Heute kommt eine großartige Frau zu Wort, die sich schon durch so einige Jobs im Musikbusiness geschlängelt hat und nun bei Buback Tonträger gelandet ist und dort unter anderem die Tour Betreuung für Sookee übernimmt bzw. übernommen hat. Aber auch so hat Vanessa einiges zu erzählen. Also, nicht lange auf die Folter gespannt, geht es hier direkt los:
Hallo Vanessa, du bist ja schon länger und ganz schön tief im Musikbusiness drin. Wie bist du denn in das Musikbusiness rein geschlittert und was hast du bisher denn so alles in dem Bereich gemacht und machst du aktuell?
Hallo Nico,
Hineingeschlittert passt ganz gut zu meinen Werdegang, doch Musik & Konzerte habe ich immer schon geliebt. Mit 20 begann ich meine Ausbildung zur Krankenschwester, ich war erst seit einem Jahr wieder in Deutschland, zuvor lebte ich 7 Jahre in Florenz.
In dem Sommer war ich auf meinem ersten Umsonst & Draußen Festival (Festivalkult) als Gast zu Besuch. Mich hatte dieses Konzept, Kultur für jeden zu schaffen, neugierig gemacht. So dass ich direkt nach dem Festival recherchierte, wer hinter dem Verein steckt und dann kreuzte ich bei der nächsten Mitgliederversammlung mit 10 Pizzen auf und wollte direkt loslegen. Das tat ich auch: Von Aufbau, Abbau, in der Küche Gemüsen schneiden, Artistcare und dem Booker über die Schulter schauen, Demos anhören und Bands empfehlen aber zu dem Zeitpunkt habe ich noch nicht selber gebookt.
In dieser Zeit begann ich auch mit dem Auflegen.
Nach meinem Staatsexamen zog ich nach Freiburg in Breisgau und arbeitete dort als OP-Krankenschwester in der Uniklinik. Dort fand ich eines Abends in einer Kneipe einen DIY-Flyer, wer Lust hätte, einen CSD zu organisieren und so ging ich zum nächsten Plenum.
In Freiburg gab es zu dem Zeitpunkt noch keinen CSD, es gab vor Jahren einen, der war aber schon 10-15 Jahre her. So ging ich zum Plenum und gründete mit einigen weiteren queeren Leuten den CSD der etwas anderen Art. Kein Kommerz, keine Partei die sich für ihre nächsten Wahlen schmücken wollte oder Versicherungsvertreter, die Transpis hochhielten. Uns ging es um die politisch Message und natürlich konnte dabei gefeiert werden 😉 Dort buchten Ronny Pfreundschuh und ich das gesamte musikalische Programm.
Meinen Job als Krankenschwester musste ich nach meiner 5. Schulter-OP, neben meiner Tennisprofi-Karriere (7 Jahre in Florenz) an den Nagel hängen.
So beschloss ich Bookerin zu werden und zog nach Berlin. Dort machte ich eine Umschulung bei Springstoff als Veranstaltungskauffrau, wo ich als Bookerin tätig war und lernt Sookee kennen.
Sookee, toller Mensch, Künstlerin, Supporterin und in erster Linie Freundin. Sie machte mir einige Türen auf und dafür werde ich ihr auf ewig dankbar sein. Ich wurde Sookee Tour-Managerin und von Me and My Drummer. Durch das viele Touring lernt man so einige Menschen kennen und zu dem Zeitpunkt wechselte Sookee zum Hamburger Label, Buback Tonträger.
In Hamburg auf Tour lernte ich meinen lieben Kollegen Stephan Rath (Manager u.a von Tocotronic, Drangsal uvm.) kennen. Er wiederum verschaffte mir die Chance auf ein Mittagessen mit Thorsten Seif und Friederike Meyer, die beiden Geschäftsführer von Buback Tonträger und kurz darauf bekam ich den Job als Bookerin.
Aktuell buche ich u.a. folgende Acts: Sookee, Zugezogen Maskulin, Chefboss, Liedfett, Amewu, Derya Yildirim, Die Sauna, Anger, Sultans Court, Anoki und Lenki Balboa also vom Genre bunt gemischt. Außerdem buchen Malte von der Lacken (Booker / Uebel & Gefährlich Hamburg), Friederike Meyer und ich das Further Festival. Das Festival findet einmal im Jahr im Oktober/November im Uebel & Gefährlich statt, mit dem Fokus auf Frontfrauen.
Hui, da bist du ja schwer aktiv und mit Sookee hast du da ja auch eine Künstlerin am Start, welche sich ja auch sehr für die Frauenrechte und Gleichberechtigung einsetzt. Wie ist das denn aus Sicht einer Bookerin und Tour-Managerin innerhalb der Branche. Wirst du voll und ganz respektiert und werden deine Ansagen als Managerin auch gehört oder hast du schon auch hier und da Situationen, die nicht so toll sind?
