Musik, Rausch und Gewalt – doch dazwischen ist noch ganz viel Platz für Liebe! Hier kommt die nächste Folge des tierischen Rock’n’Roll Roadtrips zum fetten Punkrock Soundtrack, der heute von Kuballa kommt:
Rattster – Das Short-Story-Review
Folge #5 – kuballa, Album: „Auf den Dächern der Stadt“
Halt mich fest Und die Menschen die gar nichts haben Halt mich fest Auf den Dächern in der Stadt Halt mich fest Denn am Ende ist alles anders Halt mich fest Oder nichts mehr oder Wodka (Halt mich fest, B-Seite, kuballa)
Der schnelle Deutschpunk-Song der Band Kuballa ertönte nun schon seit einer Weile hoch über den Strassen. Wie ein hörbarer Kompass war der Song des Ludwigsburger / Stuttgarter Quintetts, den Ratte und Hamster im Wechsel brüllten. Die Punk-Beats trommelten sie auf Blitzableiter und Dachpfannen.
Dieser Sound vom Label Krachige Platten und dem bandeigenen KBLA RCRDS passte zu ihrer Situation, schweißte zusammen.
Auf den Dächern der Stadt brannte die Sonne schonungslos auf Ratte und Hamster herab, versengte selbst von unten ihre nackten Sohlen, es roch scharf nach weicher Teerpappe. Benommen von flirrender Hitze und Bitumen-Ausdünstungen kletterten sie umher, um ihre Vinylsammlung und Soundmaschine zu retten. „Ich hab nen tierischen Brand“, ächzte Ratte, dem der Abend in Hofrattes Kellerkneipe nachhing. „Kaltes Klares Wasser!“*, stichelte Hamster scharfzüngig. „Oder Wodka!“, krächzte Ratte störrisch.
Sie befanden sich bereits kurz vor dem Ziel, Copycats geheimes Merchlager, in dem sie ihre gestohlenen Sachen vermuteten. Doch ihre beste Feindin Copycat hatte wachsam eine Biowaffe zur Abwehr installiert. Sie hatte auf dem Dach-Areal ekelhafte, mikroskopisch kleine Gondii-Parasiten ausgeschieden, mit denen die beiden ahnungslosen Freunde sich infiziert hatten.
Im Krankheitsverlauf entwickelte sich daraus Toxoplasmose, diese beeinflusste massiv die angeborene Abscheu von Nagern gegen Katzen. Bei Copycats spezieller Variante traten folgende Symptome auf: Herzrasen, Übelkeit, Schweißausbrüche, Euphorie, Extase und so weiter. Kurz: Schwere Schockverliebtheit – in Katzen (!)
Aus knapper Entfernung taxierte Copycat unbemerkt die beiden Nager. Ratte und Hamster kraxelten eben eine krumme Metallleiter empor. Siegesgewiss trat die athletische Siamkatze mit den glänzenden Thaibox-Hosen ihnen entgegen:„Hey, sucht ihr mich? Hier bin ich!“
Ratte und Hamster wurden spontan überwältigt, als eine gigantische Dosis Oxytocin plus Dopamin zusammen mit einer Welle Toxoplasmose-Erregern ihre Blutbahn flutete. Was für ein teuflischer Cocktail, welch Rausch! „Hehe,“ machte Ratte, dem das Highsein gefiel. „Uhhh yeahhh!“, Hamster räkelte sich ekstatisch an der Metallstiege.

Als die Wirkung sich voll entfaltete, kamen vor Erregung geweitete Pupillen und pochende Herzen hinzu. Copycats eisblaue Iris glitzerte gefährlich lauernd im dunklen Fell, sie waren ihr hoffnungslos verfallen. „So blaue Augen!“, seufzte Ratte verzückt. „Super sympathisch“, hauchte Hamster. Total verknallt entschied Ratte sich, Copycat unaufgefordert die kleine Kurbel für die Soundmaschine zu geben. Hingerissen sprach er: „Hier! Ein Geschenk für dich. Die hast du bestimmt schon gesucht, denn allein damit funktioniert unsere Soundmaschine.“ Hamster drängte leidenschaftlich vor: “Ich werde die ganze Nacht zur Stromversorgung auf dem Laufband für dich spurten.“
Copycat glotzte selbstgefällig, ihre Stimme hatte einen giftigen Unterton: „Los! Macht schon, baut mir endlich diesen dämlichen Leierkasten auf. Ich brauche das Ding für meine DJ-Karriere, ihr Loser.“
Der herzlose Tonfall gefiel Hamster und Ratte, denn je abweisender die Katze sich benahm, desto schwerer wurde die toxoplasmotische Verliebtheit. Verschossen und breit grinsend machten sie sich im Ausnahmezustand an ihre lang vermisste Soundmaschine. Copycat lachte sich eins: „Diese Trottel! Sobald ich genug von denen habe, werde ich sie vom Dach stoßen. Zunächst aber mein perfekter Plan.“
Ratte überprüfte sorgfältig alle Bauteile auf Vollständigkeit, montierte ganz erfüllt die Kurbel und nahm selig aus der Vinyl-Sammlung die EP der Punkband Kuballa für den Funktionstest hervor. Vier knackige Songs waren darauf, genau das Richtige für einen kurzen Probelauf. Hamster verkabelte gewissenhaft ihr Laufband und joggte alsbald wonnetrunken los. Zuerst blinkten Kontroll-Lämpchen, dann brach die Musik der 7-Inch aus den Lautsprechern, die Ratte extra nicht runtergeregelt hatte. Diese treibende, schnelle Mucke mit deutschen Texten, die ihn etwas an Turbostaat erinnerte, sollte voll aufgedreht werden, um richtig Eindruck beim Crush zu schinden.
