Eine Sache vorneweg:
Bei Arthaus Filmen passiert es mir gerne, dass ich mir den Trailer anschaue, absolut begeistert bin und nach dem ganzen Film dann mit mehr Fragezeichen überm Kopf aus dem Kino komme als ich rein gegangen bin. Es ist also wieder passiert, es hat meinen Intellekt überschritten. Und ich habe das Gefühl, so geht es mir hier auch. Macht aber nix, weil es gibt ja schlauere Menschen als mich, die eventuell, weil sie genau das hier lesen, die Platte hören und mir dann irgendwann mal erklären, was hier eigentlich passiert.
Zwischen Lo-Fi, Störgeräuschen und sphärischen Klängen konstruieren Khavn and the KontraKino Orchestra ein Soundtrack für einen Kinofilm, ein Soundtrack für einen Film der nicht wirklich existiert. Vielmehr wird man dazu eingeladen, sich den besagten nicht existierenden Film beim hören des Albums selbst auszudenken und die Storyline, der Wechselhaftigkeit der 18 Songs kontinuierlich anzupassen. Achtung: Kann trippy werden. Erschienen ist das Werk via Rheinschallplatten.
Dass kein Film dazu existiert, stimmt allerdings nicht so ganz. Denn Khavn hat mit seinem ca. 33 Personen umfassenden Improvisationsorchester, einen bereits im Jahr 2013 erschienen philippinischen Horrorfilm, der wiederum aus Teilen verschiedener anderer philippinischer Horrorfilme aus den Jahren 1912-1933 besteht, vertont.
Aus Ermangelung eines Live-Videos vom Album hier irgendeins damit man eine Vorstellung bekommt was da so passiert.
Und genau so klingt Khavn and the KontraKino Orchestra – wie gemacht für das Vertonen von schrägen, verstörenden und verrückten Stummfilmen aus einer anderen Zeit. Eins ist für mich jedenfalls klar während ich den untypischen und zum Teil atonalen Klängen lausche: Entweder jemand hat sich tatsächlich was bei der Sache gedacht und das alles in mühevoller Kleinstarbeit arrangiert, dann sollte dieser jemand eventuell professionelle Hilfe aufsuchen, oder das Album ist von vorne bis hinten durch improvisiert – dann sollten sich mehrere professionelle Hilfe suchen.
Nein, mal ganz im Ernst, was Khavn and the KontraKino Orchestra hier zusammenbauen ist sicher nicht Jedermanns oder Jederfraus oder Jederwems Sache aber eins ist es ganz sicher: ziemlich abgefahren und anders.
Alle Musiker:innen wissen ganz sicher was sie tun, aber tun es gleichzeitig so, dass es den Anschein hat, immer wieder kurz davor zu sein, in absolutes Chaos zu verfallen nur um dann doch wieder die Kurve zu kriegen.
Knapp die Hälfte des Album lauft auf instrumental. Stimmen oder gar Gesang gibt es bei sieben von achtzehn, der auf Vinyl festgehaltenen Stücke. Und auch bei diesen sieben Songs, würde ich wiederum nur bei einigen wenigen von Gesang sprechen wollen – viel eher von geisterhaftem Gemurmel oder aber von Störgeräuschen begleitetem Gesäusel. “Richtiger” Gesang würde zu dem Klangschauspiel aber auch nicht wirklich passen, denke ich.
Während ich mich so Song für Song durch die Platte arbeite und zwischen Bewunderung und Verwirrung hin und her pendle ergibt der Titel “The Woman Who Went Mad” dann auch zunehmend Sinn.
Alles in allem eine sehr spannende Geschichte. Quasi ein musikalischer Long Island Ice-Tea – da wird so viel rein gemischt, dass am Schluss eh keiner mehr checkt was Sache ist. Auch die Platte selbst, und da vor allem das Cover-Artwork, schlägt in die Verstörungs-Kerbe. Gruselgestalten, die sich beim treffen Anonymer Improvisationsmusiker:innen kennengelernt haben oder so. Jedenfalls ein sehr stimmiger Gesamteindruck.
Wenn ihr über den Tellerrand schauen wollt, zieht euch das Teil mal rein.