Schon in der Schulzeit gegründet in Freiberg im Teenie-Alter. Also alle Skills erworben durch das Prinzip: nimm ein Instrument, mach ne Band und spiel drei Akkorde. Soweit richtig?
Wieviele Jahre habt ihr dann gebraucht, um ein Set zusammen zu haben und das dann aufzunehmen?
Fatima:
So sieht’s aus. Alles begann im damals einzigen Proberaum in Freiberg, in dem gefühlt jede Band gestartet ist. Damals kostete die Nutzung 1€ pro Stunde, sodass sich Schüler*innen ganz easy und v.a. regelmäßig ausprobieren konnten. Das war und ist immer noch eine große Bereicherung für die Stadt. Man trifft sich mit Freunden, dreht alles auf laut, ballert auf’s Schlagzeug und das ohne Eltern. Top!
Caro:
Ja, das Pi-Haus bot uns auf jeden Fall den Raum, um uns auszuprobieren. In der Zeit lernten wir auf jeden Fall die wichtigsten Skills für die Band und vor allem für uns als Freunde.
Charlie:
Am Anfang probiert man sich als Band ja oft an Cover-Songs, um erstmal ein Gefühl für ein Zusammenspiel zu bekommen (die hatten sogar auch mal vier Akkorde :D). Dann haben wir angefangen zusammen die ersten eigenen Lieder zu schreiben und einen Stil zu finden. Dabei sind viele Songs entstanden, wo versucht wurde, unsere verschiedenen musikalischen Einflüsse sinnvoll zu verbinden. Das klang jetzt retrospektiv noch nicht ganz so rund. Als dann, ich glaube, so 2015, “How Far Will It Go” und “In Deiner Stadt” entstanden sind, hat es irgendwie Klick gemacht und wir wussten, dass wir jetzt unseren Stil gefunden haben. Die Songs haben es dann ja auch 2018 auf unser erstes Album geschafft.
Also, kurz gesagt, es hat schon mehrere Jahre gebraucht, bis wir musikalisch das gefunden haben, was wir jetzt machen. Trotzdem sind wir immer dabei auch neue Dinge auszuprobieren.
Wenn ich richtig hingeguckt habe, seid ihr zu dritt und habt immer einen Tourbassist*in dabei? Wie setzt sich denn eure Band zusammen und wie lange gibt es euch denn tatsächlich schon?
Fatima:
Caro und ich halten es schon fast 15 Jahre miteinander aus. (Und wir haben es bisher verpasst, ein Jubiläum zu feiern, weil wir selbst jedes Mal überlegen müssen, wie lange wir schon Mugge machen.) Charlie ist nur ein oder zwei Jahre später dazugestoßen und entkam diesen Fesseln nie mehr. Haha.
Charlie:
Ja, wir sind über die vielen Jahre wirklich in ein starkes Trio verschmolzen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum es nie lange mit einer festen vierten Person funktioniert hat. Das Songwriting hat es nie wirklich beeinträchtigt, da wir das schon immer zu dritt gemacht haben. Nachdem wir das erkannt hatten, war es einfacher damit umzugehen und wir sind echt dankbar, dass wir so liebe Freunde:innen haben, die uns live am Bass unterstützen.
Vor drei Jahren kam “Kommando Glitzer” und kurz darauf die weltumspannende Zwangspause durch Corona, jedenfalls was Konzerte anbelangt. Offensichtlich habt ihr die Zeit für das Songwriting genutzt.
Wie habt ihr das bewerkstelligt? Seid ihr sehr vorsichtig gewesen und habt euch nur Online ausgetauscht?
Fatima:
Wir haben kaum geprobt, aber wiederum Videochats für uns entdeckt. Einer der wenigen Gewinne aus der Pandemie. Videochats sind perfekt, um den ganzen Orgascheiß neben der Musik zu klären. Das nutzen wir auch heute immer noch häufig.
Charlie:
Kommando Glitzer ist sowohl durch Jammen im Proberaum, als auch durch das Hin-und-her-Schicken von Songideen und Demos entstanden. Daher haben wir uns beim Songwriting für das neue Album erstmal nur auf letzteres beschränkt. Dadurch hatten wir dann schon gut ausgearbeitete Songstrukturen, die wir dann bei Corona-Lockerungen weiter im Proberaum bearbeiten konnten. Das hat für uns tatsächlich sehr gut funktioniert.
Zum Glück haben wir die Technik, um sich in solchen Zeiten austauschen zu können.
Wie hat sich diese Situation auf euer Bandgefüge ausgewirkt?