Tatsächlich! Der knalllaute Sound machte Copycat super gelaunt, ausgelassen vergaß sie boshaft zu bleiben und plötzlich tanzte sie ungehemmt los. Wie elektrisiert waren die Nager vom Pogo dieser exzentrischen, vinylliebenden Katze. Liebestoll erfanden sie Gemeinsamkeiten, wo in Wahrheit leider wenige waren. Ratte klatschte in die Pfoten, begann übermütig voll Bauchkribbeln herumzupogen. Er fühlte sich guuuuut! Hamster galoppierte rauschhaft über das Laufband, sie war auf Wolke 7 und krakeelte: “Affected, fected -Yeah!- I’m affected, fected!“**
Puh! Die beiden Nager waren absolut hormonhigh.
Diese intensive Musik-Orgie unter Nagern und Katze war etwas sehr Besonderes und Einzigartiges. Von den enthusiastisch Abtanzenden unbemerkt, schlichen sich jedoch zwei hinterhältige Gestalten heran und begafften argwöhnisch den Exzess. Brutal kniffen sie sich in gegenseitigem Hass in die empfindlichen Flanken, denn sie gönnten sich nicht mal das lustvolle Zuschauen. Schmerzverzerrt hielten sie sich im Schwitzkasten, während sie ungläubig auf die aussergewöhnliche Party stierten. Zu diesem Szenario ballerte die melodische Punk-Hymne „Taube“ von Kuballa aus den Boxen:
Ein Hoch auf die Blockflötenarmee Die da irgendwo rumsteht Und die die Frage stellt Wer frisst wen? Ab 16 Uhr wird dann getanzt (Taube, A-Seite, kuballa)
Die finstren Gestalten waren die ehemaligen Streunerkatzen Atze und Skincat. Sie hatten ursprünglich die Soundmaschine & Co. von Hamster und Ratte geklaut. Später hatten sie ihre Hehlerware dann Copycat verkauft, obwohl sie zuerst das Patent dafür anmelden wollten. Doch ohne Kurbel war die Kiste nutzlos, selbst tüfteln und reparieren zu unbequem. Bei dem Deal mit Copycat schlossen sie lieber gleich einem Crew-Vertag für die funktionslose Soundmaschine, gegen Dosenfutter und Pennplatz auf Lebenszeit. Es gab reichlich wenig zu tun, dies Leben war sehr angenehm.
„Wie hat Copycat die Soundmaschine angeschlossen?“, meuterten die ehemaligen Streunerkatzen extrem übellaunig, denn mit dem ruhigen Leben war’s dann wohl vorbei.
Egozentrisch keifte Copycat: „Ich schaffe das, was ihr nicht hinkriegt, ihr Pfeifen!“ Im nächsten Moment schnauzte sie Hamster und Ratte an: „Schluss jetzt! Das lächerliche Gehopse hält ja niemand aus!“ Die entgeisterten Gesichtszüge der Beschimpften rundum schienen ihr zu gefallen, sie entspannte sich und begann divenhaft zu schnurren: „So, Atze und Skincat, ihr müsst einen Job für mich erledigen!“ Copycat musste sich an ihren Plan halten, denn sie wollte als DJ Pussy Rebel ins Guinnessbuch der Akkorde und berühmt werden. Durch den Ruhm wollte sie am Ende die Massen bewegen, wie Figuren auf einem Spielfeld.
„Zu Befehl!“, blafften die beiden ehemaligen Streunerkatzen wie aus einem Maul. Copycat zeigte auf die Stelle, wo das Dach endete und der Abgrund wartete: „Werdet mir diese beiden Knallchargen los und zwar für immer, aber zackig! Danach spendier ich euch zur Belohnung „Kill’s Addiction Diet – Ragout“.“
Der von ihr beanspruchte Vorschuss-Ruhm legte feierlich seine fein glitzernde Eisschicht der Grausamkeit über ihr Benehmen, wie Raureif auf absterbende Gräser im Novembermorgen. Der Glanz der Macht.
