media res, denn “Heut ist ein guter Tag” schlägt wieder voll bei mir ein. Ich spüre wieder diese Aufbruchstimmung, ich höre ganz viel Bock beim Musizieren, ich höre auch mehr Experimentierfreude als ich es von den Donots in Erinnerung hatte. So wird nicht nur mit den Geschwindigkeiten bei und innerhalb der Liedern variiert, auch beim Gesang wird Neues probiert. So wird Sänger Ingo bei “9 Leben” mit einem Sprechgesang von Love A Jörkk unterstützt, was das Lied sehr hörenswert, auch auch untypisch für die Donots macht. Gibt es eigentlich eine deutsche Platte der letzten Jahre aus dem Indie/Punk/Gitarrensektor wo der Typ nicht mal mitsingt?
Stimmliche Unterstützung gibt es auch bei ” Es tut nur weh, wenn ich lache”, an dieser Stelle von Sarah de Castro, die sonst bei Bubonix und Conmoto ihre Stimmbänder schwingt. Ein recht schneller, hektischer Song, der gut nach vorne geht…
Die Instrumentierung kriegt auch Unterstützung, bei “Hey Ralph” mogelt sich doch ein Synthie-Sound da rein und macht das ganze zu einer kleinen Indiepop-Perle.
Auch ungewöhnlich ist der Song “Apokalypse Stehplatz Innenraum”, ein verhältnismäßig monoton gespielter Song, der an eine schnelle Neue Deutsche Welle Nummer erinnert und deshalb/trotzdem zum Mitsingen einlädt.
Stichwort Mitsingen: Es finden sich natürlich auch wieder genug Chöre, die man in ausverkauften Mehrzweckhallen mit tausend anderen Menschen mitgröhlen kann, aber auf dieser Platte sind sie gut dosiert eingesetzt, so dass eventuelle Hosen-Schmährufe, einfach von der hervorragenden Gitarrenarbeit platt gespielt werden.
Überhaupt ist das eine ganz schön fette Produktion, die Kurt Ebelhäuser dort hingelegt hat. Extrem druckvoller Bass und Gitarrensound und den Gesang schönerweise nicht zu sehr in den Vordergrund gelegt, sondern als Teil eines Ganzen inszeniert. Und da dieser Herr Ebelhäuser sich auch für die Produktion des neue Pascow Album verantwortlich zeigt, ist er scheinbar involviert in den bisher besten deutschsprachigen Alben des Jahres.
Ja, das ist es für mich tatsächlich: Ein Album des Jahres bis zu diesem Zeitpunkt! Und eines das auch am Ende des Jahres eines sein kann. Denn hier scheint alles zu passen: Spielfreude, Anspruch, Lockerheit und durchdachte Lyrics, aber auch Ernsthaftigkeit und Verzweiflung am Status Quo.
Gerne würde ich mich auch schon etwas genauer zu den Texten äußern, aber ich habe bisher keine Zeit gehabt, diese genauer durchzulesen und nur einzelne Passagen oder Zeilen, die mir bisher positiv aufgefallen sind hier zu rezitieren würde den Texte(r)n bestimmt nicht gerecht werden.
Lobend zu erwähnen ist neben der Musik das richtig gute Artwork, ein Strauß an Farben und Illustrationen, im Gatefold-Cover mit bedruckten Innenhüllen. Leckofanni!
Also: Sehr schön geworden, die Scheibe. Beziehungsweise die zwei Scheiben, denn es ist eine Doppel LP geworden. Die es übrigens in verschiedenen Varianten gibt, die besonders liebevoll und schön gestalteten übrigens nur im Indie-Handel. Mir persönlich sind das sogar zu viele Varianten, ich verliere da den Überblick, aber passionierten Sammlern wird wahrscheinlich das Herz aufgehen. Also guckst du am besten hier und bestellst alle!