Fatima:
Ich habe das Gefühl, dass die Pandemie uns auf persönlicher Ebene noch mehr zusammengebracht hat. Klar hat man sich in Präsenz kaum gesehen, aber v.a. mit Caro habe ich noch nie so viel geskyped wie in dieser Zeit. Und dabei ging es sowohl um Bandkram als auch Privates. Viel Psychohygiene durch Quatschen, Zuhören, gemeinsam lachen oder deprimiert sein.
Caro:
Wir kennen uns einfach auch schon so lange, dass diese Zeit uns nicht auseinander gebracht hätte. Dafür gab es keinen Grund. Wir wussten auch, dass diese Konzertpause irgendwann vorbei sein muss und wir danach dann umso mehr Gas geben können. Und das hat sich auch bewahrheitet.
Bevor wir uns ein paar Songs von eurer neuen Platte “heiß und dreckig” anschauen, denn hören kann man sie ja gerade nur in kleinen Appetithäppchen (Video-Auskopplungen), zuerst die Frage zu eurem Cover:
Was hat euch zu diesem Teenie-Zeitschriften-Style veranlasst – habt ihr wieder Sehnsucht nach der Jugend? Wer von euch hat denn die Bravo regelmäßig gelesen?
Charlie:
Ich hab die Bravo tatsächlich nicht gelesen, aber ich bin dennoch “Fan” von Klatschzeitschriften: meistens völlig abstrus und ein Spaß für die ganze Familie.
Fatima:
Ich hab mir die Bravo gern in der Kinderbibliothek ausgeliehen. Damals war das noch cool. Und zum Albumcover: Caro hatte die witzige Idee. Die Songtexte sind schon ernst genug und irgendwo mussten wir unsere humoristische Seite ausleben.
Caro:
In der Corona-Zeit habe ich öfter mal alte Zeitschriften von meinen Eltern in der Hand gehabt, besonders wegen der Rätsel-Seiten, haha, was man in dieser langweiligen Zeit halt so gemacht hat. Das Design scheint mich wohl beschäftigt zu haben, denn dann wollte ich unsere eigene kleine Tratsch-Zeitung mit Rätsel-Spaß, haha.
Seit 03.03. ist der Eingangstitel “Influenza” als Video raus. Der Song beginnt hart, schneller Punkrock mit deutschem Gesang. Dann ein bisschen Melodic-Core, ein bisschen Metalgequietsche und eine sich fast überschlagende Stimme – so verpackt, dass ich echt Freude daran habe dem abwechslungsreichen Songwriting zu folgen!
Wie auch immer, offensichtlich fucked euch das ganze Social-Media-Ding ordentlich ab.
Seid ihr da alle derselben Meinung? Als Band muss man doch eine gewisse Präsenz haben, auch Videos machen gehört dazu? Und ohne Smartphone kann ja heutzutage offensichtlich keiner mehr (über)leben.
Charlie:
Social-Media bietet leider ein großes Suchtpotenzial und hat sicherlich auch bei einigen Nutzer:innen einen schlechten Einfluss auf die psychische Gesundheit, da bei manchen Inhalten die Realität stark verzerrt wird, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Andererseits finde ich schon, dass Social-Media ein gutes Werkzeug ist, um Artist und Fan mehr miteinander zu verbinden. Man muss einen “normalen Umgang” damit lernen.
Fatima:
Ich würd ich hier vom Schwarz-Weiß-Denken Abstand nehmen, dass es entweder ein Leben frei von Social Media oder eins nur noch mit ihnen gibt.
‘Influenza’ benennt die Absurdität dieser Plattformen. Sie schaffen zwar große Netzwerke, bieten Informationen en más und sind gleichzeitig eine Präsentationsplattform, aber wenn ich Jugendlichen und Erwachsenen begegne, die ihr halbes Leben danach ausrichten, die denken, sie müssten so perfekt wie ihre Filter-Bilder-Vorbilder aussehen oder die sich radikalisieren, weil sie nicht verstehen, das ein Algorithmus ihren Feed bestimmt, dann macht mich das wütend. Abgesehen davon: Keine Band MUSS irgendwas. 😉
Dass du, Caro, nur deutsche Texte singst, ist man von euch ja nicht unbedingt gewohnt. Bisher zweisprachig. Ich greife da voraus: ihr zieht das diesmal auf dem ganzen Album durch.
Wenn wir gleich den zweiten Song mit einbeziehen wollen “verliebt” (oder auch “Achtung: Einspruch” “Krieg” “Kartoffelsalat” …), werdet ihr diesmal auch sehr deutlich.
Hattet ihr das Gefühl, klarere Aussagen machen zu müssen? Und das die Muttersprache dabei hilft?