Ich erkämpfe mir meinen Respekt jedes Mal aufs Neue in der Branche.
Zum Glück bin ich bei Buback sehr gut aufgehoben, mit meinem Chef Thorsten Seif verstehe ich mich super und habe ihm sehr viel zu verdanken. Er unterstützt mich, wo er kann und ist für mich auch ein Mentor. So einen Chef wünsche ich jedem.
Frauen in der Musikbranche haben es nicht einfach und müssen 110% geben, um angesehen und gehört zu werden. Aber diese Problematik haben wir nicht nur in der Musikbranche sondern im Allgemeinen in der Gesellschaft.
Ich würde sagen, die meisten Frauen haben nicht so tolle Situationen erlebt, wie auch ich. Ich möchte nicht die Male aufzählen, wo ich als Tour-Managerin nicht für voll genommen oder sexistisch angegangen wurde. Ich möchte mich eher darauf fokussieren, dass sowas nicht mehr passiert und mehr Frauen empowern auch im Musikbiz einzusteigen. Es macht unheimlich Spaß und jede Frau, die Interesse daran hat, sollte auch eine Chance bekommen.
Wie entdeckst du denn deine Künstler*innen und hast du da auch ein bestimmtes Augenmerk auf irgendwelche Dinge? Nach was für einem Muster sortierst du denn aus und entscheidest dann, dass das ein Act für dich ist?
Unterschiedlich. Manchmal wird mir was von Kolleg*innen oder Freunden vorgeschlagen. Ich versuche immer up to date zu sein, bewege mich viel auf Konzerten (wenn wir nicht gerade in Corona Time sind), finde aber auch viel im Netz. Ich habe kein besonderes Schema, die Musik muss mich irgendwie berühren, damit ich voll und ganz dahinter stehe und demnach auch gut vermarkten/booken kann.
Ich habe ja auch lange im Bereich Booking gearbeitet und hatte immer wieder mit “abwerben” usw. zu tun. Damals hatte ich oft mitbekommen, dass ganz bestimmte Agenturen sich vor allem darauf eingeschossen hatten, Frauen im Booking die Acts abzuwerben. Merkst du das auch und wie gehst du damit um?
Bis jetzt hatte ich keinen direkten Kontakt damit. Aber natürlich habe ich davon mitbekommen, das gehört aber irgendwie auch zum Business dazu.
Ich habe keinen einzigen Vertrag mit „meinen“ Acts, es basiert alles auf Vertrauen. Wenn sie das Arbeitsverhältnis beenden wollen, bin ich zwar Heartbroken aber natürlich können sie jederzeit gehen, wenn sie das Gefühl haben mit einer anderen Agentur weiter zu kommen.
Du erzählst, dass du bei dem Female Festival “Further Festival” mit aktiv bist. Nun, ich bin ja seit meiner Jugend großer Female Fronted Punkrock Fan und mir fällt auf, dass es immer weniger Bands gibt, wo nur Frauen aktiv sind oder zumindest Frauen mit dabei sind! Wie findet ihr denn eure Bands und wie siehst du das mit den Frauen im Musikbusiness?
Oh, da muss ich dir wiedersprechen.. haha.
Es gibt nämlich sehr wohl viele viele Bands mit Frontfrauen. Es scheitert meist daran, dass wir noch ein kleines Festival sind und wir das Budget einhalten müssen.
Vor allem im Punk/Indie Bereich gibt es sehr viele Bands mit Frontfrauen. Hier mal eben ein paar: GURR, Ilgen Nur, Rauchen, Deutsche Leichen, Mia Morgen, 24/Heaven, Acht Eimer Hühnerherzen, Alli Neumann, Jelousy, Dream Wife, Goat Girl, Cari Cari, my ugly Clementine, Hinds und die Liste ist noch sehr, sehr lang.
Es passiert gerade ein Wandel auf allen Ebenen. Auf der Bühne oder hinter den Kulissen, immer mehr ambitionierte und tolle Frauen sind im Musikbereich tätig, aber meiner Meinung nach ist da noch Luft nach oben.. 😉
Stell dir vor, du könntest einen Tag die gesamte Musikbranche nach Lust und Laune umkrempeln. Welche drei Dinge würdest du verändern wollen und warum?
Mmh.
1.) Mehr BIPOC und queere Menschen in der Branche (das wünsche ich mir längerfristig, nicht nur für einen Tag)
2.) Mehr Frauen auf den Line-Ups (da ist schon Keychange dran)
3.) Keine Vermarktung von sexistischem, rassistischem, homophoben und antisemitischem Inhalt
Welche Künstlerinnen sollten wir unbedingt mal anhören und warum?
Alle Buback Acts: https://www.buback.de/booking …haha. Scherz, könnt ihr aber natürlich auch machen.
