Gospelchor, dann … “There’s a place in my pillows – where you screamed in pain.” Ich bin schon den Tränen nah, da es in diesem Text nicht mehr fröhlicher wird. Hier wird schonungslos getrauert. Lars Bygdén kreiert ebenso so schöne wie tief emotionale Bilder, dass ich nach dem ersten Titel nicht mehr weiß, ob ich das Album “One Last Time for Love” überhaupt durchhören kann.
Lars Bygdén ist in Schweden kein Unbekannter. Mit seiner Band The Thousand Dollar Playboys oder solo. Mit der Band brachte er den Alt Country nach Schweden. Er deckte mitten in den Aufnahmen zu einem weiteren Album, als die Diagnose Krebs bei seiner Frau Ulrike bekannt wurde. 2017 verstarb seine Frau und das folgende Album “Dark Compagnien” verarbeitete schon den Tod, aber nach all dieser Zeit gibt es immer noch so viele Dinge zu verarbeiten, sagt er selbst zum Hintergrund von “One Last for the Love”.
“Into The Light” hat so einen schönen Country-Touch und ist das einzige Lied, was mir ein wenig Hoffnung gibt… “Into the Light – Our one and only Hope, Into the Light – Until I’ll See you there”. Alter, kann man wirklich so ehrlich auf die Tränendrüse drücken ohne seine Authentizität zu verlieren? Lars Bygdén kann es.
“Under the Bean Tree” klingt wieder so schön nach Country mit der Gitarre am Anfang. Dann besingt Lars Bygdén den Baum und erzählt ihm unter anderem, dass sein Sohn heute Fahrrad fahren gelernt hat. “Old Bean Tree sing your Symphony, Shine that golden Rain, we will keep you in our hearts, until we meet again.” Wunderschön und doch so traurig. Der Song baut eine musikalische Brücke für die Kinder zur Mutter und der liebende Vater betrachtet seinen Nachwuchs in einem wunderbaren ergreifenden Song, bei dem er auf der Violine begleitet wird.
So betrachtet er durch die Augen des liebenden Vaters seinen Nachwuchs in einem wunderbaren Song, stilvoll von Emma Ahlberg-Ek auf der Violine begleitet. “Fall into the night” liefert dann kurz vor Schluss noch wahre Gänsehautmomente auf einem Album, das alle Zeit und Konzentration der Welt verdient hat.
Ganz ehrlich Leute, so tiefe Trauer habe ich zuletzt bei Nick Cave gehört, der mit dem Album “Skeleton Tree” den Tod seines fünfzehnjährigen Sohns verarbeitet hat. Auch da gingen die Titel sehr unter die Haut und man konnte die Trauer des Vaters fast greifen. Auch “One Last for The Love” verarbeitet Trauer, Trauer über den Tod seiner Frau, die an Krebs gestorben ist. Lars Bygdén hat das schon auf den Vorgänger-Album getan, aber nach eigenen Worten, versucht er immer noch die Dinge zu verarbeiten und zu verstehen, was passiert ist.
Musikalisch ist das Album herrlich reduziert und läßt für jedes Instrument und die Stimme ausreichend Platz. Ein wenig Hall läßt große Teile des Albums auf diese Art ein wenig unwirklich klingen. Die Streicher Arrangements kommen alle auf den Punkt und es ist immer knapp am Kitsch vorbei. Dieser Tanz auf dem Grat, ist sich Lars Bygdén durchaus bewußt, denn ich finde er lenkt das Album wie ein Boot auf seiner letzten Überfahrt. Ruhig, der Stimmung angemessen, aber immer auf einem Kurs – auf das Licht gerichtet, das ihm die Hoffnung zum Weiterleben gibt.
Ich muss eigentlich vor dem Album warnen, denn es öffnet von der ersten Rille an den Vorhang auf das Seelenleben des Lars Bygdén, der in den Texten immer wieder Spuren der Erinnerung, Momente der Trauer und Einblicke in sein Schicksal, das ihm den Tod seiner Frau einfach hingeworfen hat und ihn damit allein gelassen hat.
Lars Bygdén hat seiner verstorbenen Ehefrau ein musikalisches Denkmal gesetzt. Das ist legitim und er hat seinen Schmerz, all seine Trauer, all seine Emotionen in Stücke von erhabener Schönheit gegossen und die Zuhörerschaft mit einem sehr intensiven Album beschenkt, das auf demNiveau seines gleichen sucht. Dazu kommt, das Lars Bygdén ein echtes Ausnahmetalent ist – ein großer Sänger und noch größerer Geschichtenerzähler. Hört man genau hin, hört man in den Songs auch ein Kraft und ein Glauben, eine Hoffnung, um das Leben auch weiter zu bestehen. Hört mal bewußt auf die Lautstärke einzelner Songs. Meist beginnt es ruhig und leise, bevor sich der ein oder andere Song episch langsam in höhere Lautstärken aufbaut und seine volle Wucht verbreitet.
Die Platte kommt in orangem Vinyl, was vermutlich für den Abendhimmel steht, der auf dem wunderschönen, fast kitschigen Cover zu sehen ist. Bei näherem Hinsehen, erkennt man auch ein Augenpaar, das vermutlich seiner Frau gehört. “One Last Time for Love” enthält acht Songs – oder sind es Therapiesitzungen? – die jedem sich liebenden Paar die Augen öffnen sollte, wie endlich die gemeinsame Zeit auf Erden ist. Wer beim Abhören das Albums keine Tränen in den Augen hat, hat einfach kein romantisches Mitgefühl für das Schicksal von Lars Bygdén.
Ich werde auf jeden Fall Frau gleich in den Arm nehmen und ihr sagen, wie sehr ich sie liebe. Aber vorher trockne ich die Tränen und lass den Rotwein verschwinden. Ach ja, und Liebende, kauft dieses Album und genießt es zusammen. Kaufen könnt ihr es hier.