“Shanghai Schaschlik” heisst das neue Buch vom Oiro Mann Jonny Bauer, diesmal zusammen geschrieben mit seinem langjährigen Kumpel Jenz Bumper. Genau wie sein Erstlingswerk “Scheiternhaufen” erscheint es beim kleinen Duisburger Verlag “Salon Alter Hammer”.
Um es vorweg zu sagen: Ich werde hier nicht objektiv berichten, sämtliche Feuilleton Regeln werden bestimmt missachtet, ich gebe einen Scheiß auf irgendeine Journalistenehre. Denn ich bin ein Fanboy.
Genauer: Ich liebe diese Männer. Sie werden es nicht wissen, aber sie sind sehr wichtig in meinem Leben.
Jonny brachte in den 1990er Jahren unter seinem bürgerlichen Namen das “Blurr” Fanzine heraus und genau dieses Blurr erwischte mich in meiner Punk-Pubertäts-Hochzeit. Kannte ich zu diesem Zeitpunkt nur das Plastic Bomb, welches das schön prollige Klischee Bild des allgemeinen Ruhrpottpunkers mit Iro perfekt verkörperte, und das Ox, welches sich zwar musikalisch toleranter präsentierte, aber doch etwas dröge rüberkam, öffnete mir Jonny mit seiner Gazette die Augen. So ging Punk also auch?! Skateboards, Bier, Vegetarismus und Häkelanleitungen für Topflappen( lange vor Instagram und Pinterest)? Rezepte für selbstgemachte Bowlen erscheinen im gleichen Heft wie Anleitungen zu politischem Ungehorsam? Wie geil ist das denn!
Auch musikalisch öffnete das Blurr mir den Punk Horizont: Es gab doch tatsächlich noch anderes Zeug als die Bands vom Schlachtrufe Sampler!( Naja, das wusste ich zu dem Zeitpunkt eigentlich schon, aus Dramaturgie Gründen lasse ich es aber so stehen. :-)) Hätte es das Blurr nicht gegeben, ich hätte der Subkultur Punk wahrscheinlich den Rücken gekehrt, bevor ich an Deutschpunk Langeweile gestorben wäre.
Eine der Bands die damals im Blurr heftigst abgefeiert wurden, waren die Jet Bumpers und auch ich wurde sofort vom Rock’n’Roll-Garage-Blödian-Punkrock Virus infiziert. Jet Bumpers hatten einen dreckigen Sound, klangen schön amerikanisch und sangen über Themen, die mich damals mehr interessierten als Texte über Bullenstress: Die Liebe, Leute, die zu viel redeten, Roboter, Kaugummi, Technofreundinnen. Und es gab diesen Übersong über Milhouse von den Simpsons.
Wer wäre nicht gern wie Milhouse?
Die Jet Bumpers lösten sich nach zwei hervorragenden Alben und paar Singles auf und auch das Blurr verschwand von der Bildfläche.
Doch kein Grund zur Tristesse. Jenz machte mit den famosen Dirtshakes weiter und auch Jonny machte plötzlich Musik. Oiro hatten das Licht der Welt erblickt und machten genau die Musik auf die ich stehe. Nämlich gute.
Für nächstes Jahr ist ein neues Album angekündigt und ich freu mich jetzt schon wie Bolle.
Aber vorher gibt es noch dieses schmale Büchlein. Der Klappentext verrät: “Es ist die Geschichte der Chinarestaurants außerhalb Chinas: Egal wo man hinreist, das Chinarestaurant ist immer schon da.”
Damit ist auch schon fast alles Wichtige gesagt. Jenz und Jonny sitzen in ihrem Volvo 340 und beackern auf einer Lesereise Deutschlands Buchhandlungen, Kulturzentren und Lesekreise. Irgendwann haben sie zuviel von Damen mit asymetrischen Frisuren und Dorfbuchhändlern, die jeden Kunden am liebsten umarmen möchten . Sie hauen ab. Machen ihre eigene Tour.Sie essen eh jeden Abend in chinesischen Restaurants, warum nicht also das Geheimnis der acht Kostbarkeiten erkunden?!
Auf dieser Tour erzählen sie sich Geschichten, die mal mehr oder weniger mit chinesischem Essen zu tun haben.
Man merkt den beiden an, was für einen Spaß es gemacht haben muss, diese Geschichten zu aufzuschreiben. Geschichten aus dem Tourleben. Von der Arbeit. Irgendwas vöm Hörensagen Aufgeschnapptes. Mal habe ich laut gelacht, manchmal geschmunzelt, da mir die Situation so vertraut erschien. Gelangweilt habe ich mich nie, ich wurde zwei Vormittage bestens unterhalten.
Klar, man könnte kritisieren, dass das Buch doch recht dünn ausgefallen ist, es irgendwie auch keine richtiger Roman ist, obwohl es vorne drauf steht. Die Handlung ist überschaubar, das Ende irgendwie sehr plötzlich und konstruiert. Könnte man kritisieren. Wenn man möchte. Ich möchte es aber nicht.
Dafür liest man zu viel Herzblut raus, es steckt viel Liebe zum Detail sowohl in den Geschichten als auch in der Aufmachung.
Für alle, die nicht gerne lesen: Das Buch ist auch als Hörbuch bei Grand Hotel Van Cleef erschienen, sowohl als CD als auch als Stream erhältlich und lohnt sich auch. Dadurch, dass es von einer Frau vorgelesen wird, wechselte der Ich-Erzähler in meinem Kopf das Geschlecht und die Geschichten bekamen irgendwie eine ganz neue Richtung.
Ein Buch, dass sich auf jeden Fall lohnt, auch wenn man nicht soviel mit den beiden Autoren verbindet wie ich.
Hier das Hörspiel kaufen: jpc.de