Wer kennt das nicht? Da gibt es Bands, die spielen seit Jahren oder Jahrzehnten mehr oder weniger regelmäßig Konzerte, veröffentlichen kontinuierlich Alben und trotzdem fallen sie einem nicht so richtig auf. Und plötzlich ist da ein Konzert, ein Erlebnis oder, wie in diesem Fall, eine neue Veröffentlichung, die die Band plötzlich auf dem eigenen Radar mehr als sichtbar macht.
So ist es mir ergangen mit Weekly Carouse, die ich zwar auch durchaus vorher schon mal live gesehen hatte, aber die es nie auf den heimischen Plattenteller geschafft hatten.
Anfang 2021 hörte ich die 7inch “Pluseins” und war begeistert. Hymnischer Punkrock, sehr persönliche Texte, außergewöhnliches Artwork. Da stimmte alles! (hier die Review lesen).
Und anderthalb Jahre läuft hier auch schon die nächste Veröffentlichung , bisher zwar noch auf CD, aber das Vinyl kommt (aus bekannten Gründen) etwas später- “Aeltern” heißt das neue Machwerk der Jungs (01.08.erschienen) und ist das erste mit Sänger Raphi, der auf oben genannter Single seinen Gesang zum ersten Mal der Band zur Verfügung stellte.
Mittlerweile ist er festes Bestandteil der Band und singt den Großteil der Songs auf der neuen Platte, die mich wieder sehr begeistert, da der Sound sehr an Kalifornische Bands im Stil vom dicken Mike erinnert, die Texte aber wieder sehr persönlich daherkommen. Nicht nur, aber gerade dann sind die Lieder richtig geil. Reflektion ist angesagt!
Für mich ein schöner Grund, bei der Band mal nachzuhaken, warum und wie und was und so.
Sänger Raphi und Haupttexter Frank waren so nett sich mit mir schriftlich zu unterhalten. Nachzulesen im folgenden. Viel Spaß dabei.
Zwei Jahre Pandemie liegen hinter uns, Konzert technisch lief bei den meisten Bands deswegen recht wenig, aber viele Bands haben die Zeit genutzt um am Sound zu arbeiten und neue Musik aufzunehmen. Auch bei euch hört man eine Weiterentwicklung raus. Wie habt ihr die letzten Jahre als Band erlebt?
Frank: Naja, unser letztes Konzert (als 4-Mann-Truppe) war im September 2019. Damals schon hatte Raphi mal kurz als Gastsänger bei “Matter of Time” fungiert. Wir haben ja schon viele Jahre nicht mehr regelmäßig getourt und haben gedacht, ja irgendwann 2020 geht´s weiter, aber dann kam die Pandemie.
Aus lauter Langeweile heraus, hatte ich dann irgendwann die Idee, “Matter of Time” und “Einsamkeit” mit Raphi am Gesang neu aufzunehmen. Was wir dann, ich glaub, im August 2020 dann auch gemacht haben. Das Ergebnis kann sich echt immer noch hören lassen. Denke, “Matter of Time” ist immer noch ein Knaller-Song.
Raphi: Für mich beginnt das Erleben “als Band” jetzt erst so richtig. Die Single war in der Hochzeit der Pandemie fast unter Quarantäne-Bedingungen entstanden. Auch das jetzt fertige Album entstand praktisch, ohne dass die Band die Songs je gemeinsam gespielt hatte. Daher reiften die Songs während des Einspielens ungemein. Jetzt freue ich mich umso mehr, dass das Proben begonnen hat und auch bald die ersten Konzerte anstehen, also endlich wieder richtiges Bandleben. Wobei das alles in unserem Alter mit Job und Family gar nicht so einfach ist.
Wann war denn klar, dass Raphi die Band nach der schönen Single, auch in Zukunft bereichern wird?
Frank: Raphi und ich hatten, als das Master der Single fertig war, telefoniert und ich fragte ihn: was machen wir nun? Und der meinte: lass nen Album machen! Das war glaube ich nur so dahin gesagt von ihm, aber dann hat mich die Muse geküsst 😉
Raphi: Bei der Single lief ich ja noch unter “plus eins”, war also eher noch Gast. Als die Idee zum Album entstand, Frank dann erstaunlich schnell einige Songs komponiert und getextet hatte und sich herauskristallisierte, dass ich den Großteil der Songs singen würde war dann auch relativ schnell klar, dass das nicht mehr als Gast gehen würde. Also war ich plötzlich Teil der Band.
Frank: Ich kann mich noch an Deine Reaktion erinnern, als ich Dir u.a. das Demo zu “Chanson à boire” (Sauflied) geschickt habe. Als Du den Songtitel gesehen hast, hat dieser doch etwas abgeschreckt richtig?