Am Ende fällst du wieder (zurück, zurück) In deine alten Muster (achso, achso) Und ob du willst oder nicht Es dauert lange lange bis du es brichst (Taube, A-Seite, kuballa)
Der gescreamte female / male Part des Refrains klang beinahe schaurig, über die Dachlandschaft hallte das Gitarrenriff, untermalte dessen Verlassenheit.
Der Punkrocksong knallte schon zum zweiten Mal aus der Soundmaschine, weil Hamster arttypisch nicht stoppen konnte über das Laufband zu fegen.
Die beiden Killercats ließen ihre schmutzigen Krallen herausspringen, der übergroße Maine-Coone-Kater stellte drohend seine verfilzten Nackenhaare auf, Skincat kam blutdürstig mit Katzenbuckel auf Ratte zu. Hamster rückte kampfbereit ihr schwarzes Stirnband beim Rennen zurecht, ihre Muskulatur war perfekt aufgewärmt durch’s Laufband. Sie sprintete weiter, konnte aber leider noch immer nicht stoppen. Pah, sollten sie doch kommen, sie würde schnellstmöglich bremsen, wäre in einem Satz dort und würde sie gründlich abwehren! Sie brauchte noch einen ganz kleinen Augenblick. Aber die tödlich Beauftragten rückten drohend auf Ratte zu, er fühlte sich dabei unglaublich mulmig.
„Hey, Moment, ich kenne euch!“, rief Ratte jetzt als Ablenkungsmanöver. Die Killer zögerten und er setzte fort: „Ihr habt im verwilderten Garten unserer Abrissbaracke gelebt, die mal Hamster und mein glücklichster Unterschlupf war. Kommt schon, Peace. Wir sind doch Nachbarn!“
Copycat spuckte aus: “Nachbarn, wie süß. Nützt aber nichts. Mein Dosen-Ragout ist ein unschlagbares Argument. Wir sind Rassekatzen!“
Sie hatte recht, ihre beiden Bodyguards griffen Ratte jetzt gnadenlos an. Der riesenhafte Maine-Coone-Kater Atze griente einfältig in seinem Häkelhoodie, während die drahtige Nacktkatze im Pet Frerry Poloshirt fauchte: „Copycat will euch loswerden, also Abmarsch zur Dachkante!“ „Schon gut, schon gut“, sagte Ratte beschwichtigend und setzte sich unsicher in Bewegung. Er musste an den emotionalen, rockigen Bonustrack denken, der als Download-Code zur Kuballa-EP gehörte, er summte ihn zum Trotz, während sie ihn vorwärts trieben.
All die Zombies von letzter Nacht Die sind immer noch wach Und sie bleiben bei dir Ins Gehirn eingraviert Damit du es kapierst Es gibt kein Ende (Zombies, Download Bonustrack, kuballa)
Hamster konnte in diesem Moment endlich befreit und wutschäumend vom Laufband springen, doch es war zu spät. Die Mörder standen mit Ratte an der Dachkante. Ein Schlag von Skincat, Ratte stolperte, verfehlte den Tritt und stürzte in die Tiefe. Hamster blieb wie angewurzelt stehen. Zu gelähmt, um weiterzueilen, zu elend, sich zu keilen. Atze, der monströse Maine-Coon versetzte Hamster einen heftigen Rippenschlag, sodass Hamster taumelte, doch sie blieb seltsam passiv dabei. „Rat-teeee,“ stammelte sie nur, während ihre Augen kugelrund wurden. „Neeeeiiiin, nicht du,“ ihr Flüstern schwoll zu einem langgezogenen Wehruf an: „Ratt-teeeeee-heeehhhhh!“. Ein tiefer Klagelaut bildete den Ausklang, bevor Hamster lautlos in sich zusammenfiel.
„Kommt jetzt, lasst diesen hässlichen Hamster liegen, der ist fertig“, spottete Copycat. Seelenruhig holte sie ihr Handy raus, grinste zufrieden, fotografierte sich und setzte einen News-Tweet ab: „DJ Pussy Rebel auf dem Weg zum Festival. Mit ihrer Soundmaschine + Fetter LP-Sammlung zum Abverkauf.“ Dann verschwand sie mitsamt ihrer Mördergesellen sowie dem Soundequipment von Ratte und Hamster im Gepäck Richtung Fame-Fame-Fame, VIP-Area und Katzenminze-Götterspeise.