Caro:
Dazu möchte ich erstmal betonen, dass Fatima und ich uns die erste und zweite Stimme teilen. Bei den von dir genannten Songbeispielen singt Fatima zum Beispiel bei “Achtung: Einspruch” und “Kartoffelsalat” die erste Stimme.
Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder mit der Sprache auseinandergesetzt, die wir singen wollen. Meistens kam es aber einfach immer spontan, je nachdem, wer von uns die Texte geschrieben hat. Mir fällt das Schreiben von englischen Texten nicht so leicht, daher schreibe ich immer lieber auf Deutsch bzw. müssen die anderen dann die Rechtschreib-Grammatik-Keule auspacken und korrigieren, haha. Ich nehme mir beim Songschreiben meistens nichts vor. Das bedeutet, ich setze mich jetzt nicht hin und sag “heute schreibe ich einen Song gegen oder für irgendwas”. Es kommt einfach aus meinem kleinen Kopf, wenn mich was beschäftigt.
By the way: wieviel Anteil haben den Fatima und Charlie an den Texten, bzw. wie teilt ihr euch das Songwriting auf?
Fatima:
Zusammengefasst schreiben Caro und ich die Texte für die Band ca. zu gleichen Teilen. Auf der ‘Heiß und dreckig’ sind mehr Lyrics von Caro zu finden. Auf den anderen Alben ist es eher ausgeglichener. Die Texte werfen wir meistens mit Akkordideen in die Runde. Dann wird daran mehr oder weniger rumgebastelt. Charlie trägt vor allem melodisch seinen Teil dazu bei.
Caro:
Charlie und ich treffen uns meistens dann, wenn er eine Songidee von Fatima und mir cool findet und wir schauen, wie es zwischen den Gitarren klappt. Damit gehen wir dann irgendwann in den Proberaum und basteln mit Fatima gemeinsam weiter. Manchmal ist dann ein Lied ganz schnell fertig. Es gibt aber auch Songs, die einfach immer wieder rausgeholt werden müssen, weil wir noch nicht zufrieden sind, aber an den Song glauben.
Ein wenig nehmt ihr euch ja das Eingängige, die catchy Songhooks, wenn ihr auf deutsch singt, unsere Sprache ist ja schon etwas sperriger, oder sagen wir widerspenstig. Was macht denn am Texten am meisten Spaß?
Caro:
Ich hab nicht das Gefühl, dass wir uns Songhooks wegnehmen, nur weil wir auf Deutsch singen. Wir singen halt anders, aber dennoch bringen wir Harmonien mit in die Songs ein. Fatima und ich würden sicherlich auch Songs manchmal unterschiedlich singen, so vom Grundgefühl her. Das ist total spannend und macht auch Spaß, weil wir manchmal auch gewisse Stellen anders betonen wollen. Das dann tight abzustimmen, macht schon Bock.
Fatima:
Du musst dir die Songs ein paar Mal anhören, dann kommt das kleine Ohrwürmchen von ganz alleine, haha.
Insgesamt würde ich behaupten, hat euer Album schon eine ordentliche Portion Wut in den Melodien stecken. Wirkt recht pissed über viele soziale, gesellschaftliche Dinge.
“Sie gab sich dir hin, egal wann du es wolltest / Bei jedem Stoß ging ein Stück von ihr kaputt / Mit der Heirat wurdest du zum Tyrann / Sie wollte nur noch weg von dir, das war ihr Plan.”
Denkt ihr, ihr könnt mit eurer Musik tatsächlich etwas, jemanden, erreichen und durch die Aussagen, die klaren Ansagen, bspw. wie in “sie träumt” und “Übergriff”? Oder denen, die ihr erreichen wollt, helfen?
Caro:
Puh. Ich mach mir beim Schreiben meiner Songs echt keine Gedanken, ob ich damit jemanden erreiche. Ich schreibe mir einfach nur Dinge von der Seele, die mich beschäftigen. Wenn das einer Person helfen sollte, dann ist das schön. Muss es aber auch nicht. Es kann auch einfach nur Dinge ironisch aufzeigen, kritisieren und provozieren.
Ihr seid ja eine recht engagierte Band, habt auf eurer Homepage eine kleine Kategorie “übelst coole Aktivitäten”, in der ihr Hilfsorganisationen verlinkt. Obdachlosenorganisationen, Seenotrettung und und und.
Auch seid ihr auf einer Menge Soli-Sampler vertreten. Als Beispiele “zusammen durchbrechen wir alle Mauern” oder “to the front”.