Raphi: Das stimmt, aber da war mir noch nicht ganz klar, dass da viel Augenzwinkern und Ironie drinsteckt. Der erste Roughmix klang dazu auch noch etwas gewöhnungsbedürftig 😉 Jetzt ist es ein richtig runder Song geworden.
Wie ist es für dich Raphi denn, dass du nun größtenteils “fremde” Texte singst? Und umgekehrt, wie ist es für dich Frank, dass deine teils sehr persönlichen Texte von jemand anderes gesungen wird?
Raphi: Das war ein bisschen ein Sprung ins kalte Wasser. Am Anfang war ja noch nicht klar wo die Reise hingeht und wären da Songs bei rausgekommen, mit denen ich mich so gar nicht identifiziert hätte oder die ich schlicht gesagt einfach schlecht gefunden hätte, wäre ich ganz schön in Gewissenskonflikte gekommen. Aber Frank hat seinen Job so hervorragend gemacht, dass es hierzu nie kam. Das ist insgesamt eine sehr ehrliche Platte geworden, vieles ist gerade heraus getextet und ich kann mich mittlerweile sehr gut damit identifizieren.
Die zweite Herausforderung war eher gesangstechnischer Natur. Ein kleiner Teil der Songs, also die Single um genau zu sein, existierte ja schon vorher. Auch die neuen Songs hatte Frank größtenteils schon grob eingesungen, damit ich wusste in welche Richtung die Songs gehen. Manches war aber zu tief für mich, da musste ich beim Einsingen (viel Üben vorher war ja nicht) teilweise schon recht “hart arbeiten” bis ich meine Melodie und Stimmlage gefunden hatte. Bei manchen Songs ging es aber auch erstaunlich schnell, manchmal sogar genau bei denen, wo ich es nicht erwartet hatte. Am Ende bin ich ziemlich zufrieden mit dem, was ich draus gemacht hab.
Frank: Naja, das ist schon ziemlich mega gut, was Du draus gemacht hast!
Um deine Frage zu beantworten, ich freue mich einfach, dass die Songs so klingen, wie sie jetzt klingen. Es geht ja nicht darum, wer sie interpretiert, sondern dass sie gut interpretiert werden. Mir war immer klar, dass ich zwar “singen” kann, aber kein guter Sänger bin. Es war auch angedacht, dass Raphi “Vadda” und “Mudda” singt, aber er meinte dann selber, das sollte ich machen, da die doch wirklich zu persönlich sind.
Wenn du diese beiden Titel erwähnst, würde ich direkt eine Frage dazu einschieben:
Solche Familienthemen sind im deutschsprachigen Punkrock bisher eher selten. War es für dich eine Überwindung, fiel es dir schwer das so zu thematisieren? Und warum glaubst du, dass solche Themen es bisher schwer tun im deutschen Punk?
Frank: Puh….. fangen wir mal mit dem letzten Teil an. Ich glaube, aber das ist jetzt nicht evidenzbasiert, gerade Deutschpunk ist in vielen Sachen sehr dogmatisch, man kann auch sagen “männlich” unterwegs. Ja, ich gebe Dir recht, mir sind auch nicht so viele Deutschpunk-Songs bekannt, die einfach auch mal Dein eigenes Inneres beleuchten. Slime, mit Tex am Gesang, gehen da andere Wege im Moment.
Die Songs, ganz ehrlich, die sind einfach entstanden. Ich glaube, das hat mit meinen beiden Söhnen zu tun, vor allem der Song “Vadda”. Ich versuch es ja zu erklären, ich weiß nicht wirklich, wie mein Vadda war, mir ist halt nur, als ich selber “Vadda” wurde, aufgefallen, dass ich meinen eigentlich nie wirklich vermisst habe. Und der Gedanke, dass meine Söhne mal über mich so denken, hat mich echt gequält.
Der Song über meine “Mudda”. Ja, den Text hatte ich geschrieben, kurz nachdem sie 2018 gestorben ist. Aber irgendwie hatte ich nie den “Mut” mich noch mal damit auseinander zu setzen. Im Zuge der Demo-Erstellung, habe ich den Text noch mal rausgeholt und quasi zwei Songs geschrieben, die aufeinander aufbauen.
Eure Band besteht ja jetzt seit knapp 30 Jahren, eure Anfänge thematisiert ihr ja auf der neuen Platte. Viele Bands, die mit euch angefangen haben gibt es nicht mehr, einige andere sind “größer” und bekannter geworden. Hattet ihr im Laufe eurer Geschichte jemals den Punkt, dass ihr hinschmeissen wolltet, oder auch den Punkt wo ihr eine “Stufe höher “ hättet gehen können oder wollen?
