Über Retrophänomene, der – möglicherweise gar damit verbundenen – Krise des Musikjournalismus und was das mit dem Leben im späten Kapitalismus zu tun hat, wurde schon viel geschrieben und gelesen. Was für ein alter Hut das konkret ist, verraten die Jahreszahlen der Texte in den Sammelbänden bereits verstorbener Autoren wie Martin Büsser (Für immer in Pop) und Mark Fisher (Ghosts of my life / Gespenster meines Lebens).
Und während das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts so gut wie abgeschlossen ist, bin ich bemüht frische Worte für das Debut der Band Draught zu finden, welches durch das Hamburger Tape- und Vinyl-Label La Pochette Surprise am 04. September 2020 auf Kassette veröffentlicht wurde.
Denn durch ein viral-gegangenes Instagram-Posting zum deutschsprachigen, cis-männlich-dominierten Musikjournalismus, weiß ich außerdem, dass es kein eleganter Kunstgriff ist, ein Review letztlich allein mit Vergleichen zu anderen Künstler:innen zu füllen.
Was also tun, wenn die zu besprechende Band im eigenen Pressetext auf ihre Bezüge zum 1990er Indie-Rock hinweist?
So ein öffentliches Eingeständnis lässt zumindest bei mir Milde walten, statt oben genannte Autoren zu zitieren oder den Pastiches der Musiker:innen die Schuld an uninteressanten Texten zur Popmusik zu geben. Und das nicht zuletzt dadurch, da ich Freundin Pavementscher Gelangweiltheit oder von den verhaltenen Aggressionen der Pixies bin.
Zwar wirkt die Herangehensweise Draughts – nämlich mit den ersten beiden Stücken bei der Hörerschaft das unmittelbare Bedürfnis, gleich im Anschluss Slint mit „Good Morning Captain“ in die Warteschlange einreihen zu wollen, auszulösen – sehr naiv, so ist das Zusammenspiel von Teresa, Yannick, Lukas und Tim doch gekonnt und der Sound strotzt vor bewussten Entscheidungen.
Leider ist das Tape aber auch mit dem Zweiten von drei Stücken bereits an seinem Höhepunkt angelangt und sowohl der Opener als auch der letzte Track wirken nicht ansatzweise so durchdacht wie „Shroud“. Aber dennoch sei Nostalgiker:innen, die um die frühen 1990er des Indie-Rocks trauern, und dabei gerne die Phrase „Das war noch Musik!“ bemühen, das Draught Debüt hiermit ans Herz gelegt.
Erwerben könnt ihr das gute Stück auf den verlinkten Seiten von Band und Label.
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