Heute gibt es mal ein etwas anderes Interview für euch. Ich will es nicht unbedingt “Enthüllung” nennen, aber wer hinter der Facebook-Seite FEMALE FRONTED PUNK BANDS steckt, haben sich vielleicht schon mal einige von euch gefragt. Dort werden nahezu täglich Bands mit Frauen*Beteiligung aus aller Welt vorgestellt. Wer die Debatten rund um den Frauen*anteil in der Musikszene und vor allem im Punk (#punktoo) aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass der Begriff “female fronted” als Genre-Eingrenzung immer wieder kontrovers diskutiert wird. Schreibt uns gern dazu eure Meinungen! Jetzt aber erstmal zum Interview:
Hallo Mazze! Cool, dass du Zeit für uns hast. Ich verfolge schon länger die Facebook-Seite “Female Fronted Punkbands” und freue mich dort immer über neue Entdeckungen. Nun wollte ich gern mal das Geheimnis lüften, wer eigentlich hinter dieser famosen Seite wirkt und bin über Umwege auf dich gestoßen. Im ersten Moment hatte ich damit gerechnet hinter der Seite ein paar ambitionierte Frauen* zu finden, umso überraschter war ich, als sich erst einmal ein paar Typen zurückmeldeten. Was kannst du uns dazu sagen?
Hallo! Cool, dass du die Seite verfolgst, sie dir gefällt und Interesse an den Hintergründen besteht.
Wie fing alles an, wer steckt dahinter und wie viele seid ihr eigentlich?
Beim Erstellen der Seite waren wir noch nicht dabei. Ich wurde Co-Admin nach einem Aufruf im April 2016, da gab es noch kurze Kommunikation zum Content und los ging‘s! Im Wesentlichen stecken inzwischen 2 Menschen dahinter. Mein Kumpel Erich und ich. Wir verfolgen da keinen konkreten Plan, kamen auch unabhängig zur Seite, ihn kenne ich schon deutlich länger.
Wer von der FFPB Seite spielt selbst in Bands? Und in welchen?
Wir spielen beide in Bands: Erich bei Dividing Lines, No Honey In Paradise, Nasty Pack, solo mit Bad Taste Paranoia und früher bei Fireaaamd, Jöey Clash, Lethargie, Curse Of Failure und gefühlten 1000 Weiteren 😉 Ich spiele bei Outdate, war vorher bei Grey und RK$.
Was steckt hinter der Idee, so eine Seite wie FFPB ins Leben zu rufen?
Ins Leben gerufen hat die Seite jemand anderes, damit kann ich die eigentlichen Idee nur vermuten. Für mich geht es darum, gezielt Bands zu unterstützen, bei denen Frauen am Hauptgesang aktiv sind. Das hat wohl der Initiator gemeint und ist auf jeden Fall nötig, wenn man das subkulturelle Konzertangebot betrachtet. Da stehen deutlich zu wenig Frauen auf der Bühne. Unterstützt werden die Bands mit einem Post zur Vorstellung, immer mit Link zum Direkt-Hineinhören unter Weiterlesen sowie Bild zum Wiedererkennen und natürlich den wichtigsten Infos.
Wie lange gibt es die Seite schon?
Die Seite gibt es höchstwahrscheinlich seit November 2015. Zumindest sagt das der Zeitstempel des ältesten Profilbildes. Das sollte auch passen, als ich im Folgejahr begann mitzuwirken, hatte ich sie schon ein paar Monate auf dem Schirm.
Kannst du abschätzen wie viele Bands ihr schon vorgestellt habt?
So richtig abschätzbar ist das nur noch sehr grob. Es gibt auf der Seite ein oben verlinktes Bilder-Album mit etwa 1500 Einträgen. Mein Anspruch ist hauptsächlich neuentdeckte Bands vorzustellen. Wenn dann ein Jahr verging oder es ein richtiges Release gab, gibt es einen weiteren Post zur gleichen Band. Es sollten inzwischen um die 1000 Bands sein und ich bin immer wieder erstaunt, weiterhin, permanent neue zu entdecken.
Wie kommt ihr an Bands aus anderen Ländern?
In den meisten Fällen kommen wir übers Netz an Bands anderer Länder. Ich bin permanent auf der Suche nach neuer Musik, habe einen Bürojob, bei dem ich mit Headset akustisch abtauchen kann und verfolge dabei jede Menge Internet-Plattformen verschiedener Formate. Bei Neuentdeckungen lohnt sich meistens noch weiter zu recherchieren, denn die Frauen waren oder sind oft auch in anderen Bands aktiv. Ab und zu kommen auch direkte Nachrichten der Bands mit Links ihrer neuen Aufnahmen bzw. von Leuten aus dem Umfeld. Außerdem ist Erich (normalerweise und hoffentlich bald wieder) mit seinen Bands unterwegs und entdeckt da regelmäßig welche, die im Netz nicht ganz so präsent sind.