Frank: Hinschmeißen nie, aber wir hatten mal eine längere Pause. Was daran lag, dass Florian nach Köln gezogen ist und ich nach Hamburg. Ich krieg die Jahre jetzt nicht mehr zusammen, aber irgendwann haben wir geschnackt und festgestellt, wir und die damals noch anderen, haben immer noch Bock. Wir haben nie einen einzigen Cent verdient. Es gab mal Konzerte (Ende der 1990er), da haben wir auch mal ordentlich Gage bekommen. Aber irgendwie war das nie der Antrieb für uns. Die Chance “größer” zu werden, wenn man das so sagen kann, gab es irgendwann in 1998, meine ich. Da war Semaphore an uns interessiert und Semaphore war ein Unter-Label von “Burning Heart Records” – aber, was wir schon immer hatten, anstatt uns um Konzerte zu kümmern, haben wir lieber gefeiert und die wollten uns mal live sehen damals. Naja, irgendwann hatten wir nen Booker, aber dann war´s zu spät ;-).
Ich habe den Eindruck, dass ihr bei der neuen Platte vieles anders macht als vorher, z.B deutlich mehr Marketing betreibt. So gibt es Single Auskoppelungen und dazugehörige Videos. Geht es heutzutage gar nicht mehr anders?
Frank: Ja, Du hast recht. Aber das ist eigentlich im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass wir persönlich finden, die Pladde ist zu gut, als dass sie irgendwo niemanden erreicht.
Ich zitiere mal einen bekannten Fanziner (Namen nenne ich nicht): “Für Euch hat sich vorher keiner interessiert, für Euch wird sich auch nachher keiner interessieren.”
Und ja, da hat er vermutlich recht. Was auch echt ok ist. Raphi hatte ja schon erwähnt, wir haben alle Jobs, Familie, Florian wird jetzt demnächst Vater, da kannst Du doch nicht wirklich auf Tour gehen und Deine Platte promoten. So machen wir halt das beste draus und das was uns Spaß macht. Und die paar Videos, die wir machen, ja, das macht halt auch alles echt Bock. Aber es ist auch schwierig mal Termine zu finden, an denen wir alle können.
Raphi: Dass sich überhaupt keiner für uns interessiert, stimmt hoffentlich nicht ganz. Immerhin opferst Du auch gerade etwas Zeit, um Dich mit uns zu unterhalten 😉
Aber ernsthaft: Natürlich werden wir auch jetzt keine Berühmtheit erlangen, aber ich glaube schon, dass die Platte es verdient hat von ein paar Leuten gehört und im besten Fall sogar gemocht und nochmal gehört zu werden. Das würde uns sehr freuen und in der aktuellen Zeit ist es zumindest etwas leichter geworden mal ein Video rauszuhauen, die Plattformen existieren ja im Vergleich zu vor 30 Jahren, wo das nicht gegangen wäre. Ich glaube wir machen im Moment die zu uns und unseren Lebensumständen passende Dosis an “Marketing”.
Trotz Familie, Job und den normalen Alltag, beschäftigt euch immer noch was in der Punkrock Szene so vor sich geht. In vielen Texten zeigt ihr euch kritisch, teilweise wirkt ihr genervt von Teilen der “Szene”? Interpretiere ich das richtig und was fasziniert euch trotzdem noch am Punklifestyle, wie ihr ihn für euch definiert?
Frank: “Punk Police” haben ja nicht wir erfunden, aber wir haben es auch erlebt. Wir waren nie die typischen Punks, mit Iro o.ä. Wir mochten die Mukke und wie man heute so schlecht zu hören bekommt, die “linksgrün versifften” Einstellungen. Was mich in den letzten Jahren beschäftigt hat, war das Bewusstsein, dass Du Debatten wie #metoo eben auch (leider) auf die Punkszene spiegeln kannst. Das betraf bzw. betrifft nicht nur die “Konservativen” außerhalb der Szene, nein, das sind auch wir.
Ich bin jetzt in einem Alter, da schaue ich mir unheimlich viele Musik-Dokus an, u.a. auch die von Iggy Pop (Namen vergessen) und wenn Du da mal auf die Mukke achtest, die zu Beginn auch als Punk galt (Blondie) – das würdest Du heute doch gar nicht mehr durch kriegen in großen Teilen der Szene. Glaube ich zumindest, es kann sein, dass ich da auch mittlerweile zu weit weg bin und es hat sich auch etwas geändert. Erst haben die Antilopen Gang und dann Danger Dan auf dem Ruhrpott Rodeo gespielt, das ist ein gutes Zeichen. Obwohl die Facebook-Kommentare dazu zum Teil auch schon wieder bescheuert waren. Warum so engstirnig?
