Die 90er, ein Provinzgymnasium auf der Schwäbischen Alb. Dort gab es die Gitarrenunterrichtstreber, die alles verkörperten, was unsereins – Autodidakt und Punkrocker – verachteten. Sie waren cool (zumindest dachten sie es) und als Lohn für ihre Streberei konnten sie bald alle Bon Jovi-Gitarrensoli fehlerfrei runterleiern. Klar, das kam gut an auf dem hiesigen Stadtfest, Lob und Anerkennung waren ihnen gewiss. Zwar hatte „Runaway“ schon mindestens seine 13 Lenzen auf dem Buckel, war hierzulande aber immer noch ein aktueller Hit.
Dank Leuten wie diesen fand ich lange Zeit keinen Zugang zu dem, was landläufig und oberflächlich verallgemeinernd gerne als „Rock“ bezeichnet wurde, bzw. nach wie vor wird. Kann ja nur scheiße sein, wenn die Typen das gut finden. Erst später, man wird im Alter ja bekanntlich weiser, vielleicht auch einsichtiger oder gar toleranter, oder aber, die Schulzeit und somit die Typen liegen viel zu weit in der Vergangenheit. Ja, erst sehr viel später sollte auch ich mich diesem „Rock“ öffnen (können). Und doch war es mittlerweile zu spät, als dass ich hätte noch alles nachholen können.
Damit war es fast schon besiegelt, dass eine Band der zweiten Reihe wie Fury In The Slaughterhouse wohl eher nicht bis zu mir vordringen wird. Klar, bereits 1986 gegründet, gehörte die Band aus Hannover zu ihren Spitzenzeiten sicherlich eben auch zur Speerspitze der deutschen Rockmusik. Nicht aber für mich, der ich es dank Zeitverzögerung gerade einmal bis zu dieser anderen Band aus Hannover geschafft habe, die ja auch so was wie „Rock“ machen.
Und somit schreiben wir inzwischen schon das Jahr 2023 und ich habe tatsächlich das allererste Mal eine Fury In The Slaughterhouse-Platte auf meinem Teller liegen. „Hope“ heißt die Platte und sie soll uns nach der Corona-Pandemie und auch wegen sonstigem Unheil auf dieser Welt genau diese vermitteln. Und wie macht man das nun musikalisch? Im Hause Fury In The Slaughterhouse wohl mit vor Pathos triefenden Rockweichspülern wie dem Opener „Don’t Give Up“. Sorry Jungs, aber das ist genau das, was ich an „Rock“ auch heute noch nicht mag. E-Gitarren vermischt mit Schlagerattitüde und dazu diese aufgesetzte Reibeisenstimme. Nickelback aus deutschen Landen und ich sehe sie wieder voller Entsetzen vor meinem inneren Auge, die coolen Jungs in den 90ern auf dem Provinzgymnasium. Euer Trost: sollten die coolen Jungs von damals heute tatsächlich noch so was wie ein Abspielgerät für ein Musikmedium haben, kaufen sie eure Platte bestimmt gerne.
Danach wird es aber Stück für Stück besser, nur meine Erinnerung treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn. Da könnt ihr aber nix für, liebe Fury In The Slaughterhouse. Zum Ende von Seite A sind wir dann tatsächlich da angelangt, wo ich mich schon wohler fühle. „S.O.S.“ ist ein düsterer, ja, Rocker eben, mit coolem Gitarrenlead und einem Hauch von dem, was Rock doch eigentlich haben soll: Verruchtheit. Gut so und jetzt bin ich auch gewappnet für Seite B.
Ok, cool. „Offline“ wartet mit ordentlich Groove auf und bietet ein Rocksolo, das zwar was für die Streber ist, trotzdem aber nicht zu dick aufträgt. Der Song erinnert an die Rocksongs, die sogar die H-Blockx einst zu bieten hatten und zählt zu den weiteren Highlights von „Hope“. Danach wird’s leider wieder etwas belangloser, für SWR 1 dürfte „Why Worry“ aber das gefundene Fressen sein. Tja, und leider kommt da auch nichts mehr. „Hope“ plätschert vollends durch und dann ist auch gut.
Schade, liebe Fury In The Slaughterhouse. Ich habe mir unser erstes intensives Treffen tatsächlich etwas spannender vorgestellt. Versteht mich bitte nicht falsch, ihr seid handwerklich solide und ihr werdet eure Käufer*innen für „Hope“ garantiert unter denjenigen Altrocker*innen finden, die ihren Plattenspieler nicht kampflos all den musikalischen Schandtaten, die sich heutzutage sonst so im Mainstream tummeln, überlassen wollen. Für mich persönlich bietet „Hope“ aber zu wenig Höhepunkte, Aha-Momente und Innovationen und wirkt leider ganz schön künstlich inszeniert und anbiedernd.
Pluspunkte könnt ihr allerdings noch mit der durchaus edlen Aufmachung mit Gatefold, Inside/Out-Cover und bedruckter Innenhülle machen. Allerdings spare ich mir die Lektüre der abgedruckten Songtexte aus Selbstschutzgründen. Das Gehörte war da schon ausreichend. Aber wie sangen einst schon die Stones: „It’s only Rock’n’Roll, but I like it.“ Nicht wahr?
„Hope“ könnt ihr u.a. bei jpc bekommen.