Die Nadel senkt sich in die Rille und ich nehme als dominante Instrumente Flöten und eine Orgel wahr, die sich in einem “Prolog” mit den restlichen Instrumenten in einer Melodie verlieren, die für mich sehr nach einem instrumentalen SiebzigerJahre Sound klingt. Immer wieder übernehmen Gitarre und Orgel das Ruder. Es ist mein 50. Beitrag für den Vinyl-Keks und ich bin mal gespannt, was mich da noch erwartet. Es geht nach Norwegen, Oslo, um genau zu sein. Zur Band JORDSJØ, deren Namen ich mit Erde-Meer per Google übersetze. Ein Duo, bestehen aus Håkon Oftung und Kristian Frøland. Die Band selbst bezeichnet ihre Musik als Østfold-basierte Sounds, inspiriert von alten Hütten, schwedischem Prog, Fantasy-Romanen und norwegischer Natur. Das Album verspricht von Außen schon durchaus viel. Ein wunderschönes Artwork zieht über alle vier Seiten des Gatefold. Das Innensleeve enthält noch ein Bild, das mich an die Geburt Jesu erinnert, aber laut Band den “Homo Pastoralis” darstellt. Die Rückseite enthält neben den üblichen Informationen, die spärlichen Texte der Songs. Alles sehr hübsch zusammengestellt.
Soweit so gut, Prog-Rock war bisher nicht mein Beuteschema und deshalb fällt es mir schwer sich auf fremden Terrain zurecht zu finden. Laut Pressestimmen halten JORDSJØ die Flamme des klassischen Progs hoch. Viele der genretypische Instrumente sind auf “Pastoralia” vertreten: E-Gitarre, akustische Gitarre, Hammond-Orgel; Moog-Synthesizer, Klavier, E-Bass, Schlagzeug, Streich und Blasinstrumente. Das gibt der Musik schon mal so einen warmen Touch der Siebziger Jahre. Das ganze Album weist zahlreiche Prog-Quellen vor und ist damit, so habe es irgendwo gelesen, das Revier für Prog-Trüffelschweine, um hier nach Leckereien zu suchen. Aber das Album ist nicht nur Prog – an manchen Stellen wird es angenehm rockig und jazzig. “Pastoralia” soll laut Presseinfo ein utopischer Ort sein, wo jeder Tag wie eine tropische Nacht anmutet und die Waldleute um Lagerfeuer herumtanzen. Hört man den einzelnen Songs zu, so kann man das durchaus nachvollziehen, denn jeder Song geht auf seine eigene Reise. Dazu benutzen JORDSJØ sehr zurückhaltend die eigene Muttersprache, so daß weite Passagen des Albums instrumentale Passagen sind.
Ein sehr typisches Musikstück ist “Skumring i Karesuando“, dass sehr rockig mit Querflöten-Lead daherkommt. Das erinnert natürlich an Ian Andersson’s Jethro Tull, aber bleibt immer JORDSJØ. Der über sieben minütige Song hat herrliche Rockpassagen, aber auch sehr ruhige Stellen, die schön in Szene gesetzt werden. Herrlich wie Orgel und Flöte dann den fast stehen gebliebenen Song in Schwung bringen. Richtig handwerklich gut finde ich das Instrumental „Fuglehviskeren“. Fixstern ist hier ein hypnotisches Motiv auf der akustischen Gitarre. Hier zahlt sich das Vinyl aus, dass die Dynamik und Klangspektren der organischen Instrumente schön in den Raum stellt. Das es auch anders geht, zeigen JORDSJØ dann mit “Mellom Mjodurt, Marisko Og Sostermarihånd“, wo die Band sehr rockig abgeht und den Song sehr transparent um das beschwingte Hauptmotiv herum strukturiert hat. Anfangs ist es die Querflöte, welches das Motiv vorstellt, später über nimmt die Gitarre und gibt zugleich noch wenig mehr Tempo.
Wer mal an der Musik von JORDSJØ schnuppern, möchte kann das hier tun. Es handelt sich um das Titelstück “Pastoralia”.
Mehrmaliges Hören des Albums, machen Spaß, denn man entdeckt immer wieder neue Details, sollte aber bereit sein, der Band auf ihren Wanderschaften zu folgen. Hier findet man auf der nächsten Wiese direkt das verspielte Song-Motiv, welches gute Laune verbreitet. Diese Wanderung führt durch irreale Soundlandschaften, von denen mir einige zu jazzig sind. Unterm Strich bleibt ein hervorragendes Album voller verspielter Melodien. JORDSJØ achten aber geschickt darauf, dass der Hörer nicht erschlagen wird durch die vielschichtigen und komplexen Arrangements, sondern statt dessen sich an den glasklaren Klängen der Natur-Instrumente erfreuen und somit in die Traumwelt der Norwegen abtauchen kann.
Ich bin mal ganz ehrlich Leute, da ich selbst kein Prog-Rocker bin, kann ich aber mit tiefster Überzeugung entsprechenden geneigten Hörern das Album ans Herz legen. Ich denke, wenn es am Ende mir ein Spaß und gute Unterhaltung geboten hat, wird es in der Fanschaft erst recht positiv aufgenommen. Somit ein Muss für den skandinavischen Prog-Freund, ein Kann für den Neuling, der auf diesem Juwel vieles entdecken wird und ein Vielleicht für interessierte Mutige. Das Album könnt ihr direkt hier bestellen.
Das es dir “schwer fällt, dich auf fremden Terrain zurecht zu finden” glaube ich dir nicht so ganz, Thomas. Nach schon 50 Berichten über Bands, Plattenläden oder Platten hast du die gute Gabe, dich auf die verschiedensten Genres einzulassen und dann auch noch recht gut bewertest. Bedeutet z.B. auch, daß du bei etwas schwierigen Platten immer auch das Positive herausstellt. Daher macht es auch immer Spaß, deine Vorstellungen zu lesen, auch wenn es nicht immer meine Musik ist. Weiter so!