Wenn man in Hektik, auf die Schnelle und möglichst schnell und womöglich noch unter Ablenkung Dinge überdenken möchte, seien es Welt- und Seinsfragen oder nur den nächsten Wocheneinkauf, kommt man schnell ins Straucheln. Man stolpert, die eigenen Gedankengänge stellen uns ein Bein und das Ergebnis ist meistens unzureichend und unbefriedigend, weiß man doch, dass man es besser kann. Schnell schnell, zwischendurch funktioniert halt meistens nicht. Also einen ruhigen Moment schaffen.
Auch Harry und Alfie Hudson Taylor suchen Antworten, zumindest suggeriert das der Albumtitel „Searching for Answers“ und da gibt es eigentlich nix falsch zu verstehen. Und den ruhigen Moment, den Raum, der entspannt zum Nachdenken einlädt schaffen sie mit diesem Album gleich mit. Auch wenn, abgesehen von „Will I get to roll it twice?“ (was wohl nur im Zusammenhang verständlich ist) kein konkreter Fragesatz im Titeltrack zu hören ist, geht wohl daraus hervor, dass es weniger um den Wocheneinkauf als um das große – Wer bin ich? Wo verorte ich mich? Was soll das Alles hier überhaupt? – geht.
Die Songs kommen im klassischen Singer-Songwriter Gewand daher, ein wenig poppig, so dass sie nebst der angesprochenen Ruhe auch eine Leichtigkeit ausstrahlen. Die genretypische Melancholie erhält hier jedoch nicht einen rosaroten Anstrich, sondern besteht gleichwertig neben dieser Leichtigkeit. Gefühle spielen sich ja sowieso nicht gegeneinander aus, wir wollen das vielleicht, der Einfachheit halber. Aber ne, is nicht.
Der schwächste Song des Albums ist dann allerdings doch der poppigste. „You Me Myself“ lässt zwar schnell den Fuß mit wippen und eh man sich versieht summt man auch schon gut gelaunt den Refrain. Aber hier kommt mir dann doch die Melancholie zu kurz. Der Song erscheint wie eine Antwort auf vormals gestellte Fragen, aber wenn die Antwort so leicht ist, dann scheint sie mir etwas unzureichend oder vereinfachend. Oder es ist so einfach und ich finde schlicht Fragen interessanter als die gesetzten Antworten. Oder sie waren wahnsinnig und glücklich verleibt beim Schreiben des Songs. In dem Gefühlszustand ist ja fast alles absurd einfach.
Mit dem nächsten Song „Let It Begin“ wird es wieder interessanter oder melancholischer, nennt es wie ihr wollt. Der meiner Meinung nach stärkste Song des Albums ist „Overloaded“ und mit Zeilen wie „I’m trappet inside my over-loeaded mind // Login for a space I never find“ schließt sich der Kreis zur Einleitungsszene. Auch musikalisch überzeugt und überrascht der Song. Er beginnt mit einem meditativen Intro, was für Streamingzeiten untypisch lang ist.
Ja, wir besprechen Vinyl, aber dennoch hat der Streaming-Algorithmus in vielen Fällen unterschwellig, vielleicht auch ungewollt und unreflektiert, Einfluss aufs Songwriting. Ob das bei Hudson Taylor auch so ist kann ich nicht beantworten und das Fass „Songwriting in Streaming-Zeitalter“ machen wir vielleicht ein anderes mal auf.
Zurück zum Song, es gesellen sich zu den Tasten Gitarre und Gesang, zart und zerbrechlich baut sich der Song auf. Flüchtig wie der Moment. Nach rund zwei dritteln schleichen sich neue Töne ein, sphärische Klänge geben dem ganzen noch mehr Tiefe und Eindringlichkeit. Bitte mehr davon.
Die Brüder Harry und Alfie Hudson Taylor haben mit ihrem vierten Album „Searching for the Answers“ eine solide Singer-Songwriter Platte geschaffen. Ruhiger und reifer als ihr Debüt „Singing For Strangers“ aus dem Jahr 2015, was jedoch nicht verwunderlich ist. Vielmehr wäre es ja komisch sich in sieben Jahren nicht weiter entwickelt zu haben.
„Searching for the Answers“ ist am 03.06. auf Rubyworks erschienen und liegt mir als schwarzes Vinyl vor. Dieses steckt in einer bedruckten Innenhülle, hier könnt ihr die Texte nachlesen. Ausführliche Credits findet ihr im Gatefold. Manch eine*r findet Gatefold überflüssig, solange nur eine LP drin steckt, Ressourcen und so. Stimmt natürlich, hier wurde aber die aufgeklappte Innenseite gut genutzt. Kaufen könnt ihr die Platte auch unter anderem hier. Viel Freude in ruhigen Momenten damit.