Hier mal ein paar Empfehlungen:
Sukini – Sookees neues Kindermusikprojekt, es gibt kaum Kindermusik für die ganze Familie. Sukini schafft die Brücke, dass Eltern und Kinder gemeinsam singen und sich über Themen in Songs austauschen können: https://www.youtube.com/watch?v=8g1Loh6FBBw
Rosalia – ich finde sie ist eine der spannendsten internationalen Künstlerinnen der aktuellen Zeit. Sie singt „nur“ auf spanisch und ist trotzdem international erfolgreich. Man merkt, dass da auch ein Wandel stattfindet. Es muss nicht immer Englisch sein, um international erfolgreich zu sein. Siehe auch J.Balvin oder Bad Bunny. https://www.youtube.com/watch?v=Rht7rBHuXW8
Jorja Smith – aus aktuellem Anlass : https://www.youtube.com/watch?v=fYwRsJAPfec
Ebow – K4L finde ich einer der wichtigsten Songs der letzten 2 Jahren im Deutschrap, der erschienen ist https://www.youtube.com/watch?v=q-O9Mlwf_8E
Übrigens hat Mona Lina letztes Jahr eine Liste mit 365 female Mc*s veröffentlicht. Wer Rap-Fan ist, sollte mal einen Blick drauf werfen: https://www.365femalemcs.com/
KEKE – Newcomerin aus Wien, spätestens nach dem Trettmann Feature sollte man KEKE auf dem Radar haben: https://www.youtube.com/watch?v=H0KyQABvwGA&list=RDH0KyQABvwGA&start_radio=1
Sevdaliza – krasse Ästhetik, sehr schöne Musik und super talentiert – ob als Tänzerin, Sängerin oder Produzentin: https://www.youtube.com/watch?v=9t7SclAXoQw
Noga Erez – Israelische Sängerin , perfekte Mischung zwischen elektronischer Musik & Trap/Hip Hop https://www.youtube.com/watch?v=yz6I6zZP7OI
Kat Frankie – großartige Künstlerin und Produzentin. Hat u.a das Acapella Projekt BODIES ins Leben gerufen: https://www.youtube.com/watch?v=YB0dYtJsRsk
Ich muss zugeben das ich bei ihrer Performance im Sendesaal Berlin geweint habe. Es war grandios.
Still Corners – perfekt für einen Roadtrip. https://www.youtube.com/watch?v=p50k_kklM7g
Lous and the Yakuza – hab ich Anfang des Jahres auf den Eurosonic gesehen und bin seitdem mega Fan: https://www.youtube.com/watch?v=SDyyI2gAKrY
Sorry – fühlen sich wie The XX an, bevor sie groß wurden: https://www.youtube.com/watch?v=FiBTA5BCl1Y
Chefboss – muss man unbedingt einmal Live gesehen haben. Geballte Power! https://www.youtube.com/watch?v=mP5KHBm0ykA
Flohio – habe ich das erste mal Live in Madrid 2018 gesehen. Krasse Rap Skills. Kurz darauf hat sie auch ein Feature mit Modeselektor gemacht -> https://www.youtube.com/watch?v=T6i5zhrt658
Giorgia Angiuli – ich bin ein großer Fan der elektronischen Musik. Giorgia baut Spielzeuggeräusche in ihre Live Sets ein und zeigt, dass Techno nicht immer so ernst sein muss & trotzdem sehr powerfull rüber kommen kann: https://www.youtube.com/watch?v=v7Oki7CXowU
Tash Sultana – eine Mischung aus Jimi Hendrix und Janis Joplin. Einst Straßenkünstlerin. Mittlerweile füllt sie Arenen und Stadien, als Solo Künstlerin: https://www.youtube.com/watch?v=GVDJ8O3lPBA&t=5s
Und zu guter letzt Mia Martini, da blüht mein italienisches Herz auf. Sie sang schon 1990 in ihrem Song „Donna“ über häusliche Gewalt und das auf Rai2 – in der Zeit unüblich und nicht gerne gesehen. https://www.youtube.com/watch?v=0Z7TcuqDvDQ
Ebenso ihre Schwester Loredana Berté mit überwältigender Stimme: https://www.youtube.com/watch?v=zt68WKp3NBQ
Lass uns doch zum Schluss mal noch wissen, was du gerne noch loswerden möchtest und unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben möchtest?
All diese Künstler*innen und auch Künstler könnt ihr jedoch nicht Live spielen sehen, wenn es keine Spielstätten mehr dafür gibt. Die aktuelle Corona Krise ist in der Veranstaltungsbranche mehr als spürbar und ich hoffe, dass so viele Clubs / Agenturen / Festivals usw. wie möglich überleben werden.
Wem es finanziell möglich ist, der kann auf Startnext sein Lieblingsclub / Festival unterstützen und so einen kleinen aber wichtigen Beitrag dazu leisten das Clubsterben zu verhindern.
https://www.startnext.com/Projekte.html?q=music/fundings/crowdindex-d/10/4124&c=24
Damit die Clubkultur auch nach Corona weiterhin existiert.
Bleibt gesund! 🙂