Wie kann denn der Einzelne etwas tun, in dem, auch in diesem Bereich, sehr großen Angebot an Hilfsmöglichkeiten?
Caro:
Wir verweisen auf Projekte/Aktionen/Vereine etc., die wir unterstützenswert finden. Was der Einzelne tun kann, ist schier unbegrenzt. Je nachdem wie viele materiellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen eine Person aufbringen kann. Die einfachste und kostengünstigste Variante ist, über Tabuthemen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit zu reden, z.B. mit Freunden und der Familie. Da wird relativ schnell klar, dass gewisse Themen doch mehr Menschen betreffen als man eigentlich dachte. Außerdem freuen sich viele Angebote über finanzielle Unterstützung, z.B. Mission Lifeline, weil diese ohne finanzielle Mittel nicht so helfen können, wie sie es wollen. Wie viel die einzelne Person aufbringen kann, ist ihr selbst überlassen und sollte aber auch auf gar keinen Fall bewertet werden. Wenn man vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht kann, aus welchen Gründen auch immer, dann vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt. Aber es sollte jedem bewusst sein, dass er die Möglichkeit hat, auf Themen hinzuweisen und sich zu engagieren. Wir müssen nicht schweigen.
Das letzte Album war noch mehr Glitzer. Ich habe schon das Gefühl, klar, durch die Lyrics, dass ihr ernster geworden seid. Würdet ihr das auch so sagen?
Charlie:
Ich würde schon sagen, dass wir auf den vorherigen Alben schon immer solche Lieder hatten. Aber sicherlich sind diesmal mehr ernste Themen und Ereignisse eingeflossen, die nicht zuletzt durch die durchgehend deutschen Texte besser zum Ausdruck kommen. Wir wollen uns aber selbst auch nicht zu ernst nehmen, das beste Beispiel dafür bleibt unser neues Album Artwork ;).
Fatima:
Da stimme ich Charlie zu. Unsere Diskografie besteht fast nur aus “ernsten” Texten – das scheinen wir am besten zu können. Ich denke, dass die ausschließlich deutschen Texte v.a. dazu beitragen, denn Songs in der Erstsprache wirken stärker auf die Zuhörer*innen. Unsere selbstironische Ader leben wir an anderer Stelle aus. 😀
Dead End Kids machen Punkrock. Der ist ja oft provokativ, aber auch sozialkritisch oder auch sehr lustig. Ist Punk politisch?
Fatima:
Kein Punk ohne zumindest einen Hauch eines politischen Statements.
Charlie:
Sehe ich auch so, klar gibt es immer Bands wo der Spaß im Vordergrund steht und das ist auch gut so. Punk ist so vielfältig, dass ich behaupten würde, dass sich die vielen Subgenres zwar musikalisch, aber nicht unbedingt von den Inhalten unterscheiden. Egal ob Hardcore-, Crust- oder Deutschpunk, Politik ist trotzdem in irgendeiner Art und Weise immer enthalten.
Caro:
Warum sollte Punk nicht politisch sein?
Der letzte Song des Albums ist ein Coversong von Turbostaat & Beatsteaks “Frieda und die Bomben”. Der Text ist ja, im Gegensatz zu euren eigenen Lyrics, ziemlich sperrig. Was bedeutet er euch, was hat euch dazu bewegt, diesen Song auszusuchen?
Charlie:
Ich würde sagen, dass wir alle Fans der Beatsteaks sind, wobei Caro da nochmal eine viel größere Leidenschaft pflegt. Der Song wurde von ihr vor vielen Jahren als cooles Live-Cover vorgeschlagen und ist seitdem fast immer in der Setlist enthalten.
Jetzt war es mal Zeit das Lied auch auf einem Album festzuhalten und ich empfinde das auch passend zwischen den ganzen deutschsprachigen Liedern.
Ansonsten verbinde ich mit dem Song auch immer eine schweißtreibende Live-Performance und die Einladung zum Radioeins “Sound & Stories”- Interview mit M.C. Lücke.
Zum Abschluss dieses Interviews ein Ausblick auf dieses Jahr!
Euer Konzertkalender ist recht voll, kommt da noch mehr?
Caro:
Das stimmt, der Konzertkalender ist so voll wie noch nie! Besonders freuen wir uns auf die vielen Festival-Termine. Das wird für uns eine neue Erfahrung. Es kommen hier und da noch Termine hinzu, die dann zu gegebener Zeit veröffentlicht werden.
Fatima:
Die aktuellsten Konzerttermine gibt es hier: audiolith
Und hier nun das aktuelle Video zu „verliebt“
Viel Spaß und holt euch ab 31.03. die neue Scheibe!