Kaltfront, die Zweite: “Wenn Es Dunkel Wird”. Klingt nach großem Entertainment, ist auch großes Entertainment. Und zwar nach modernen Maßstäben. So haben Kaltfront auf dem bereits 2017 auf Rundling erschienenen Album nicht nur neue Songs, sondern auch ein paar alte Klassiker in neuem Soundgewand untergebracht. Allen voran sei sicherlich “Sex & Violence” genannt. Der war damals schon gut und klingt auf neu noch besser. Fetter eben, jedoch nicht übertrieben. Klar, Kaltfront sind und bleiben immer noch eine Punkband mit Wavekante und Produzent Ricardo Röpke hat es auch dabei belassen. Und die Band soundtechnisch trotzdem auf ein neues Level gehievt.
Von den neuen Sachen auf “Wenn Es Dunkel Wird” gefällt mir am besten “Es reicht mir nicht”, der Opener von Seite B. Super Gitarrenlinie, schön mit Chorus und somit wavig gespielt, umschmiegt einen fast schon fröhlichen und nach NDW klingenden Gesang, der ein altes und trotzdem noch lange nicht ausgelutschtes Thema anspricht: den (überflüssigen) Konsum. Für Kaltfront-Verhältnisse zwar in relativ simpler Sprache vorgetragen, bringt der Song dieses Thema abermals in fast all seinen, zum Gesamtproblem beitragenden Facetten auf den Punkt. Kommt gut.
Aber auch der Rest lässt sich nicht lumpen. “This Is A Happy Generation” ist ein weiteres Highlight mit seinen druckvollen Chören. Ach, und überhaupt passt da alles, da beißt keine Maus den Faden ab. Auch wenn die Platte Stand heute schon rund fünf Jahre auf dem Buckel hat, bietet sie für mich eine Frischzellenkur unter all den Muff Potter-Klonen, die den Deutschpunk von heute definieren. Der Song “Unterhaltung” trägt seinen Namen nicht zu Unrecht und ist der hörbare Beweis dafür, dass düstere Themen nicht um jeden Preis in ein emomäßiges Soundgewand gepackt werden müssen, sondern zwischendurch auch mal ein herzerfrischendes Rock’n’Roll-Riffing ganz gut verkraften können.
Dass ausgerechnet die alten Recken aus Dresden dem Deutschpunk-Nachwuchs das Rocken beibringen müssen, ist zwar einerseits schade. Und andererseits bleibt die Hoffnung, dass die Jugend sich lernwillig zeigen mag. Also, ihr da draußen, die ihr plant, auf deutsch vorgetragenes Punkliedgut zu komponieren und auch vorzutragen: hört euch das Album hier von Kaltfront an und macht was draus! Die bloßen Konsument*innen ebensolcher Musik kommen natürlich auch auf ihre Kosten und haben den Vorteil, sich dem reinen Genuss hingeben zu können.
Klar, optisch wie wohl immer bei Kaltfront jetzt nicht so ganz der Genuss, bleibt die Band ihrem absolut minimalistischen Stil, das Artwork betreffend, treu. Aber: immerhin Inside/Out-Cover dieses Mal. Alle Texte sind auf dem Inlay zu finden; auch dieses kann zu Inspirationszwecken, aber auch einfach nur zum konsumieren genutzt werden. Ach nee, das mit dem Konsum ist ja so eine Sache, gell?!
Für den käuflichen Erwerb (Euphemismus für “Konsum”) des großformatigen Tonträgers (umständlich für “LP”), wendet euch doch am besten direkt an den für Produktion und Verbreitung verantwortlich zeichnenden Musikverlag (geschwollen für “Label”), Rundling. So, noch weniger attraktiv und konsumverhindernd kann ich diese Information nun bei Gott nicht weitergeben. Ist in dem Fall eh vergebene Liebesmüh, denn bei “Wenn Es Dunkel Wird” ist Konsum kein Frevel, sondern ein Muss. Ausnahmsweise!