Raphi: Ich tu mich echt schwer damit diese Frage zu beantworten. Ich weiß gar nicht wie sehr ich Teil der “Szene” bin und wie ich den Punklifestyle definieren würde. Am Anfang war da für mich eine Musik die mich ansprach (bei mir ging es los mit den ersten Fat Wreck Samplern). Ob ich je ein “richtiger Punk” war weiß ich nicht. Musikalisch anfangs noch am ehesten, dann hatte sich meine damalige Band eher in rockige und teils Emo-Gefilde bewegt. Obwohl, wenn mich jemand gefragt hat, was ich höre, war meine Antwort immer: Punk. Für mich bedeutete Punk irgendwie, dass vieles egal ist. Ich interpretierte das immer für mich als eine Art Offenheit für viele Einflüsse und auch Toleranz gegenüber anders denkenden. Dass das nicht immer in allen Bereich des Punk galt und gilt hat Frank ja gut erläutert. Meine Hoffnung bleibt aber, dass sich unter dem Begriff “Punk” viele Menschen wiederfinden, die das ähnlich sehen. Aber wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft ist auch hier vieles im Wandel.
Gab es für den Song “Über mich” einen speziellen Auslöser? Oder war es die #punktoo Bewegung/Debatte, die diese Selbstreflexion auslöste?
Frank: Nagel mich jetzt nicht mehr fest auf die genauen Daten, aber es gab in der Tat zwei Auslöser, warum ich diesen Text schreiben wollte. Zum einen war da diese Talkshow, ich glaub u.a. mit Thomas Gottschalk und Micky Beisenherz, die dann darüber sprachen, warum z. B. das Schnitzel (welches ich im Song erwähne), doch gar nichts schlimmes wäre. Da saßen nur alte Männer und Frauen und wollten halt denen, die wirklich von Rassismus betroffen sind, erklären, was ihnen weh tut und was nicht. Das hat mich echt fertig gemacht. Klar, auch ich frage mich, ob die eine oder andere Debatte wirklich nötig ist, aber wer bin ich zu entscheiden, ob das den Menschen, die den alltäglichen Rassismus tagtäglich erleben, weh tut oder nicht.
Der zweite Auslöser war der “Beef” den Tim Hackemack und Ronja vom Plastic Bomb hatten. Da gings ja darum, dass in seinem neuesten Buch zu wenig Frauenbands stattfinden. Ich persönlich finde, dass Ronja mit der Führerecke da auch überdribbelt hat, aber andererseits, wenn Du nicht überdribbelst, ändert sich nichts. Übrigens, was mir später aufgefallen ist: der Song ist ja auch oder im Grunde über “Cis-Männer” geschrieben. Zufälligerweise, ist der auch in Cis gespielt 😉 Das war aber echt ein Zufall ;-).
Euer Album erscheint jetzt zuerst auf CD und digital, das Vinyl wird aber folgen. Wie wichtig ist euch eine Vinylversion? (Wir bei Vinyl-Keks haben da ja eine Affinität zu ;-))
Raphi: Ich glaube Vinyl ist uns wichtiger als CD, aber die Produktionen stocken so krass. Und die meisten Fanzines wollen was zum besprechen in der Hand halten. So ist es zu der CD im praktischen Papp-Schuber gekommen. Dass das etwas ökologischer und zudem auch günstiger ist schadet sicherlich auch nicht. Aber so haben wir etwas, was wir auf den Konzerten zu einem fairen Preis unter die Leute bringen können.
Das schönste ist es, am Ende aber doch ein richtige Platte in den Händen halten zu können, da können CD und Streaming nicht mithalten.
Was ist bei euch in der nahen Zukunft denn an Konzerten geplant? Konzert in der Stockumer Schule hab ich angekündigt gesehen, kommen da noch andere Termine, oder kommt dann schon die Babyzeit?
Frank: In der Tat und das ist auch absolut nachvollziehbar, werden wir sowohl vor als auch nach der Babyzeit erstmal nix machen. Aber, aktuell haben wir noch eine weitere Show in Köln am 24.09. und zwei weitere Termin stehen noch aus. Da warten wir gerade noch auf die Bestätigung. Ansonsten werden wir, sobald Vinyl da ist, eine schöne Release-Party bei uns in Voerde geben
Raphi: Vielleicht geht diese Jahr noch was in Essen. Die Band stammt zwar aus Voerde und alle wohnen halbwegs in der Nähe, aber für mich als Essener wäre das ein schönes Heimspiel. Mal sehen was so kommt.
Hey, vielen Dank, das war es schon. Danke für die ausführlichen Antworten, das hat mich echt gefreut.