Hast du persönlich dadurch Bands entdeckt, auf die du sonst vielleicht nicht gestoßen wärst und die du hier gern kurz vorstellen willst?
Klar, das kann ich nach fast 5 Jahren nicht mehr ausschließen. Es sind regelmäßig Bands dabei, die mich so sehr begeistern, nach Platten und Konzertterminen Ausschau zu halten. Regelmäßig rotieren bei mir Litige aus Lyon. Sie spielen melodischen Punkrock, haben eine leichte Postpunk-Kante im Sound und bringen auch Live alles auf den Punkt! No Wheater Talks aus Hamburg spielten starken Poppunk mit besonders einprägsamen Melodien und fulminantem Gesang. Auf meiner aktuellen Suchliste stehen u.a. Tonträger einer frühen L.A.- Punk-Band namens The Brat. Die gab es wohl damals nicht in den 80ern so lang, ihr Punkrock-Sound ist höchstmelodisch und klassisch für Zeit und Gegend mit besonders ausdrucksstarkem Gesang! Da lohnt sich auf alle Fälle überall mal das Hineinhören. Jetzt möchte ich aber nicht den Rahmen sprengen, sonst werden wir nie fertig. Bei der Bandauswahl auf der Seite möchte ich grundsätzlich meinen persönlichen Geschmack
abstellen.
Haben sich durch die Seite irgendwelche Vernetzungen ergeben, von denen ihr oder andere profitieren?
Direkte Vernetzungen mit z.B. Veranstaltern, Labels, Szines o.ä. bestehen nicht. Selbstverständlich sollen jene Vertreter_innen die Bands kennenlernen, mit ihnen den Kontakt finden und Shows buchen, Platten veröffentlichen, usw.
Was denkst du/ihr generell über Gleichberechtigung in Sachen Punkrock? Gefühlt stehen immer noch deutlich mehr All-Male-Bands auf den Bühnen. Was denkst du sind die Gründe? Können Projekte wie FFPB für mehr Sichtbarkeit von Frauen* in der Musikszene sorgen?
Generell finde ich, dass es zum Thema Gleichberechtigung noch eine ganze Menge zu tun gibt. Das gilt auch für den Punkrock! Es stehen tatsächlich weniger Frauen auf der Bühne. Das sieht man ganz deutlich auf den Konzerten und den Flyern der größten Festivals meines Einzugsgebiets. Ein „normaler“ Konzertabend verspricht 3-4 Bands mit etwa 15 Musikern und dabei sind lediglich 1-2 Frauen. Letztes Jahr war ich von einem Festivalflyer überrascht, denn in einem Drittel der angekündigten Bands sind Frauen aktiv. Das ist mehr als in den Vorjahren und damit eine gute Entwicklung. Bei den meisten Konkurrenten sieht es deutlich schlechter aus und so richtig erklären kann ich es mir nicht. Es gibt auf jeden Fall genug potentielle Bands.
Grundsätzlich finde ich, dass vor allem auch bei größeren Festivals jüngere Bands sowie Bands mit Frauenbeteiligung besser gefördert werden sollten. Sehr gut finde ich Konzertgruppen, die nur veranstalten, wenn Bands mit Frauenbeteiligung dabei sind. Auf jeden Fall sind insgesamt zu wenig Frauen auf Konzerten, Bühnen und vermutlich auch in Bands aktiv. Möglicherweise ist ein Grund, dass bei der Erziehung, besonders vor Jahrzehnten, noch ganz andere Werte vermittelt wurden, wie zum Beispiel klassische Geschlechter-Rollen. Da war das Thema Punkrock und aktiv in Bands sein bestimmt noch gefühlte Welten entfernt. Damit werden auch weniger Frauen inspiriert. Grundsätzlich sind Inspiration und das richtige Umfeld entscheidend für die musikalische Entwicklung und Kreativität. Da machen sicher viele im Proberaum, Musikshop oder sonstwo
schlechte Erfahrung mit Macker-Typen und verlieren das Interesse. Auch muss man immer noch zu oft Technik-Klischees Parole bieten. Klar können Projekte wie die Seite die Sichtbarkeit von Frauen in der Musikszene erhöhen. Das zeigen die Statistiken der Beiträge, das Feedback dazu ist auf jeden Fall sehr gut. Ich hoffe auch sehr, dass die Bands davon weiter profitieren bzw. neue Bands gegründet werden.
Danke dir für das Interview Mazze und auf viele weitere neue Bandvorstellungen!