Hinter Fleur de Malheur verbirgt sich Tom Schwoll, ein Berliner Musiker, der bereits seit Jahrzehnten in meist deutschsprachigen (Punk)Bands Gitarre spielt, die bekanntesten waren sicherlich Jingo de Lunch, Extrabreit und Die Skeptiker und die immer noch aktuelle Band Es war Mord. Deutsch ist auch die Sprache, die er für dieses Werk gewählt hat, deutsch ist die Musik aber sicher nicht.
Mit Kummerkumpels veröffentlicht er sein erstes Soloalbum, tritt also nun von der Seite in die Mitte der Bühne. Er schrammelt aber nicht einfach Punkrocksongs auf einer Akustik-Gitarre so wie es ja seit einigen Jahren gerne von alternden Punkmännern gemacht wird, sondern spielt eigene Werke, die tief verwurzelt im amerikanischen Country sind. Auch Folk und klassischer Chanson sind Begriffe, die bei der Beschreibung seiner Musik nicht fehlen dürfen. Akkorde geschrammelt werden auf der ganzen Platte so gut wie gar nicht, Fingerpicking ist die gebrauchte Spielart. Dabei wird nicht auf allzu große Abwechslung gelegt, das Zupfmuster wird auch schonmal durch den ganzen Song beibehalten. Aber nicht falsch verstehen, das Ganze ist keineswegs eintönig. Die Abwechslung schafft Schwoll einerseits durch den Einsatz seiner tiefen, sonoren Stimme, die teilweise an Nils Koppruch erinnert, andererseits hat er sich auch Freund*innen bei den Aufnahmen ins Boot geholt, die zum Beispiel durch Steelguitar und Klavier den Liedern Tiefe, Spannung und eine ganz besondere Atmosphäre verleihen. Diese Atmosphäre kann schon als eher düster beschrieben werden, aber kriegt z.B. durch erwähnte Steel-Guitar bei einigen Liedern einen kitschigen Anstrich, Truck Stop Vergleiche möchten in die Tastatur gehackt werden, würden den Sound aber verharmlosen. Denn auch die Texte sorgen dafür, dass der Kitsch, den die Musik heraufbeschwören könnte, sich ganz schnell wieder in die Tiefe verzieht, gut zu erkennen bei dem Song “Oury Jalloh”, einem Song über den 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeipräsidiums verbrannten Afrikaner, dessen Todesursache bis heute ungeklärt ist.
Beim Song ” Der Motor” wird der Text fast schon monoton erzählt, dagegen wirkt die Musik durch einen stark gesetzten Schlagzeugrhythmus treibend. “Das Drama” hingegen ist ein Chanson, der sowohl von Musik als auch von der Lyrik stark an Element of Crime erinnert.
Die Texte sind lyrisch aufgearbeitete Beobachtungen, Alltagssituationen in Gedichtform. Literarische Schnappschüsse, deren Bedeutung sich nicht immer beim ersten Hören erschließen. Auch aus diesem Grund ist das Album eher ein Grower, ein Album das mit jeder weiteren Umdrehung auf dem Plattenteller bedeutender wird. Das Album nimmt dich zwar langsam in den Arm, hält dich dann aber umso fester.
Sehr schön ist auch das umfangreiche Textheft, welches durch ausdrucksstarke schwarzweiße Fotografien auch den optischen Aspekt einer gelungen LP-Veröffentlichung voll ausschöpft. Ein Blick in die angehängte Bildergalerie lässt schon erahnen, wie toll dieses Booklet gelungen ist.
Erschienen ist die Platte bei dem Qualitätslabel Sounds of Subterrania. Dort ist sie auch käuflich zu erwerben.