Das liebliche Oberschwaben. In fast jedem Kuhkaff steht ne opulente Barockkirche. Wer sehen und wissen will, wo die katholische Kirche einst und wohl auch noch heute ihre ergaunerten Millionen reinpumpt(e), muss da mal hin und sich das geben.
Ganz liebe Menschen, nämlich die vier Musiker*innen von Hete, kommen auch aus Oberschwaben. Genauer aus der oberschwäbischen Metropole überhaupt: Ravensburg. Liebliche Gegend und liebe Menschen, hach das passt doch gut zusammen. Und Hete lassen den Opener “Abyss” ihres mit insgesamt elf DIY-aufgenommenen Songs bestückten Debüt-Tapes mit einer hellen – und eben lieblichen, gar fröhlichen – Kirchenglocke anklingen. Alles könnte so schön sein. Was allerdings danach kommt, zerstört das trügerische Idyll jäh. Hete poltern mit düsterem, druckvollem Post-Punk durch die saftig grüne Gegend und zeigen, dass es auch in Oberschwaben die Farbe Tiefschwarz gibt.
Ein feines Gespür für feine Melodien haben sie bei all der Dunkelheit dennoch. Vor allem die ineinander verwobenen female/male Vocals, aber auch die dezent und passend eingestreuten Gitarrenmelodien sorgen für jede Menge Eingängigkeit. Die vier würden sicherlich nicht den biblischen Judas machen und verleugnen, dass Hysterese aus dem geographisch doch recht nah gelegenen Tübingen Pate für den Sound von Hete standen, würde man sie denn auch danach fragen. Speziell der genannte Opener “Abyss” zeigt doch eine frapierende Ähnlichkeit zum Opener “Angst” von Hystereses selbstbetiteltem zweiten Album.
Ja und was macht man sonst so in Oberschwaben außer Kirchen anzuglotzen? Die vier von Hete jedenfalls, die machen ganz schön viel Musik. Speziell Natz und Egger stampfen eine geile Band nach der anderen aus dem Boden und stellen dabei ihr breit gefächertes musikalisches Interesse unter Beweis. Don Karacho, Blutgruppe Korn, v.a. aber auch Alter Egon sind weitere Bandkinder der beiden. Linoleleum entstand ebenfalls noch aus dem Hete‘schen Dunstkreis und bestimmt hab ich noch was vergessen oder übersehen.
Hete ist aber zweifelsohne das emotionalste und tiefgründigste Bandprojekt unter den genannten. Und vom Sound her auch heftig. Fette und brachiale Powerchords bilden die Grundlage und sorgen für ein Grummeln im Magen zwischen Überdruck und Crust Punk. Oder halt zwischen Misfits und Tragedy. Der hibbelige Bass dagegen sorgt für das treibende Element. Lauft Leute. Und tanzt. Und hört Hete zu. Denn zu sagen haben sie wohl auch so einiges. Nur zum Kuscheln sind sie nicht gekommen. Leider liegt dem sehr hübsch aufgemachten Pappdingens kein Textblatt oder sonstige Info bei, aber Songtitel wie “Better You”, “Frustration…Humiliation…”, “You Don’t Own Me” oder “Bad Conditions”, ja auch der Bandname selbst legen nahe, dass es Hete (bei Bandcamp gibt’s da noch die hilfreiche Ergänzung “…is part of the problem”) ernst ist mit der Freiheit und Selbstbestimmung in einer immer noch unfreien und fremdbestimmten Gesellschaft.
Gute Musik, gute Message also. Ein Cover (“Better Tomorrow”) der lokalen Punkrockinstitution D.N.I. im Hete‘schen Soundgewand rundet einen guten ersten Release ab. Mir liegt hier die auf nur 20 Stück limitierte und handnummerierte Tourversion von Hetes gemeinsamer Tour mit Scuff Marks im April diesen Jahres vor. Demnächst dürfte das Tape wohl aber auch via Dysfunctional Disco Records in größerer Stückzahl zu haben sein. Hoffentlich kommt da sowieso noch viel mehr Schmerz, Unterhaltung, Düsterkeit, Tanzbarkeit… noch mehr Hete halt aus dem ach so lieblichen Oberschwaben. Schaut mal bei Hete vorbei und holt auch das Tape.