Okay, things get personal now. Nee, mal ehrlich: Die Review der womöglich allerletzten Veröffentlichung von Dokter Renz, König Boris und Björn Beton kann ich nicht in wohlgesetzte Worte gießen, ohne meine persönliche Beziehung zu Fettes Brot zu rekapitulieren.
Wir drücken hier also mal fix auf Rewind und springen zurück in den Sommer 1995, als ein präpubertärer Siebtklässler (Offenlegung: Ich) im Radio das erste Mal “Nordish by Nature” hörte und gleich geflasht war (damals drückte man das womöglich noch anders aus). Deutscher Rap war noch ein ziemlich neues Ding und die Kombination mit dem Plattdeutschen – das Amtssprache an Opas Küchentisch war – und dem Abgekulte norddeutscher Lebensart fand ich als holsteiner Provinzspacken natürlich unwiderstehlich. Kurz darauf spielten die Brote doch tatsächlich ein Konzert in unserem örtlichen Jugendzentrum – nur zu dumm, dass ich erst danach davon erfuhr.
Die Jahre gingen ins Land. Ich entdeckte Punk, dann Hardcore, später Reggae, Ska und wasnichtalles. Hip-Hop habe ich immer mit einem Seitenblick verfolgt, mit mal mehr, mal weniger Interesse. Fettes Brot waren aber irgendwie immer da. Songs wie “Jein”, “Da draussen”, “Schwule Mädchen” oder “The Grosser” gingen jederzeit. Es war das Schelmische, das Spielerische – und ja, auch das Nordisch-Spaddelhafte, was die drei Harros von eben immer zu einer Herzensband machte. Ach so: Und live waren die Brote natürlich sowieso immer eine Bank.
Nach den vielleicht kohärentesten Brot-Alben “Am Wasser gebaut” von 2005 (mit den Hits “Emanuela” und “An Tagen wie diesen”) und “Strom und Drang” von 2008 (inklusive “Bettina, zieh dir bitte etwas an” und “Erdbeben”) habe ich die Band dann etwas aus den Augen verloren. Als das Trio vergangenen Herbst dann angekündigt hat, dieses Jahr die Backstube endgültig zu schließen, hat mich das dann doch mehr getroffen als gedacht.
Zum Glück wird der Abschied aber noch etwas herausgezögert und Fans (also, wir alle, ey!) können sich auf eine dicke Abschiedstour, das ein oder andere Re-Release und ein großes Zwei-Tage-Open-Air in Hamburg zum Abschied freuen. Dort werden sicherlich auch die Songs des ersten Greatest-Hits-Albums der Brote zu hören sein. Auf “Hitstory” versammeln sich alle in diesem Text schon genannten Gassenhauer sowie die letzte echte Erfolgssingle “Echo” von 2013.
Zehn Songs? 35 Minuten Musik? Und das nach 30 Jahren Bandgeschichte? Ein bisschen dünne kommt die Compilation schon daher, das müssen auch die härtesten Fangirls*boys zugeben. Allein die Singles-Discografie hätte mit Kalibern wie “Silberfische in meinem Bett”, “Können diese Augen lügen” oder “Defintion von Fett” noch einiges beizutragen gehabt. Von all den tollen hidden Classics wie “Falsche Entscheidung”, “Schieb es auf die Brote” oder “Ich hasse das” ganz zu schweigen. Ja, selbst die Abschiedssingle “Brot weint nicht” hat es nicht auf die Platte geschafft.
Aber wollen wir mal nicht zu streng mit den drei Schlawinern sein. Am Ende bietet “Hitstory” dann ja doch genau das, was versprochen wird: Die größten Hits, ideal also für (ganz späte) Einsteiger und all diejenigen, die zumindest die dicksten Kaliber des Brotschen Œuvre im Plattenregal haben möchten. Und dazu gibt es immerhin ein wirklich schickes Cover, das sicher auch als Shirtmotiv einiges hermacht.
Am Ende muss jede*r selbst wissen, ob das jetzt eine Veröffentlichung ist, die es in der Form unbedingt gebraucht hätte. Ja? Nein? Ich mein…Ach, ihr wisst ja, wie es weitergeht. Tschüs, Brote! Und kiekt mal wedder in!
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