Hamster blieb widerstandslos voll Seelenschmerz zurück, apathisch starrte sie vor sich hin. Dabei flehte sie wie verhext Copycat’s Namen. Ja, völlig unkontrollierbar bettelte sie ihr Dinge hinterher wie: “Bitte geh nicht, Copycat, komm zurück!“ Akuter Herzschmerz hatte bei ihr eingesetzt. Zum einen dieser unerbittliche Toxoplasmose-Liebeskummer bzw. der eiskalte Entzug, weil Copycat nicht in der Nähe war. Zum anderen die Qual der Trauer über Ratte’s Tod. Hamster wurde regelrecht zerfressen von inneren Schmerzen, ihr Kampfgeist war gebrochen. Warum hatte Copycat sie nicht einfach getötet und gut, anstatt ihren Liebeswahn hämisch auszulachen und sie qualvoll verletzt zurückzulassen?
Ja, am liebsten wollte Hamster nur noch eins, glaubte sie: TOT SEIN.
Schwermütig begann sie in Erinnerung an Ratte den melancholischen Punkrocksong von Kuballa zu singen, den sie noch gemeinsam auf dem Dach performt hatten, bevor Copycat auftauchte.
Und in München steht einer auf dem Dach Es ist wieder Mittwoch Abend Kalte Hände in den Taschen Und kein Fallschirm für den Sprung Wir rufen "Achtung, Achtung“ (Halt mich fest, B-Seite, kuballa)
„Halt mich fest!“, setzte Rattes Stimme ein. Keine Täuschung, seine Stimme quäkte weiter. „…und die Menschen die gar nichts haben, halt mich fest, auf den Dächern in der Stadt, halt mich fest…“
„Ich komme!“, kreischte Hamster und sauste an die Dachkante. Dort hing jemand ziemlich verrenkt kopfüber mit dem Schwanz an einer Satellitenschüssel und stimmte ein wackliges Lied gegen die Furcht an. Der singende Ratte hatte weder Harfe noch Flügel, er lebte! „Halt mich fest“, erscholl es erneut ängstlich.
„Ja, ich halt dich fest!“, Hamster packte den Zipfel seines Mantels und hievte ihn glückselig hoch. Vergessen war der Tod!
Doch kaum war er gerettet, weinte Ratte los, als er erfuhr, das Copycat erneut samt Vinylsammlung und Sound-Equipment entwischt war. Er heulte allerdings nicht nur um ihre Schallplatten. Auch er litt grauenhaft an dem toxischen, parasitär verursachten Liebesentzug. Das Schlimmste nach dem Liebesrausch war immer der Katzenjammer! Ihre Infektion mit diesen Gondii-Parasiten verfluchten sie zutiefst. Es war, als hätte sich ein Titan-Streichholz in der Tiefsee ihrer Gefühle entzündet, dessen unzugängliche Flamme dort wider Willen unlöschbar brannte. Gab es ein Gegenmittel? Sie wussten es nicht. Aus Abhängigkeit unterlagen sie leider zusätzlich dem Zwang, Copycat folgen zu müssen, was sie extrem zerknirschte. Immerhin konnten sie dabei in die Nähe ihrer LP-Sammlung und Soundmaschine gelangen, doch sie brauchten eine Spur von ihr.
Da feixte Hamster plötzlich: „Sieh dir das an, DJane Pussy Rebel hat auf Social Media soeben ihre Geodaten im neuesten Tweet geteilt.“ „Na bitte!“, Ratte lächelte etwas schief, als wüsste er nicht so genau, ob dies eine gute Nachricht war. Ob sie das nun mochten oder nicht, sie waren Copycat’s hörige Follower. Und so machten sie sich mit klammen Herzen widerwillig auf den Weg.
Die Beine stolpern Die Toleranz ist weg Den Sonnenaufgang Siehst du atemlos Dann ein Lufthauch Und du schaust kurz zurück Angst oder Zwang Dazwischen wir Worte bleiben Die Hände falten Wer hat die Welt verstanden? (Hände Falten, B-Seite, kuballa)
Ob die beiden geheilt werden und sich selbst mitsamt ihrer Vinylsammlung und Soundmaschine vor Copycat retten können, erfährst du in der nächsten Folge, wenn es wieder heißt: „Hamster und Ratte hören gerne Platte!“
Hamster & Ratte sehen immer anders aus, im Gegensatz zu Micky Maus! Die individuelle Illustration dieser Folge ist eine Collage, die gute Ute vom Vibez Studio aus der Stuttgarter Nachbarstadt hat sie in den architektonischen Raum geworfen.
Alle anderen Folgen von Rattster kannst du nachlesen und zu einem fetten Soundtrack erfahren, was auf dem Roadtrip bisher geschah. Bei Vinylkeks in der Specials Kategorie Rattster findest du die ganzen Folgen.
Die LP von Kuballa, die den Soundtrack dieser Folge geliefert hat, kannst du hier bei Bandcamp bestellen.
P.S.: Lyrics zitieren, eine Macke von Hamster!
*Lyrics Zitat: Malaria
**Lyrics Zitat: Ramones
Video: Kuballa – Zombies