Das Cover zeigt ein im Wüstensand aufrecht, steckendes Saxophon, welches als Quelle eine kleine Oase mit Wasser gefüllt. Im Hintergrund die gleißende Sonne und Wüstendünung bis zum Horizont. Im Vordergrund schauen von einer Düne, ein Mann und ein Tiger auf die Oase hinunter. Der Mann trägt eine alte Fliegermütze – ein Absturzopfer? In jedem Fall scheinen die beiden Figuren unsere beiden Hauptdarsteller Laurent Bardainne & Tigre D’eau Douce zu sein. Wenigstens ist das meine Interpretation des Cover, das ein wenig an ein Titelbild von “Les aventures de Tintin” des ComicZeichners Hergé erinnert.
Musikalisch paßt diese Wüstenmusik hervorragend in die aktuelle Wetterlage. Die Temperaturen sind in Mittel- und Süd-Europa deutlich hoch und man kommt nicht umher, beim Hören der Musik an ein bequemes Lager zu denken, welches in Wassernähe, mit sich leicht im Wind bewegenden Stoffwänden, dem Hörer für kurze Zeit in seine eigene Welt abtauchen läßt. Man lauscht diesen Klängen, kann nicht anders als diesen beruhigenden, hypnotisierenden Rhythmen zu lauschen. Das sanfte Saxophon im Ohr, ist Ausgangspunkt für die nächste Gedankenreise. Es umschmeichelt und zieht den Hörer unwillkürlich mit sich in die heiße Wüste, die aber nichts Bedrohliches hat, sondern im Gegenteil mit ihrer Mystik lockt und erforscht werden will.
So fliegt der Tag in totaler Entspannung dahin ohne zusätzliche Anstrengung zu erzeugen. Mit der Musik macht sich eine tiefe Entspannung und ein Wohlgefühl im Körper breit, dass es fast therapeutische Ansätze hat. Ich kann den Leser:innen an dieser Stelle schon eine Kaufempfehlung geben. Selten hat mich eine Platte – zudem aus Frankreich und Jazz und Soul, also garnicht mein Beuteschema – so vom ersten Ton in den Bann gezogen. Man will die Platte immer wieder hören und legt sie mal morgens, am Nachmittag, am Abend oder in den blauen Stunden auf und stellt fest zu jeder Tageszeit entwickelt das Album “Hymne au Soleil” eine eigenen Zauber, der den Hörer mit sich zieht und in Tagträumen versinken läßt. Das ist einfach herrlich und so unglaublich, dass ich es nur empfehlen kann, mir gleich zu tun.
Laurent Bardainne ist ein französischer Jazz-Saxofonist und Komponist, der hierzulande leider noch nahezu unbekannt ist. Nach einem klassischen Studium am Conservatoire de Paris spielte er in verschiedenen Formationen mit und hat als Studiomusiker, Komponist und Produzent mit Größen wie Pharrell Williams, Tony Allen und Cassius zusammengearbeitet. Daneben kann er auf eine erfolgreiche Karriere als Solist zurückblicken. Bardainnes erfolgreiches Debütalbum „Love is Everywhere“ aus dem Jahre 2020 wurde von der Kritik hochgelobt.
Hören wir uns auf “Hymen au Soleil”, dem zweiten Album von Laurent Bardainne & Tigre d*eau Douce, ein wenig um. Der Titelsong “Hymne au Soleil” verbreitet ein undefiniertes Ambiente aus Latin und Afro. Der Song leuchtet durch seinen Rhythmus. Dagegen kommt “Adieu My Lord” wie ein spiritueller Song daher. Fast meint man, dass es sich um ein Kirchenlied handelt. Einen Sprung zum Funk machen wir mit “Destination Danger”, der mit seinem Groove zum leichten Tanz einlädt. Mittendrin überrascht der Song dann noch durch ein losgelöstes Saxophon-Solo vom Meister Laurent Bardainne – ein erster, oder wenn wenn nicht sogar der Höhepunkt der Platte.
Mit “Jou en Nou Rive” wird es lasziv dahin groovend, während “Kenya Sunrise” einen sehr vertrackten Rhythmus hat. Hier muss der Drummer sein ganzes Können beweisen. “Oiseau”, der letzte Song wird von Bertrand Belin als Textsprecher begleitet. Den Sprachvortag umwabern Synthie-Vorhänge, was das Stück ein wenig aus der Reihe fallen läßt.
Fazit: Ein schönes Gatefold-Cover verbirgt zwei Vinylscheiben, auf denen sich insgesamt elf Songs befinden und knapp unter 50 Minuten Gesamtlänge bleiben. Das Album ist ein echter Hinhörer, der mir persönlich wirklich eine neue Tür aufgestossen hat. Musikalische Eckpfeiler des Sounds sind für mich die kreisenden Rhythmen aus der Abteilung Drums and Bass sowie die wunderschön zarten, fast zerbrechlich wirkenden Saxophonparts, die wie Düfte wahrgenommen werden, um im Raum zu entschweben.
Die musikalische Unterstützung ist hochwertig und läßt dass auf Hochglanz produzierte Album in der Wüstensonnen glänzen. Laurent Bardainne bringt seine Jazz-Wurzeln ein und so entstand ein abwechslungsreiches Album voller Überraschungen. Im Jazz und Soul verwurzelt, aber teilweise dem Ambient nicht fern, kann man die Soul-Breakdowns der Motown-Ära erahnen, die für “Adieu my Lord” Pate gestanden haben. Daneben kommen agile Tanzrhythmen wie bei “Hymne Au”. Es ist eine weite, vielfältige musikalische Landschaft.
Ich kann nur warnen, wer das Album “Hymne au Soleil” nicht kauft, verpaßt ein fantastisches Sommeralbum, was euch viele Momente verschönern kann oder intensiver erleben läßt. Schnell hier geklickt und Laurent Bardainne & Tigre D’eau Douce, machen sich auf den Weg zu dir.